Mit einer medial viel beachteten Forderung stieß Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor einigen Wochen eine hitzige Debatte um die Einführung einer Pflicht (zumindest) zur Masernimpfung an. Ein Anfang Mai vorgelegter Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes sieht dabei eine solche Pflicht zur doppelten Masernimpfung für Kinder, die mit dem Besuch der Schule oder eines Kindergartens beginnen, bis März 2020 vor. Gleiches soll für Personen gelten, die mit diesen Kindern unmittelbar in Kontakt stehen. Bei Verstoß droht ein Bußgeld von bis zu 2.500 Euro.

Dabei sind „Impfzwänge“ keine neue Erfindung: Eine Impfpflicht gegen Masern existiert bereits u. a. in Frankreich, Italien, und Ungarn. Auch in der DDR war eine Impfung gegen Masern ab 1970 zwingend. In der BRD bestand bis Ende 1975 eine allgemeine Pflicht zur Impfung gegen Pocken, die danach bis in die 1980er Jahre noch für Kinder weiter galt. Das Bundesverwaltungsgericht entschied im Jahr 1959, dass diese Pockenimpfpflicht verfassungskonform sei. Am 8. Mai 1980 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Pocken schließlich für erfolgreich ausgerottet.

Die hochansteckenden Masern bedingen im Falle einer Erkrankung häufig Komplikationen und bringen in manchen Fällen lebensbedrohliche Folgeerkrankungen mit sich, sie gelten daher als besonders bekämpfungswürdig. Gleichzeitig gilt die Masernimpfung als gut ausgeforscht und ihre potenziellen Nebeneffekte als händelbar. Bereits 1984 hat sich daher die europäische Region der WHO das Ziel gesetzt, die Masern in Europa und schließlich weltweit zu eliminieren. Um den dazu notwendigen so genannten „Herdenschutz“ zu erreichen, gelten Durchimpfungsraten von 95% der Bevölkerung als notwendig. Zwar würden etwa 97,1% der Schulanfänger die erste Masernimpfung erhalten, die laut Robert-Koch-Institut (RKI) entscheidende Zweitimpfung erreiche aber nur etwa gut 93% (Stand: 2017, Quelle: RKI).

Die Zahl der gemeldeten Masernfälle in Deutschland stagniert laut RKI stark. Während sie im Jahr 2015 mit 2.465 gemeldeten Fällen den höchsten Stand seit 2002 erreichte, sank die Fallzahl im folgenden Jahr auf 325 und stieg 2017 wieder auf 929 an. Bis zum 05. Juni diesen Jahres wurden bereits 400 Erkrankungen gemeldet.
Die Reaktionen auf die angestoßene Impfpflicht fallen unterschiedlich aus. Während sich der Deutsche Ärztetag hinter Spahns Vorschlag stellte und sogar mit der Forderung nach einer generellen Impfpflicht noch weiterging, regt sich gleichzeitig Widerstand. So erreichte eine von „Ärzte gegen individuelle Impfpflicht e. V.“ initiierte Petition unter dem Titel „Deutschland braucht keine Impfpflicht!“ bereits über 140.000 Unterstützer (Stand: 15.06.2019). Neben Bedenken gegen ethische Grundsätze und grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrechte (insbesondere Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG) wird weiterhin das Risiko vor „Impfschäden“ angeführt.

Doch ist die Einführung einer Impfpflicht wirklich medizinisch geboten? Wie kann garantiert werden, dass in das Recht des Einzelnen auf körperliche Unversehrtheit nicht zu Lasten von Rechten Dritter eingegriffen wird? Kann ein solcher Eingriff in die Freiheit des Einzelnen ethisch gerechtfertigt werden?
Diesen und weiteren Fragen rund um die mögliche Einführung einer deutschlandweiten Impfpflicht – nicht nur, aber auch für die Masern - stellt sich die vom Zentrum für Medizinrecht in Kooperation mit der DAF - Demokratische Aktion Fachschaft organisierte Podiumsdiskussion unter der Überschrift „Impfpflicht – Keine Macht den Masern?“

Ort: Hörsaal ZHG103, Zentrales Hörsaalgebäude der Universität Göttingen
Zeit: 03. Juli 2019, 20 Uhr c.t.


Es diskutieren:
- Prof. Dr. Kerstin Schlögl-Flierl, Lehrstuhl für Moraltheologie der Universität Augsburg
- PD Dr. Alexander Thiele, Verfassungsrechtler aus Göttingen
- Dr. Steffen Rabe, Ärzte für individuelle Impfentscheidung e. V.

Moderation: Thomas Kopietz, Chef der Lokalredaktion Göttingen der HNA

Die Diskussion steht allen Interessierten offen, der Eintritt ist kostenlos. Im Anschluss an die Diskussion wird es Möglichkeiten geben, Fragen an die Referenten zu stellen.


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