Das Projekt
Die Ursprünge und die Entwicklung des Monotheismus im antiken Israel stellt eine der bedeutendsten Debatten in den Studien des Alten Testaments während der letzten dreißig Jahre dar. Aufgrund dieser Debatte entstanden zahlreiche Bücher und Artikel, sie bewirkte eine bedeutende Umstellung des akademischen Konsenses und fügte Beachtliches zu unserem Verständnis von altisraelitischem Religionsleben und Denken hinzu. Unglücklicherweise wird die Diskussion immer wieder vorzeitig mit dem exilischen ‚Durchbruch’ zum Monotheismus in Deuterojesaja beendet.
Ein wichtiger Teil des Problems besteht darin, dass eine bestimmte Darstellung der Natur des Monotheismus von Exegeten geschaffen wurde. In dieser Darstellung ist Monotheismus eine Stufe von Religion, die für ihre Anhänger als selbstverständlich wahrgenommen wird, wenn sie einmal erreicht ist. Demzufolge wurde die Rückentwicklung zum Polytheismus als unvorstellbar angesehen. Zusätzlich wurde angenommen, dass der Monotheismus gewisse Konsequenzen mit sich ziehen würde, Weltlichkeit, Ablehnung von Aberglaube und Magie, aber auch ethische Konsequenzen und ein Rückgang im Gebrauch von Symbolen eingeschlossen. Deshalb wurde angenommen, als Akademiker herausfanden, dass Deuterojesaja ein Monotheist war, welcher seinen Glauben öffentlich zeigte, dass zur Zeit Deuterojesajas der wahre Monotheismus erreicht wurde. Die komplizierte und intellektuelle Geschichte religiöser Veränderungen im antiken Israel hatte ihr Ziel erreicht.
Es ist jedoch klar, wie sehr sich der Glaube der frühen Juden auch immer von dem ihrer Vorfahren abhebt, dass eine beträchtliche Vielfalt in der Art und Weise existierte, in der jüdischer Glaube an Gott und die Welt verstanden und ausgedrückt wurde. In seiner Einleitung in den Monotheismus, 1996 veröffentlicht, erkannte Fritz Stolz mindestens vier große Kategorien der monotheistsichen Denkweise: priesterlich, deuteronomistisch, weisheitsvoll und apokalyptische. Anhänger dieser Traditionen zeigen starke Hingabe zu dem einen Gott Israels, YHWH, aber die Bedeutung dieser Hingabe bezüglich ihrer Theologie und ihrer Glaubenspraxis kann durchaus verschieden ausfallen. Diese Unterschiede innerhalb des jüdischen Monotheismus werden während der späten Zeit des zweiten Tempels sogar noch deutlicher. Von dieser Zeit haben wir eine Fülle von Informationen über die Theologie und Ausübung der Religion der verschiedenen Gruppen, die das Judentum ausmachen.
Die Sofja- Kovalevskaja Forschungsgruppe unter der Führung von Dr. Nathan MacDonald will die beträchtliche Vielfalt in israelitischem und jüdischem monotheistischem Denken und dessen Verwirklichung während der Exilzeit und der Perserzeit untersuchen, vor allem durch die Untersuchung der relevanten biblischen Texte. Das Projekt besteht aus einem kleinen Team von promovierten und promovierenden Forschern an der Georg- August- Universität Göttingen. Jeder dieser Forscher arbeitet mit einem biblischen Buch oder mehreren Büchern mit der Absicht, die Bücher erneut bezüglich der Vielfalt des jüdischen Monotheismus zu untersuchen. Zusätzlich dazu werden vier Kolloquien stattfinden, wegen welcher eine Reihe fortgeschrittener Akademiker nach Göttingen kommen werden, um folgende Themen zu untersuchen:
- Göttliche Anwesenheit und Abwesenheit in frühjüdischen Monotheismen
- Eschatologie, Gewalt und frühjüdischen Monotheismen
- Universalismus und Erwählung in frühjüdischen Monotheismen
- Antworten auf die Existenz des Bösen in frühjüdischen Monotheismen
Das Projekt erfreut sich gegenwärtig großer Beliebtheit aufgrund der Sorgen um die Beziehung zwischen Monotheismus, Hegemonie und Gewalt. Ein akademisches Projekt, welches die Einheit und Vielfalt innerhalb des frühjüdischen Monotheismus prüft, kann nicht nur die Geschichte, Literatur und Theologie der biblischen Texte und der Zeit des zweiten Tempels besser beleuchten, es berührt auch Streitfragen gegenwärtigen Interesses. Das Team arbeitet mit der Hypothese, dass einige Zusammenhänge zwischen Monotheismus und Gewalt zu einfach geknüpft wurden und die Vielfalt von gegenwärtigen und geschichtlichen Formen des Monotheismus nicht erklären können.
Die Sofja- Kovalevskaja Forschungsgruppe arbeitet eng zusammen mit verwandten Forschungsprojekten der Theologischen Fakultät, vor allem mit dem DFG- finanzierten Graduiertenkolleg, “Götterbilder – Gottesbilder – Weltbilder”, und mit den beiden Professoren für Altes Testament, Prof. Hermann Spieckermann und Prof. Reinhard Kratz. Das Forschungsprojekt ist von 2009 bis 2014 aktiv und wird durch eine Auszeichnung von der Alexander von Humboldt Stiftung an Dr. Nathan MacDonald in Höhe von 1,65 Millionen Euro finanziert, die vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung gespendet wurden.