09/07/2013:
Mindestlohn brächte Kaufkraftsteigerung in Milliardenhöhe
Nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) brächte die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde (brutto) bundesweit einen Kaufkraftzuwachs in zweistelliger Milliardenhöhe. Der Mindestlohn sei damit ein eigenständiges Konjunkturprogramm, das über eine Stärkung der Binnenkaufkraft das Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik anschieben könne.
Laut NGG-Pressemitteilung habe das ISP Eduard Pestel Institut für Systemforschung in Hannover im Auftrag von Ver.di und NGG auf der Basis aktueller Sozial- und Beschäftigtendaten den Kaufkraftzuwachs durch einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von zunächst 8,50 Euro ermittelt. Danach wachse die Kaufkraft mit der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns bundesweit um 19,155 Milliarden Euro. Auf Westdeutschland entfielen danach 13,55 Milliarden Euro zusätzlicher Kaufkraft. In Ostdeutschland brächte der allgemeine gesetzliche Mindestlohn einen Kaufkraftschub von 5,605 Milliarden Euro. Insgesamt würden mehr als neun Millionen Beschäftigte unmittelbar von dem Mindestlohn profitieren.
Nach Angaben der Berliner Zeitung habe das Institut für seine Analyse unterschiedliche Datenquellen herangezogen. Dazu gehörten das sozioökonomische Panel, Verdiensterhebungen des Statistischen Bundesamtes und der Mikrozensus. Diese verschiedenen Statistiken zu kombinieren, entspreche nicht den strengen wissenschaftlichen Maßstäben, habe Matthias Günther, Vorstand und Studienleiter des Pestel-Instituts eingeräumt. Nur so sei es aber möglich, die Realität in Deutschland korrekt zu erfassen.
Die Pestel-Studie setzt damit einen weiteren Akzent in der seit einigen Jahren sich ausweitenden Wirkungsforschung zur Einführung von Mindestlöhnen. Hier hat gerade in letzter Zeit die Zahl an Studien zugenommen, die die positiven Effekte der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes für die Beschäftigten, den Arbeitsmarkt oder auch den Staatshaushalt belegen und oft auch in Zahlen fassen wollen.
Meist geht es dabei um die Frage der Beschäftigungswirkung von Mindestlöhnen. So hatte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) 2011 gleich mehrere Forschungsinstitute damit beauftragt, in insgesamt acht Branchen, in denen bereits ein gesetzlicher Mindestlohn gilt, zu überprüfen, ob die Mindestlohnregelungen Arbeitsplätze gefährden. Einhelliger Befund: Weder ließ sich nachweisen, dass die Branchenmindestlöhne Arbeitsplätze vernichten, noch dass sie den Wettbewerb verzerren (siehe 24.10.2011). Wissenschaftler des Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) haben darüber hinaus im Herbst 2012 verlauten lassen, dass ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn das Arbeitskräfteangebot insgesamt schwach positiv beeinflussen würde, wobei vor allem die Erwerbsbeteiligung von Frauen steigen würde (siehe 22.10.2012).
Hinzu kommen Analysen, die zu beziffern versuchen, wie viele schlecht bezahlte Beschäftigte von Mindestlöhnen profitieren würden. So hat etwa das Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) erst kürzlich berechnet, dass bereits im Jahr 2011 die Einführung eines Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro zu Lohnsteigerungen bei etwa 7 Millionen Beschäftigten geführt hätte (siehe 24.06.2013).
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat darüber hinaus in Studien die finanziellen Entlastungen der Staatshaushalte beziffern lassen. So könnte die öffentliche Hand bei einer allgemeinen Lohnuntergrenze jährlich mehre Milliarden Euro einsparen - Geld, das derzeit ausgegeben wird, um voll- und teilzeitbeschäftigten Geringverdienern mit aufstockenden Hartz IV-Leistungen das Existenzminimum zu sichern (siehe 16.11.2012). Auch den umfangreichen Berechnungen des Prognos-Instituts zufolge sind die fiskalischen Entlastungen beträchtlich. Danach hätte eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro im Jahr 2011 Bund, Ländern und Kommunen sowie den Sozialversicherungen Mehreinnahmen und Einsparungen von zusammen über sieben Milliarden Euro gebracht (siehe 29.04.2011).
Quellen:
NGG-Pressemitteilung vom 09.07.2013
Berliner Zeitung vom 09.07.2013
Weiterlesen:
Günther, M. (2013): Regionale Mindestlohnwirkungen. Pestel-Institut, Hannover.