Das Auge des Mathematikers - Teofilo Gallaccinis Idea della fortificazione und die Zeichnung als Wissensspeicher
Forschungs- und Buchprojekt von Dr. Marion Hilliges (Publikation in Vorbereitung)
Die Idea della fortificazione [...], ein Manuskript aus der Hand des Mathematikers Teofilo Gallacini ist eines der zahlreichen und dennoch weitgehend unbekannten Fortifikationstraktate des 17. Jahrhunderts. Gallaccini zählt dabei als Professor für Mathematik und Logik an der Universität in Siena zu jenen Gelehrten, die im Kontext ihrer Forschungen die Fortifikation als eines der populärsten Anwendungsgebiete sowohl für mathematisch-geometrische Operationen nach Euklid, als auch für Systematisierungsprozesse und Ordnungsstrukturen nach der Logik des Aristoteles verstanden (Gallileo Gallilei, Jacopo Aconcio). Diese Art einer eher akademisch-philosophischen Fortifikationstheorie verdeutlicht den Prozess der Verwissenschaftlichung des Festungsbaus im ausgehenden 16. und im 17. Jahrhundert. Die Zeichnung erhält dabei eine epistemische Funktion. Grundlegend für diesen Prozess ist die Ablösung von zeichnerischen Ansichten und perspektivischen Grundrissen zugunsten von diagrammartigen Darstellungen von Festungen, die eng verknüpft ist mit den Mathematisierungs- und Systematisierungsprozessen, die ausgehend von der Beschäftigung mit der Euklidischen Geometrie nicht nur das 16. Jahrhundert prägte. Die Festungsdiagramme (Linienzeichnungen, diagramma) bewegen sich zwischen verschiedenen Wissenssphären und sind dabei als Wissensspeicher, als Ausdruck von Denkprozessen und als Medium der Findung und Darstellung von Problemlösungen zu verstehen. Sie sind dabei nicht reduzierbar, aber vergleichbar mit mathematischen Lösungsansätzen.
Im Kontext des wissenschaftlichen Œuvres Gallaccinis und seiner philosophischen Discorsi verweist der Titel emblematisch auf das komplexe Idea-Konzept der Manieristen im Umfeld der italienischen Akademien und ist auch als Beitrag zum disegno-Diskurs in Auseinandersetzung mit Scamozzis Idea dell'Architettura Universale und Zuccaris l'Idea dé Pittori, Scultori et Architetti zu verstehen.