Prof. Dr. Sarah Iles Johnston
Von März bis Juni 2012
Ph.D., Arts and Humanities Distinguished Professor of Religion and Professor of Greek and Latin
The Ohio State University, USA
Geboren 1957 in Bowling Green Ohio, USA
Studium des Journalismus und der Altphilologie an den Universitäten Kansas und Cornell
Forschungsvorhaben
Projekt über griechische Mythen
Mein Buch über griechische Mythen wird untersuchen, was meiner Auffassung nach fünf besonders hervorstechende Merkmale nicht nur von griechischen Mythen, sondern von Mythen im Allgemeinen sind. Das erste, „Namensgebung“, erforscht die unerkannte Bedeutung der Tatsache, dass griechische Mythen mit bekannten Figuren bevölkert sind. Im Gegensatz zu Arbeiten von (z.B.) Walter Burkert hebe ich nicht hervor, dass griechische Mythen narrative Handlungsstränge teilen, sondern unterstreiche eher, dass sie durch die Auswahl von Akteuren aus einem Figurenpool, deren Namen bereits mit bekannten Geschichten und Persönlichkeiten assoziiert wurden, in der Lage waren, weitaus mehr zu evozieren, als sie beabsichtigten. Griechische Mythen waren imstande, Ideen oder Themen anzusprechen, die nicht offen dargelegt werden konnten und manchmal auch nicht sollten.
Das zweite Merkmal, “Erzeugen”, betont den kontinuierlichen Akt der bricolage, der durch die Erzähler der Mythen vorgenommen wurde: Ich behaupte, dass kontinuierliche und normalerweise erkennbare Akte der Neuschöpfung ausschlaggebend für den erfolgreichen Gebrauch der Mythen nicht nur durch Dichter, sondern auch durch religiöse Führer waren. Im Zusammenhang damit steht mein drittes Themengebiet „Hervorrufen und Verfügen“. Hier möchte ich die Art und Weise untersuchen, auf welche die Erzählung eines Mythos ein Paradigma oder einen Beispielfall für Handlungen der Götter im Hier und Jetzt etabliert. Über die üblichen „Mythos- und Ritualtheorien“ hinausgehend behaupte ich, dass das Hervorrufen einer mythischen Situation durch lediglich ein paar Worte so verstanden werden konnte, als ob dadurch eine machtvolle Änderung hervorgerufen werden könne.
Meine beiden letzten Schwerpunkte beruhen auf wichtigen neueren Arbeiten von Altphilologen. „Verknüpfung“ entwickelt John Scheids und Jesper Svenbros Argumentation dahingehend weiter, dass ein Mythos eine „Verknüpfung von Kategorien“ (Kategorien wie „Weben“ oder „Heirat“) darstellt, die kulturell bedeutungsvolle Geschichten, Rituale und Bilder erzeugt. Insbesondere möchte ich die kaleidoskopische Art und Weise hervorheben, auf die solche Kategorien in Beziehung miteinander treten und sich wieder herauslösen können, um Netze von ineinander greifenden Mythen zu kreieren, die jedoch unabhängig voneinander bedeutungsvoll bleiben. „Angebotscharakter“ baut auf Maurizio Bettinis wichtiger Erkenntnis auf, dass Tiere, Pflanzen und andere Objekte, die einen Mythos bevölkerten, „offen“ blieben für vielfältige, manchmal sogar widersprüchliche Lesarten. Ich entwickele dies weiter, indem ich (im Gegensatz zu den üblichen „symbolischen“ Lesarten von Mythen) behaupte, dass es genau die Möglichkeit der simultanen Hervorrufung von mehrfachen Bedeutungen ist, welche es den Mythen möglich macht, ihre ideologische Arbeit zu verrichten.
Ausgewählte Publikationen
Johnston, S.I., Ancient Greek Divination (Blackwell 2008).
Johnston, S.I., Ritual Texts for the Afterlife: Orpheus and the Bacchic Gold Tablets (with Fritz Graf) (Routledge 2007).
Johnston, S.I., Restless Dead: Encounters Between the Living and the Dead in Ancient Greece (U California Press 1999).
Johnston, S.I., Religions of the Ancient World: A Guide (editor-in-chief) (Harvard University Press 2004).
Johnston, S.I., Medea. Essays on Medea in Ancient Literature, Art, Philosophy and Myth (co-editor with James J. Clauss) (Princeton University Press 1997).