Mission und Anthropologie. Zur Geschichte von „Rasse“ im 18. Jahrhundert
Dass „Rasse“ in der Frühen Neuzeit womöglich erfunden, sicherlich aber entscheidend geprägt wurde, ist zu einem Konsens der Rassismusforschung gereift. Denn in die Frühe Neuzeit fallen verschiedene Prozesse der Systematisierung menschlicher Vielfalt, ihrer Genealogisierung sowie ihrer Somatisierung in Blut, Haut und Knochen. Wesentlichen Anteil an dieser Forcierung von Rasse hatte die Naturgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts, die schnell zur Garantin anthropologischer Wahrheit wurde. Gelehrte wie François Bernier, Carl von Linné oder Immanuel Kant übertrugen nicht alleine das Wort „Rasse“ von Tieren auf Menschen, sondern versuchten, die Menschheit in verschiedene Gruppen zu unterteilen und diese wiederum zu hierarchisieren.
Das Dissertationsvorhaben geht der Frage nach, wie sich in gelehrten Rassekonzepten religiöse Differenzsetzungen niederschlugen. Am Beispiel der Geschichte der Mission der evangelischen Brüder auf den caraibischen Inseln S. Thomas, S. Croix und S. Jan soll gezeigt werden, wie ein Denken in religiösen Zugehörigkeiten als „natürlich“ verstandene Alterität inspiriert hat – und umgekehrt. Die 1777 in Barby erschienene Geschichte der Mission ist die gekürzte Fassung eines 3000-seitigen Manuskripts von Christian Georg Andreas Oldendorp, der darin unter anderem über die „Sklavenmission“ der Herrnhuter Brüdergemeine in Dänisch-Westindien berichtete. Das Werk diente Anthropologen wie Johann Friedrich Blumenbach, Christoph Meiners oder Samuel Thomas Soemmerring als eine der Referenzen für die taxonomische Einteilung der Menschheit in Rassen. Das Projekt soll sich mit einer Untersuchung der Herrnhuter Missionspraxis in Dänisch-Westindien in die Forschung zu Slave Religions einfügen, aber der medialen Wirksamkeit Rechnung tragen, mit der religiöse und rassifizierte Hierarchien den begrenzten Kontext der Mission überstiegen und in Gewissheiten über Kultur, Geschichte und Natur übersetzt wurden.