Leitlinien für eine vereinbarkeitsorientierte Führungskultur der Georg-August-Universität (ohne Universitätsmedizin)


Präambel
Die Leitlinien für eine vereinbarkeitsorientierte Führungskultur an der Georg-August-Universität Göttingen (ohne Universitätsmedizin), die auf die Vereinbarkeit von Wissenschaft/Beruf/Studium, Familie und Privatleben abzielen, spiegeln einen Teil des Selbstverständnisses der Universität wider. Ausgehend vom bereits Erreichten, verdeutlichen sie die langfristige strategische Ausrichtung der Vereinbarkeitspolitik der Universität. Die Leitlinien sind in diesem Kontext zugleich als Zielsetzung und Selbstverpflichtung zu verstehen. Mit den Leitlinien verstärkt die Universität ihre Orientierung an Vereinbarkeit in allen Bereichen und konkretisiert damit ihre Umsetzung der Charta „Familie in der Hochschule“.

Die Universität Göttingen hat sich zum Ziel gesetzt, die Vereinbarkeit von Wissenschaft/Beruf/Studium, Familie und Privatleben zu unterstützen und die Arbeits- und Studienorganisation vereinbarkeitsorientiert zu gestalten. Sie orientiert sich dabei am Konzept der lebensphasenorientierten Personalpolitik, die sich an unterschiedlichen und wechselnden Lebenssituationen der Beschäftigten ausrichtet, mit dem Ziel der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit über die gesamte Lebensarbeitszeit, dem Halten von Beschäftigten sowie dem Erhalt und der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Universität. Der Grundgedanke dieses Konzepts wird für die Gestaltung von Studium und Nachwuchsförderung genutzt. Die Universität bietet damit ihren Mitgliedern und Angehörigen eine verlässliche Perspektive unabhängig von ihren unterschiedlichen Lebenssituationen und fördert Chancengleichheit.

Die Vereinbarkeitspolitik der Universität nimmt Bezug auf eine große Bandbreite an Lebenssituationen. Dazu gehören die Betreuung von Kindern und die Pflege von Angehörigen, zeitliche und örtliche Restriktionen im Zusammenhang mit unterschiedlichen Haushalts-/Familienkonstellationen sowie Gesundheitsvorsorge und Weiterbildung. Ein besonderer Fokus liegt auf der Unterstützung der Vereinbarkeit von Wissenschaft/Beruf/Studium und Familie. Familie wird als soziale Beziehung verstanden, in der Menschen längerfristig Verantwortung füreinander übernehmen.

Bei der Umsetzung der Vereinbarkeit spielen Führungsverantwortung und Führungshandeln eine zentrale Rolle. Führungskräfte schöpfen rechtliche Rahmenbedingungen bei der Gestaltung der Vereinbarkeit von Wissenschaft/Beruf/Studium, Familie und Privatleben aus. Dies erfolgt unter der Berücksichtigung dienstlicher Belange. Ziel ist die Etablierung einer vereinbarkeitsorientierten Organisations- und Führungskultur.


Ziele und Zielgruppen
Die Leitlinien richten sich an Führungskräfte auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Universität: Studium und Lehre, Forschung, Nachwuchsförderung, Verwaltung, Technik und Wissenschaftsmanagement.
Die Leitlinien tragen dazu bei, die einzelne Person im Rahmen ihrer Führungs- und Betreuungsverantwortung dabei zu unterstützen, Vereinbarkeit im Studien- und Arbeitsalltag zu ermöglichen. Für diese Verantwortung sensibilisierte Führungskräfte pflegen einen offenen Dialog mit den ihnen zugeordneten Personen und sorgen für Interessensausgleiche in ihrem Arbeitsbereich. Sie nehmen ihre Vorbildfunktion wahr und werden ihrerseits bei der Realisierung der Vereinbarkeit ihres Berufs- und Privatlebens unterstützt.
Insgesamt tragen alle Mitglieder und Angehörige der Universität dazu bei, gemeinsam bedarfsgerechte Lösungen für die Einzelnen, das Team, die Einrichtung und damit die Universität zu finden und umzusetzen.

Die Ziele der Leitlinien werden im Folgenden für zentrale Handlungsfelder konkretisiert.

Die Universität bietet seit langem unterschiedliche Formen des flexiblen Arbeitens an, um auf vereinbarkeitsbedingte Zeitbedürfnisse ihrer Mitglieder und Angehörigen zu reagieren. Sie wird die vorhandenen Angebote im Sinne einer zeitgemäßen, lebensphasenorientierten Personalpolitik noch besser aufeinander abstimmen und erweitern. Mitarbeiter*innen soll die Möglichkeit geboten werden, entlang ihrer Lebensphasen flexibler zwischen Voll- und Teilzeit zu wechseln. Akute Bedarfe und Veränderungen der Lebenssituationen werden zeitnah berücksichtigt.

Familienfreundliche Arbeitskultur | Foto/Layout © Angelika Kehlenbach
Die Führungskräfte sind offen für innovative Formen der Arbeitsorganisation, ermöglichen Telearbeit und im Rahmen der übertragenen Tätigkeiten eigen- verantwortliches Arbeiten. Die Universität entwickelt adäquate Maßnahmen zur Unterstützung (bspw. Springerpool). Die Führungskräfte wirken auf eine Begrenzung von Mehrarbeit und Überstunden hin und legen, wo immer möglich, Sitzungszeiten unter Berücksichtigung von üblichen Zeiten der öffentlichen Kinderbetreuung bzw. ambulanten Tagespflege fest. Eine an Vereinbarkeit orientierte Arbeitsorganisation im
Team setzt ein Ausbalancieren der sich wandelnden Bedarfe aller Teammitglieder unter Berücksichtigung dienstlicher Belange voraus. Führungskräfte integrieren Vereinbarkeitsorientierung in ihr alltägliches Führungshandeln und tragen damit zum vereinbarkeitsorientierten Kulturwandel bei.

Die Universität nutzt bereits einzelne Instrumente zur Flexibilisierung des Studiums (bspw. Teilzeitstudiengänge, flexible Bearbeitungs- bzw. Abgabezeiten für Abschlussarbeiten). Gemeinsam mit den Fakultäten entwickelt sie Studien- und Prüfungsordnungen vereinbarkeitsorientiert weiter. Wo dies möglich ist, unterstützt sie Studierende mit Vereinbarkeitsverpflichtungen durch innovative Lehr- und Lernformate (insb. orts- und zeitunabhängige Formate).
Die Universität nutzt Entwicklungen im Bereich von Studium und Lehre, um weitere Flexibilisierungsmöglichkeiten umzusetzen und universitätsweit zu verankern. Die Universität legt Lehrveranstaltungs- und Prüfungszeiträume unter Berücksichtigung der Schulferien fest. Lehrveranstaltungstermine orientieren sich weitgehend an den üblichen Zeiten der öffentlichen Kinderbetreuung bzw. ambulanten Tagespflege.
Die für die Studiengänge Verantwortlichen wirken darauf hin, dass familiäre Verpflichtungen bei der vorrangigen Vergabe von z.B. Seminar- und Praktikumsplätzen anerkannt werden. Entsprechende Vergabeverfahren werden entwickelt. Lehrende, Betreuende und Beratende unterstützen Studierende mit entsprechenden Verpflichtungen bei einem zügigen Studienabschluss und nutzen die Gestaltungsspielräume in den Studien- und Prüfungsordnungen.
Karte zur Bewerbung des Informationsportals für Studierende mit Kind


Schema der vereinbarkeitsorientierten Führungskultur
Die Universität ist sich der Bedeutung von vereinbarkeitsorientierten Forschungs- und Arbeits- bedingungen für die Personalgewinnung und -entwicklung bewusst. Sie verbessert kontinuierlich die entsprechenden Rahmenbedingungen, um Chan- cengleichheit beim Zugang zu Berufs- und Wissenschaftskarrieren sowie bei der Karriere- entwicklung zu fördern. Stellenausschreibungen werden so formuliert, dass sie qualifizierte Bewerber*innen mit Vereinbarkeitsverpflichtungen zur Bewerbung an der Universität ermutigen. Betreuungszeiten (bspw. für Kinderbetreuung, Pflegeaufgaben) werden bei der Personalauswahl angemessen angerechnet. Eine entsprechende Berechnungsgrundlage wird entwickelt. Im wissenschaftlichen Bereich werden entsprechende Zeiten bei der Leistungsbeurteilung (bspw. verlängerte Zeiträume für die Evaluation bei Juniorprofessuren, Gewährung von Leistungszulagen) sowie der Ausgestaltung von Verträgen (bspw. Verlängerungs-
optionen) berücksichtigt. Die Universität orientiert sich dabei an den Standards der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Für die Bereiche Technik, Verwaltung und Wissenschaftsmanagement gilt dies gleichermaßen (bspw. Beurteilung, Höhergruppierung, interner Aufstieg).
Führungskräfte gestalten Nachwuchsförderung in der Wissenschaft sowie Qualifizierung und Weiterentwicklung der ihnen zugeordneten Personen vereinbarkeitsorientiert. Sie sorgen dafür, dass die Beschäftigten die Möglichkeit haben, ihre Anliegen bezüglich der Vereinbarkeit von Wissenschaft/ Beruf, Familie und Privatleben anzusprechen und entwickeln gemeinsam mit ihnen Handlungsmöglichkeiten, die unter der Berücksichtigung dienstlicher Belange erfolgen.

Die Universität unterstützt bereits alle Mitglieder und Angehörige durch familienfreundliche Infrastrukturen. Sie bietet flexible Kinderbetreuungsangebote für Notfälle und Randzeiten und während Dienstreisen sowie Belegplätze in Kindertagesstätten an. Zusätzlich stehen Eltern-Kind-Zimmer und mobile Spielekisten sowie Veranstaltungs- und Ferienbetreuung zur Verfügung.

Spielzimmer im Lern- und Studiengebäude
Die Universität optimiert und erweitert ihre Angebote kontinuierlich entlang sich verändernder Bedarfe. Sie steht im engen Dialog mit den Partnerinstitutionen des Göttingen Campus, der Stadt Göttingen, dem Landkreis und Trägern von Kinderbe- treuungseinrichtungen. Sie fördert den Bau neuer Kinderbetreuungseinrichtungen und stellt zusätzliche Plätze bereit. Führungskräfte informieren ihre Mitarbeiter*innen über Kinderbetreuungsangebote und unterstützen deren Nutzung. Führungskräfte und Lehrende ermöglichen arbeitenden und studierenden
Eltern, Kinder in Ausnahmefällen und unter Berücksichtigung arbeitsschutzrechtlicher Bedingungen mit an die Universität zu bringen. Die Fakultäten und Einrichtungen ergänzen die zentralen Angebote der Universität durch Maßnahmen, die fachspezifischen Arbeits- und Studienbedingungen Rechnung tragen.

Die Universität versteht eine vereinbarkeitsorientierte Gestaltung der Rahmenbedingungen als Querschnittsaufgabe aller Verwaltungsbereiche. Diese unterstützen durch Dienstleistungen (bspw. Bereitstellung von Informationen) und nutzen Gestaltungsspielräume im Rahmen rechtlicher Möglichkeiten, um bestmögliche Bedingungen zu schaffen.
Der FamilienService ist die zentrale Informations- und Beratungsstelle für Mitglieder und Angehörige der Universität zu Fragen der Vereinbarkeit. Er unterstützt Führungskräfte und Einrichtungen bei der Umsetzung und Weiterentwicklung von vereinbarkeitsorientierten Studien-, Forschungs- und Arbeitsbedingungen.
Die Personaladministration berät Führungskräfte bei der Umsetzung einer Personalpolitik, die Vereinbarkeitserfordernissen Rechnung trägt, unter anderem bei der Vertragsgestaltung (bspw. Verlängerungsoptionen) und bei der Fortsetzung der Berufstätigkeit nach Mutterschutz, Elternzeit und Zeiten der Pflege von Angehörigen.
Bei der Weiterentwicklung von Regelungen und administrativen Prozessen werden vereinbarkeitsorientierte Bedarfe, wo immer möglich, berücksichtigt. Die Verwaltungsbereiche tragen so zur Etablierung einer vereinbarkeitsorientierten Organisationsstruktur und -kultur bei.

Impressum

Die Leitlinien sind unter Federführung der Senatskommission für Gleichstellung und Diversität und unter Einbezug aller Status- und Interessensgruppen der Universität Göttingen entstanden. Sie wurden vom Senat am 23.01.2019 abgestimmt und vom Präsidium am 12.02.2019 beschlossen.
Sie werden ergänzt durch weitere Dokumente (bspw. Handreichungen, Arbeitshilfen), die rechtliche Informationen und praktische Handlungsempfehlungen zu verschiedenen Themen und für unterschiedliche Zielgruppen bereitstellen.

Die Universitätsmedizin Göttingen einschließlich der Medizinischen Fakultät (UMG) ist seit 2015 im Rahmen des Audits „berufundfamilie“ zertifiziert.