In publica commoda

Presseinformation: 5700 Jahre Sturmgeschichte

Nr. 46 - 14.03.2025

Forschungsteam analysiert Sedimentschichten in der Karibik – Hurrikan-Häufigkeit nimmt langfristig zu

 

(pug) Die Anzahl tropischer Stürme und Hurrikane in der südwestlichen Karibik hat in den vergangenen 5700 Jahren kontinuierlich zugenommen – und um ein Vielfaches in den vergangenen Jahrzehnten. Das zeigt eine umfangreiche Rekonstruktion von Seesedimenten im „Great Blue Hole“, einer Unterwasserhöhle vor der Küste von Belize. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung der Universität Frankfurt und mit Beteiligung der Universität Göttingen konnte dadurch die bislang umfassendste Liste von Sturmereignissen in dem Gebiet erstellen. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Science Advances erschienen.

 

Das „Great Blue Hole“, eine 125 Meter tiefe Unterwasserhöhle mit einem Durchmesser von etwa 300 Metern im ansonsten sehr flachen Lighthouse Reef, einem Korallenatoll 80 Kilometer vor der Küste des mittelamerikanischen Staates Belize, ist ein außergewöhnliches Klima- und Sturmarchiv. Aufgrund von sauerstofffreien Wasserbedingungen am Boden der Höhle konnten sich über mehrere Jahrtausende hinweg jährlich geschichtete Sedimente vollkommen ungestört ablagern. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler analysierten nun die Sedimentschichten aus einem 30 Meter langen Bohrkern.

 

„Die geschichteten Sedimente dienen uns nicht nur als Speicher für eine Vielzahl von Klimadaten und geben zum Beispiel Einblick in die Wassertemperaturen in der Vergangenheit“, so Erstautor Dr. Dominik Schmitt von der Universität Frankfurt, „sondern sie helfen uns auch, außergewöhnliche sedimentäre Ereignisse wie Sturmlagen nach dem gleichen Prinzip zu datieren, wie wir es von Baumringen kennen.“ Sturmwellen und Sturmfluten führen zum Transport von groben Partikeln aus dem Korallenatoll, die nur während eines hochenergetischen Sturms in das „Great Blue Hole“ eingetragen werden können und dann an dessen Grund auffällige, grobe Lagen bilden. Diese grenzen sich in ihrer Zusammensetzung und Farbe deutlich von den normalen Sedimenten ab.

 

So konnte das Forschungsteam insgesamt 574 Hurrikan-Ereignisse in den vergangenen 5700 Jahren identifizieren und auf das Jahr genau datieren, was einen bisher unerreichten Einblick in die klimatischen Schwankungen und Hurrikan-Zyklen der südwestlichen Karibik ermöglicht. Dieser Datensatz erweitert die Messdaten und menschlichen Aufzeichnungen, die nur 175 Jahre zurückreichen, um viele Jahrtausende und erlaubt so aufschlussreiche Einblicke in frühere Warm- und Kaltphasen, als der Mensch noch nicht tiefgreifend in das Klimasystem eingegriffen hatte.

 

Den Bohrkern analysierten Arbeitsgruppen an den Universitäten Frankfurt, Köln, Göttingen, Hamburg und Bern mit unterschiedlichen Methoden. Vor etwa 20.000 Jahren war das Lighthouse Reef noch eine Insel mit einer Kalksteinhöhle, in der sich ein natürlicher Süßwasserbrunnen befand, in den große Mengen organischer Reste aus dem umgebenden Regenwald eingetragen wurden. Vor 7200 Jahren begann der ansteigende Meeresspiegel die Insel zu überfluten. „Pollen- und Algenfunde zeigen, dass der Wasserkörper in der Höhle brackisch und der Regenwald auf der Insel durch einen Mangroven-Sumpf abgelöst wurde“, so Prof. Dr. Hermann Behling und Dr. Lyudmila Shumilovskikh von der Abteilung Palynologie und Klimadynamik der Universität Göttingen. Eine vollständige Überflutung der Insel durch das Meer, mit Korallenriff-Wachstum, setzte dann vor 5700 Jahren ein. Seitdem findet eine weitgehend ungestörte Ablagerung feiner mariner Sedimente mit Jahresschichtung statt, in denen tropische Stürme und Hurrikane sichtbare Spuren hinterlassen haben

 

Da die gewonnenen Daten für die vergangenen Jahrzehnte eine Häufigkeit von Sturmereignissen zeigen, die um ein Vielfaches höher ist als in den älteren Sedimenten, fällt die Prognose des Forschungsteams für die Zukunft besorgniserregend aus: „Auf dieser Basis könnte es bis zum Jahr 2100 zu einer deutlichen Intensivierung der regionalen Sturmbelastung kommen, die weit über das natürliche Maß der vergangenen Jahrtausende hinausgeht“, so die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ein entscheidender Faktor hierfür ist die fortschreitende anthropogene Erwärmung des Meeres, die optimale Bedingungen für die überproportional häufige Entstehung und schnelle Intensivierung von Stürmen schafft.

 

Originalveröffentlichung: Dominik Schmitt et al. An annually resolved 5700-year storm archive reveals drivers of Caribbean cyclone frequency. Science Advances 2025. Doi: 10.1126/sciadv.ads5624.

 

Kontakt:

Prof. Dr. Hermann Behling, Dr. Lyudmila Shumilovskikh

Georg-August-Universität Göttingen

Albrecht-von-Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften

Abteilung Palynologie und Klimadynamik

Wilhelm-Weber-Straße 2a, 37073 Göttingen

E-Mail: hbehlin@gwdg.de, lshumil@gwdg.de

Internet: www.uni-goettingen.de/de/72074.html