In publica commoda

Presseinformation: Fressen und gefressen werden

Nr. 33 - 26.02.2020

Biologische Vielfalt erhöht die Effizienz des Energieaustauschs im Grünland


(pug) Pflanzen beziehen ihre Energie aus der Sonne. Alle anderen Lebewesen müssen fressen, um zu leben. Doch wie funktioniert der Energiefluss in Ökosystemen und gibt es einen Unterschied zwischen Ökosystemen mit vielen und solchen mit wenigen Arten? Diesen Fragen gingen Forscherinnen und Forscher mit Beteiligung der Universität Göttingen nach. Sie nutzten Daten aus einem großen Biodiversitätsexperiment in einem ganzheitlichen Ansatz. Die Ergebnisse der Studie sind in der Fachzeitschrift Nature Ecology & Evolution erschienen.

 

Erstmals wurden nicht nur einzelne Ernährungstypen wie Pflanzenfresser in den Blick genommen, sondern die Nahrungsbeziehungen eines ganzen Ökosystems. Bisherige Forschungen zu den Auswirkungen der Biodiversität auf die Funktionsweise von Ökosystemen konzentrieren sich weitgehend auf einzelne Nahrungsebenen (trophische Ebenen) oder vereinfachte Nahrungsketten.

 

„Wir haben ein ganzes Nahrungsnetz, also multitrophische Interaktionen, sowohl über als auch unter der Erde analysiert. Das ist für das Verständnis der Folgen des anhaltenden, globalen Artenverlusts unerlässlich“, erklärt Dr. Sebastian T. Meyer, Wissenschaftler am Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der Technischen Universität München und Erstautor der Studie.

 

Eine oberirdische Nahrungskette könnte beispielsweise von Gräsern über Heuschrecken hin zu Spinnen gehen. Die Forschungsgruppe betrachtet, wieviel Energie in das System fließt, wieviel darin verbleibt – wieviel Biomasse folglich im System ist – und wieviel Energie das System wieder verlässt. Wichtigstes Ergebnis: Das gesamte Ökosystem nimmt mit zunehmendem Pflanzenartenreichtum auf allen Nahrungsebenen an Funktionsfähigkeit zu.

 

„Positive Effekte auf einer Ebene bedeuten nicht, dass es keine positiven Effekte auf einer anderen Nahrungsebene geben kann“, so Dr. Meyer. Wenn sich eine Heuschrecke an den Gräsern satt isst, bedeutet dies nicht, dass auf der Ebene der Pflanzen negative Effekte daraus entstehen müssen –hoher Artenreichtum wirkt einzelnen negativen Wechselbeziehungen entgegen.

 

Die Gruppe arbeitet mit den Daten des Jena Experiments, einem groß angelegten Grünland-Biodiversitätsexperiment, das bereits seit 2002 läuft. Für jede der 80 Parzellen des Jena Experiments stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler trophische Netzwerkmodelle des Grünlandökosystems zusammen. Diese enthalten die Biomasse auf jeder Nahrungsebene und den Energiefluss zwischen den trophischen Ebenen. Zusätzlich zu den Pflanzen umfasst die Studie auch Pflanzenfresser, Fleischfresser, Allesfresser, Mikroben, totes organisches Material im Boden und Zersetzer, die sich von abgestorbenem organischem Material ernähren.

 

„Die Studie zeigt, dass eine höhere Pflanzenvielfalt zu mehr gespeicherter Energie, einem größeren Energiefluss und einer höheren Energieeffizienz im gesamten Netz, also in allen Nahrungsketten, führt“, erläutert Dr. Oksana Buzhdygan von der Freien Universität Berlin, ebenfalls Erstautorin der Studie. „Die Ergebnisse der Studie zeigen dabei eindrücklich, dass die Zunahme der Biomasse von Konsumenten mit zunehmendem Pflanzenartenreichtum vor allem auf Mikroorganismen und Tieren im Boden basiert“, ergänzt Prof. Dr. Stefan Scheu, dessen Arbeitsgruppe an der Georg-August-Universität Göttingen sich vor allem mit dem Bodennahrungsnetz beschäftigt hat.

 

Ökosysteme mit 60 Pflanzenarten hatten im Durchschnitt doppelt so viel Biomasse wie die durchschnittliche Pflanzenmonokultur, was bedeutet, dass die Gesamtmenge der von der Gemeinschaft verbrauchten und wiederverwerteten Ressourcen mit zunehmender Pflanzenvielfalt zunahm.

 

Originalveröffentlichung: Oksana Y. Buzhdygan et al. Biodiversity increases multitrophic energy use efficiency, flow and storage in grasslands. Nature Ecology & Evolution (2020). www.nature.com/articles/s41559-020-1123-8

 

Kontakt:

Prof. Dr. Stefan Scheu

Georg-August-Universität Göttingen

Johann-Friedrich-Blumenbach-Institut für Zoologie und Anthropologie

Justus-von-Liebig Weg 11, 37073 Göttingen

Telefon: (0551) 39 25445

E-Mail: sscheu@gwdg.de

www.uni-goettingen.de/de/107728.html