Abwrackprämie: Nachhaltigkeitsexperten kritisieren vertane Chancen

Das Budget für die staatlichen sogenannten Umweltprämien von je 2.500 Euro für das Abwracken von mindestens neun Jahre alten Pkw ist ausgeschöpft. Die Bundesregierung zieht eine positive Bilanz ihres Konjunkturprogramms für die Automobilindustrie. Die im Januar beschlossene Fünf-Milliarden-Euro-Subvention hätte auch „positive Umwelteffekte“ mit sich gebracht.

Das teilt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag vom 01. September mit. Nach Regierungsangaben lag der durchschnittliche CO2-Wert neu zugelassener Personenkraftwagen zwischen Januar und Juli 2009 bei 154,7 Gramm pro Kilometer. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum sei das eine Verringerung der Emissionen von Neuwagen um 6,9 Prozent. Dieser Klimaschutzeffekt könne „in erster Linie auf die Umweltprämie zurückgeführt werden“, schreibt die Regierung.

In der Abwrackprämie stecke „mehr Umwelt, als viele erwartet haben“, sagt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel. Eine von seinem Haus beim Heidelberger Umweltforschungsinstitut IFEU beauftragte Studie kommt zu dem Schluss, dass Spritverbrauch und CO2-Emissionen der Neufahrzeuge durchschnittlich rund 20 Prozent unter denen der abgewrackten Pkw liegen. Der Ausstoß von Rußpartikeln sei im Vergleich mit den Altfahrzeugen im Schnitt sogar um 99 Prozent gesunken.

„Nicht wirklich überraschend“ seien diese Ergebnisse, schreibt der in Berlin ansässige Verkehrsclub Deutschland (VCD). Die festgestellten positiven Umwelteffekte seien unter anderem dem hohen Alter der verschrotteten Pkw geschuldet. Eine Kopplung der Abwrackprämie an Umweltkriterien hätte dem Verband zufolge jedoch einen „deutlich höheren“ Klimaschutzeffekt erzielen können. Dass diese Kopplung ausgeblieben sei, bleibe „ein Skandal“, so der VCD. Nach Einschätzung der Berliner Mobilitätsexperten ist zudem die Nachfrage nach kleinen Autos mit Auslaufen der Prämie erschöpft, nun werde der Absatzanteil großer Dienstwagen wieder anziehen. Es sei daher zu früh, einen „CO2-Rückgang zu bejubeln“.

Volker Hauff, Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung, hat sich bereits Ende April anlässlich der vom Bundeskabinett beschlossenen 100-Millionen-Euro-Förderung elektrischer Fahrzeugantriebe deutlich gegen die „Abwrackprämie“ und für die Förderung nachhaltiger Mobilität ausgesprochen. „Abwracken fördert die Schnäppchen-Mentalität des schnellen Vorteils“, so der ehemalige Bundesforschungsminister. Nachhaltigkeit dagegen „braucht die Aufbau-Mentalität des langfristig Sinnreichen“. Die Förderung der Elektro-Mobilität biete Chancen für einen nachhaltigeren Verkehr, müsse aber „weit über isolierte Förderprojekte hinausgehen“.

Eine nachhaltigere Industriepolitik fordert auch Ratsmitglied Hubert Weinzierl. Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings sagte in einer Festrede aus Anlass der 57. Festspiele der Europäischen Wochen Mitte Juni in Passau, dass die für die Abwrackprämie genutzten Steuergelder besser in „Leittechnologien wie Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Umwelttechnologie“ angelegt gewesen wären. Diese Leitmärkte böten bereits mehr Arbeitsplätze als die Automobilindustrie, in den nächsten zehn Jahren könnte sich ihr Stellenangebot auf 2,2 Millionen Beschäftigte verdoppeln. Mit der Abwrackprämie habe die Bundesregierung gigantische Summen in „eine Industrie gepumpt, deren Zeit abgelaufen“ sei, so Weinzierl.

An eine Erholung der deutschen Automobilindustrie glaubt VCD-Bundesvorsitzender Michael Gehrmann nicht. Die deutschen Hersteller hätten von der Prämie kaum profitiert, sagt der Automobilmarkt-Experte. Und das „zu recht“, da sie es seiner Ansicht nach versäumt haben, stark nachgefragte, spritsparende Kleinwagen zu entwickeln. Ein Umwelt-Konjunkturprogramm und Investitionen in den öffentlichen Personenverkehr hätten gegenüber der Abwrackprämie „viel höhere Beschäftigungs- und Umwelteffekte“ erzielen können, so Gehrsmann.

(Quelle, Rat für Nachhaltige Entwicklung: nachhaltigkeitsrat-news)