Sexual harassment
Das Göttinger Centrum für Geschlechterforschung (GCG) ist sich über das Ausmaß an sexualisierter Gewalt und sexueller Belästigung an Hochschulen und Universitäten bewusst. In einer Expertise der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wird das Erleben von sexualisierter Gewalt an Hochschulen als eine „schrecklich normale“ Erfahrung bezeichnet: Nach einem Länderbericht einer EU-weiten Studie über sexuelle Belästigung und Gewalt an weiblichen* Studierenden waren 54,7 % der befragten Studentinnen* – also jede zweite – während der Zeit des Studiums sexuell belästigt worden, 3,3 % erlebten sexualisierte Gewalt. Ebenso betroffen von Belästigung und Gewalt sind aber auch Personen, welche als „geschlechtsuntypisch“ wahrgenommen werden, insbesondere Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und intergeschlechtliche Personen. Sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt gehen daher Hand in Hand mit anderen Formen der Diskriminierung (wie z. B. Rassismus oder Ableismus) [1] und können durch diese zusätzlich verstärkt werden
Sexualisierte Gewalt und sexuelle Belästigung sind daher keine Einzelfälle an der Hochschule, sondern stellen eine Form der Machtausübung dar, die aus strukturellen Ungleichheitsverhältnissen und einer heteronormativen Geschlechterordnung hervorgeht. Universitäten sind nach wie vor durch Alltagssexismus und strukturelle Heteronormativität sowie die Unterrepräsentation von Frauen in leitenden Positionen – insbesondere auf der Ebene von Professor*innen – gekennzeichnet. Dazu kommen studienbedingte oder positionsbedingte Abhängigkeitsverhältnisse von Dozent*innen oder Vorgesetzten sowie insgesamt die prekären Beschäftigungsverhältnisse an deutschen Hochschulen, welche vorhandene Verletzungsoffenheiten zusätzlich verstärken. Nicht zuletzt auch weil die Hochschule als „rationaler Raum“ imaginiert wird, erscheint eine Thematisierung von sexualisierter Gewalt, sexueller Belästigung und anderen Formen der Diskriminierung und Abwertung hier besonders schwierig.
Eine kontinuierliche wissenschaftliche Analyse von Geschlechterverhältnissen und die Beschäftigung mit Heteronormativität und intersektionalen Ungleichheitsverhältnissen stellt einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarmachung solcher Strukturen dar. Das Göttinger Centrum für Geschlechterforschung (GCG) setzt sich universitätspolitisch und forscherisch für eine Veränderung dieser Strukturen ein und möchte dazu beitragen, die Rahmenbedingungen für Studium, Forschung und Lehre durch eine Stärkung von anti-diskriminatorischen und gleichstellungspolitischen Maßnahmen, Regelungen und einer Ethik und Politik der Achtung und Gleichstellung zu verändern, um Studium und Arbeit an der Hochschule unter respektvollen und die körperliche Integrität jeder*s Einzelnen achtenden Bedingungen zu fördern. Zur Förderung einer hochschulinternen und gesellschaftspolitischen Sichtbarkeit des Themas plant das GCG für das Sommersemester 2019 weitere Veranstaltungen zu sexueller Belästigung, sexualisierter Gewalt und Diskriminierung an Hochschulen.
Göttingen, im Dezember 2018
[1] Kocher, Eva / Porsche,Stefanie (2015): Sexuelle Belästigung im Hochschulkontext – Schutzlücken und Empfehlungen, hg. Von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Berlin.