27/11/2011: Werkverträge: Karriere eines weiteren Billiglohnmodells
Werkverträge sind Verträge, in denen Fremdfirmen (Subunternehmen) von Unternehmen beauftragt werden, bestimmte Aufgaben und Dienste für sie zu übernehmen. Die zur Durchführung benötigten Werkvertragsbeschäftigten der Subunternehmen arbeiten dann beim auftraggebenden Unternehmen – aber nicht zu den dort für die Stammbelegschaften geltenden tariflichen Bedingungen, sondern zu den oft / so gut wie immer schlechteren Bedingungen der Fremdfirmen. Zwar liegen keine amtlichen Zahlen vor, doch hatte eine repräsentative Betriebsrätebefragung der IG Metall im Februar dieses Jahres ergeben, dass die Zahl der Werkverträge drastisch zugenommen hat. In fast 40 Prozent der Betriebe im Organisationsbereich der Gewerkschaft sind Werk- und Dienstverträge als Flexibilisierungsinstrument eingesetzt worden (siehe 16.02.2011). Zwar ist unklar, inwieweit Werkverträge systematisch zur Umgehung von tariflichen oder arbeitsrechtlichen Standards genutzt werden (siehe 19.08.2011), doch klagen mittlerweile mehrere Gewerkschaften einem Bericht der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung zufolge darüber, dass Werkverträge zum neuen Billiglohnmodell geworden seien.
So würden Werkverträge nicht nur seit langem auf dem Bau und zunehmend in Industriebetrieben eingesetzt, um die Lohnkosten zu drücken und Stammbelegschaften durch Beschäftigte von Werkvertragsunternehmen zu ersetzen. Auch im Organisationsbereich der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) seien Werkverträge weit verbreitet. So stammten in der Schlachtindustrie bis zu 80 Prozent der Beschäftigten aus Subunternehmen. Ein Vorarbeiter beaufsichtige dann eine Schar von Werkvertragsarbeitnehmern, die teilweise unter extrem schlechten Bedingungen und für Hungerlöhne arbeiteten, habe der Gewerkschaftsvorsitzende Franz-Josef Möllenberg kritisiert.
Auch im Einzelhandel funktioniere das neue Billiglohnmodell. Etwa 120 Subfirmen mit 350.000 Beschäftigten würden die Händler vor allem beim täglichen Einräumen der Regale unterstützen. Für viele dieser Werkvertragsbeschäftigten gelte seit dem 1. Mai ein Tarifvertrag, den auf Arbeitnehmerseite die zum umstrittenen Christlichen Gewerkschaftsbund (CGB) gehörende DHV abgeschlossen habe. Er garantiere Regaleinräumern einen Brutto-Stundenlohn von sechs Euro im Osten und 6,50 Euro im Westen. In den Einzelhandelstarifen sei für solche körperliche Arbeiten fast das Doppelte fällig, und selbst Leiharbeiter erhielten längst mehr Geld.
Quelle: sueddeutsche.de vom 27.11.2011