15/09/2011: Niedriglöhne sind keine Einstiegslöhne
Das Ende August vorgestellte Gutachten des arbeitgebernahen Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zum Niedriglohnsektor ist aufgrund seiner positiven Bewertung von Niedriglöhnen vielerorts auf Kritik gestoßen. Sie entzündete sich insbesondere an der Bewertung der IW-Forscher, dass Niedriglöhne als Einstiegslöhne zu betrachten seien, da 24 Prozent der Geringverdiener binnen Jahresfrist den Aufstieg in eine besser bezahlte Beschäftigung schaffen würden (siehe 31.08.2011). Dieser Darstellung ist nun der Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Joachim Möller, entgegengetreten.
In einem Beitrag für Spiegel Online setzt Möller sich mit der Frage auseinander, welche Chancen Geringverdiener auf Verbleib oder auf Ausstieg aus dem Niedriglohnsektor haben. Dabei kommt er zu „völlig anderen Schlüssen“ als die IW-Autoren. Zum einen ließen bereits die Zahlen der IW-Forscher selbst andere Rückschlüsse zu, wenn man die Berechnungsgrundlage ändere. Zum anderen habe eine IAB-Studie aus dem Jahr 2008, in der die Beschäftigungsentwicklung von geringverdienenden Vollzeitbeschäftigten über eine längere Zeitspanne von sechs Jahren betrachtet worden sei, ergeben, dass es im Durchschnitt nur etwa jedem Achten gelinge, in diesem Zeitraum der Niedriglohnfalle zu entkommen.
Zwar seien die beiden Studien aufgrund ihrer unterschiedlichen Anlage nur sehr eingeschränkt vergleichbar. Doch weise das IAB-Ergebnis darauf hin, dass für eine wichtige Teilgruppe der Niedriglohnbeschäftigten der dauerhafte Aufstieg zum Normalverdiener ein vergleichsweise seltenes Ereignis sei. Zudem gebe es Hinweise, dass sich die Bedingungen seitdem sogar tendenziell verschlechtert hätten. Das optimistische Bild, das in der IW-Studie gezeichnet werde, sei daher irreführend: „Die Niedriglohnbeschäftigung ist für die große Mehrheit nicht der Fahrstuhl nach oben.“
Quelle: Spiegel Online vom 15.09.2011