Kulturelle Übersetzung als "transoceanic encounter": Mission und Philanthropie im Atlantikraum der Frühen Neuzeit


Kulturelle Übersetzung als transoceanic encounter: Mission und Philanthropie im Atlantikraum der Frühen Neuzeit

Dieses Projekt untersucht den Nexus zwischen religiös motivierten Unternehmungen und interkulturellen Begegnungen im Kontext des britischen Empire. Seit dem 17. Jahrhundert wurden atlantische Kolonien als „religiöse Pflanzstätten“ konzipiert. Nonkonforme religiöse Gruppierungen wie Puritaner und  Quäker, später auch kontinentaleuropäischen Lutheraner und Gruppierungen aus dem pietistischen Spektrum, die auf der Suche nach Missionsgebieten und/oder auf der Flucht vor Verfolgungen dorthin migrierten, beteiligten sich maßgeblich an der politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Gestaltung dieser Kolonien. Durch ihre religiösen Überzeugungen und teilweise durch Erfahrungen mit Repressionen und Margina-lisierung motiviert, entwickelten einige dieser Gemeinschaften charakteristische humanitäre Anliegen, darunter die Abschaffung der Sklaverei, Armenfürsorge und Schulbildung. Ihre missionarischen bzw. philanthropischen Aktivitäten zielten häufig speziell auf Indigene und auf versklavte Menschen.

Das Projekt fußt auf der Erkenntnis, dass Missionierung kein unidirektionaler Prozess ist sowie auf der laufenden kritischen Neubewertung von Humanitarismus und Philanthropie. Es beleuchtet Missionar*innen als broker oder go-betweens, beispielsweise in sprachlicher, religiöser und politischer Hinsicht. Es fragt einerseits danach, in welchen Handlungsspielräumen sie sich bewegten, wenn sie sich auf Ideale wie spirituelle Egalität beriefen, zugleich aber auf ihre Verbindungen zu Europa angewiesen blieben. Andererseits fragt es danach, wie Missionierte, die sich solchen Idealen und den damit verbundenen kulturellen Hierarchien gegenübersahen, kooperierten oder sich widersetzten und die Sicht der Missionierenden beinflussten. Missionierung und Philanthropie resultierten in kulturellen Verflechtungen und Transfers, aber auch in (struktureller) Gewalt und langfristig in der Etablierung, Legitimierung und Stabilisierung von Ungleichheiten bis in unsere Zeit. Diese Ambivalenzen lotet das Projekt aus.