Das Erdwerk von Wellie
Erkundung eines neu entdeckten Zentralplatzes der Jungsteinzeit
Projektbeschreibung
Durch die Trockenheit des Jahres 2018 wurde im Luftbild ein bisher unbekanntes Erdwerk bei Wellie (Ldkr. Nienburg/Weser) von dem langjährig in Nienburg aktiven Amateurarchäologen H.-D. Freese entdeckt. Im Getreide zeichneten sich kräftige Gräben ab, die – unterbrochen von mehreren Zugängen – eine rundliche Fläche von ca. 250 bis 300 m Durchmesser umschlossen. Derartige Anlagen sind im Landkreis Nienburg/Weser äußerst selten und mit dem neuen Fundplatz an der Mittelweser lässt sich die Gesamtverbreitung dieses Befundtypus sogar weiter nach Nordwesten belegen. Damit gewinnt dieser Fundplatz eine überregionale, für ganz Norddeutschland, eine Relevanz.
Lage der Fundstelle Wellie 26 (Kartengrundlage OSM Bergfex mit QGIS - QMS ESRI Shaded Relief - Layer, abgerufen am 24.11.2018).
Positive Bewuchsmerkmale im Luftbild während des heißen trockenen Sommers 2018
(Quelle: Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege, Heinz-Dieter Freese 2018).
Fotogrammetrisch entzerrtes und georeferenziertes Luftbild von 2018 mit den Ergebnissen der geomagnetischen Vermessung 2017 und einer Umzeichnung der Erdwerksgräben (rot).
Erdwerke erscheinen in unserem Raum vorwiegend im 4. Jahrtausend v. Chr. und stehen mit der ältesten bäuerlich wirtschaftenden Kultur im Norden, der Trichterbecherkultur, und der Michelsberger Kultur aus dem Süden in Verbindung. Mit dem Erdwerk in Müsleringen konnte zwischen 2009 und 2013 der erste derartige Platz im Landkreis Nienburg durch Luftbilder, Geophysik und Ausgrabungen erforscht werden. Der ungeheure Aufwand, der zu dessen Errichtung getrieben wurde, zeigte sich hier in bis zu fünf m breiten und über zwei m tiefen Gräben, die eindeutig ein kollektives Vorgehen für eine gemeinschaftliche Anlage dieser frühen Bauernkulturen belegen. Die Bedeutung, die der Platz für die damalige Bevölkerung gehabt haben wird, ist bereits an diesem Einsatz zu bemessen. Das Fundmaterial lässt zudem Schlüsse auf rituelle Niederlegungen zu, wie sie andernorts noch markanter in Erscheinung treten.
Auf der Suche nach zeitgleichen Siedlungsplätzen zum nahegelegenen Gräberfeld von Liebenau/Steyerberg war zufällig bereits 2017 ein Teil der Fläche in Wellie von der Universität Göttingen geomagnetisch prospektiert worden. Das hier erfasste kurze Erdwerksegment lässt sich erst durch die aktuellen Luftbilder richtig einordnen. Diese Messungen zeigen, dass die geomagnetische Prospektion in den örtlichen Bodenverhältnissen sehr gute Ergebnisse erzielt und „Fehlstellen“ im den Luftbildern füllen kann. Beide Methoden ergänzen sich hier also hervorragend, so dass eine flächendeckende geomagnetische Untersuchung anzusetzen ist. Nach der Entdeckung im Luftbild wurde die gesamte Fläche bereits 2018 vollflächig begangen, Oberflächenfunde geborgen und einzeln eingemessen. Durch die Konzentration der über 1000 aufgelesenen Funde auf das Innere der Anlage, könnten viele der geborgenen Feuersteinartefakte und Keramikfragmente sowie einzelne gebrannte Knochen der Nutzungszeit angehören. Hervorzuheben sind dabei einige Gerätschaften wie Pfeilspitzen, die eine genauere kulturelle Zuordnung ermöglichen. Einzelne Detailbefunde wie speziell ausgebaute Torsituationen, die im Luftbild zutage traten, werden dadurch hoffentlich auch an anderen Stellen der Gesamtanlage erfasst.
Oberflächenfund von Ronald Reimann in der Innenfläche des Erdwerkes von Wellie, eine flächenretuschierte, langschmale, ungleichschenklig-dreieckige Pfeilspitze mit gerader Basis
(Foto: Ronald Reimann, 2018).
Möglicherweise lassen sich dadurch Spuren einer potenziellen Innenbebauung nachweisen. Dafür sind ausgewählte Luftbilder zu entzerren und mit den Ergebnissen der Geophysik zu verschneiden. So ließe sich erstmals ein maßstabsgetreuer Gesamtplan der Anlage mit allen Informationen zu Aufbau und Innengestaltung erstellen. Durch gezielte Bohrungen sollen die Tiefe und die Verfüllungsprozesse der Gräben mit minimalinvasiven Eingriffen schnell und kostengünstig erkundet werden, um grundlegende Erkenntnisse zur Gestalt und Nutzung sowie die Aufgabe der Gräben zu gewinnen.
Luftbild mit positiven Bewuchsmerkmalen und vermeintlichen Gebäudestrukturen einer Torsituation (roter Pfeil und Rechteck) auf der südöstlichen Erdbrücke des Erdwerks von Wellie
(Foto: Heinz-Dieter Freese 2018).
Die bislang im Raum Steyerberg/Liebenau und auch in Wellie hervorragend laufende Kooperation mit dem Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Georg-August-Universität Göttingen, soll im Bereich des Erdwerkes weiter fortgesetzt werden. Tobias Scholz M. A., wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar, hat mehrfach mit viel persönlichem Engagement erfolgreiche geomagnetische Untersuchungen, Bohrungen, Begehungen und Ausgrabungen zusammen mit Studenten und lokalen Ehrenamtlichen durchgeführt. Unter anderem im Rahmen von Lehrveranstaltungen wird eine möglichst flächendeckende Vermessung mit dem Magnetometer durchgeführt werden.
Das von der Oberfläche geborgene Fundmaterial ist bislang nur grob gesichtet worden und soll im Weiteren fachgerecht aufgenommen, gezeichnet und bewertet werden. Ebenfalls ist einen Durchsicht der Altfunde der Fläche in den Museumsmagazinen in Nienburg und Hannover vorgesehen. Als Fachmann für Feuerstein ist in diesem Punkte Klaus Gerken als Bearbeiter vorgesehen. Mit der angestrebten Grunderfassung durch non-destruktive und minimalinvasive Verfahren, kann dieses neu entdeckte und für die Region herausragende Bodendenkmal erstmals anhand moderner Methodik wissenschaftlich untersucht werden. Damit sollen alle nötigen Rahmendaten und Plangrundlagen zusammengetragen werden, um weitere Maßnahmen in den Folgejahren zielgenau durchführen zu können. Als Endziel soll eine Rekonstruktion der Anlage, ihre zeitliche und kulturelle Einordnung sowie eine Annäherung an die bei solchen Anlagen vielfach komplexe Frage der Nutzung angestrebt werden.
Größenvergleich der Erdwerke Wittmar, Wellie und Claden.
Die Erdwerke von Wittmar und Claden sind nicht genordet.
(nach Dirk Fabian 2012, www.ingraphis.myportfolio.com/aktuelles;
angerufen am 14.12.2018, ergänzt um Wellie durch Tobias Scholz 2018).
Kontakt:
Tobias Scholz M.A.
Georg-August-Universität Göttingen
Philosophische Fakultät – Seminar für Ur- und Frühgeschichte
Nikolausberger Weg 15, 37073 Göttingen
Telefon: 0551 / 39 - 25082
Email: tobias.scholz@phil.uni-goettingen.de
Dr. Jens Berthold
Kommunalarchäolgie der Schaumburger Landschaft
Schloßplatz 5, 31675 Bückeburg
Telefon: 05722/9566-15