31/08/2011: Studie des IW sieht Niedriglohnsektor positiv
Das arbeitgebernahe Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat im Auftrag der von Arbeitgebern der Metall- und Elektroindustrie finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ein Gutachten zum Niedriglohnsektor in Deutschland erstellt. In Abweichung von Untersuchungen und Studien anderer Forscher und Institute (siehe z.B. 14.10.2010, 01.02.2011 und 20.04.2011) fällt das Ergebnis positiv aus.
Wie die Berliner Zeitung berichtet, hätten die Verfasser des Gutachtens zwar die vielfach bereits konstatierte Ausweitung des Niedriglohnsektors bestätigt. Demnach sei der Anteil der Geringverdiener von 16 Prozent in 1994 auf 22 Prozent in 2009 angestiegen. Jedoch sei dieses Wachstum nicht auf Kosten der Normalverdiener gegangen. Vielmehr sei die Zahl der Frührentner stark zurückgegangen, und auch die Gruppe der "Nicht-Erwerbstätigen" sei geschrumpft (vgl. dazu 08.03.2010).
Zudem hätten die Forscher berechnet, dass 24 Prozent der Geringverdiener binnen Jahresfrist den Aufstieg in eine besser bezahlte Beschäftigung schafften. Auch seien nur 16 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor armutsgefährdet. Zwar sei das Armutsrisiko bei Normalverdienern mit zwei Prozent deutlich niedriger, doch seien Geringverdiener viel besser dran als Arbeitslose, die zu 60 Prozent armutsgefährdet seien. IW und INSM hätten daraus schlussgefolgert, dass niedrige Löhne eher als „Einstiegslöhne“ zu betrachten seien und dass sie dazu beitrügen, dass Arbeitslose eher einen Job finden würden.
Laut Berliner Zeitung seien die gutachterlichen Aussagen bei den Gewerkschaften auf starken Widerspruch gestoßen. Die Gewerkschaft Ver.di habe das Gutachten als „schönfärberisch“ bezeichnet. Und nach Ansicht des Chefs der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten, Franz-Josef Möllenberg, solle die Studie offensichtlich dazu dienen, Hungerlöhne zu rechtfertigen. Widerspruch sei auch vom Wirtschaftsforschungsinstitut DIW gekommen, das keine positiven Beschäftigungseffekte sehe: Es gebe keinen tragfähigen Beleg, dass durch den wachsenden Niedriglohnsektor Jobs geschaffen worden seien.
Quelle: Berliner Zeitung vom 31.08.2011
Weiterlesen: Schäfer, H./ Schmidt, J. (2011): Der Niedriglohnsektor in Deutschland – Entwicklung, Struktur und individuelle Erwerbsverläufe, Berlin.