Von einer Gemeinde- zur Universitätskirche

Zur Geschichte von St. Nikolai


Schon Ende des 12. Jahrhunderts sind Kirchgebäude an dieser Stelle nachweisbar. Das zugehörige Wohngebiet, seit etwa 1180 vor allem von zugewanderten Tuchmachern besiedelt, wird vom ältesten Mauerring Göttingens (bezeugt 1251) bereits mit umfasst. 1271 wird eine neue Glocke für die Kirche St. Nikolai erwähnt.
Der Bau des jetzigen Kirchengebäudes wird gegen Ende des 13. Jahrhunderts begonnen. Die romanischen Türme des Vorgängerbaus bleiben bestehen; daran wird der gotische, dreischiffige Hallenbau mit dem polygonalen Chor gesetzt, der noch heute zu sehen ist. Um 1350 wird der Altar gestiftet, 1356 wird ein erster Pfarrer genannt. Von der Innenausstattung der Kirche sind aus dieser Zeit die Masken und Figuren in den Gewölbeschlusssteinen erhalten.
Anfang des 15. Jahrhunderts erhält St. Nikolai zwei Glocken: „Gratia“ und „St. Nicolaus“, in der Mitte des Jahrhunderts kommt eine dritte Glocke hinzu.
1530 wird St. Nikolai für evangelische Gottesdienste in Gebrauch genommen; die um die Kirche ansässigen Wollenweber haben dies vorbereitet, u.a. durch lautes Singen lutherischer Lieder während der Bartholomäus-Prozession im August 1529. Als Pfarrer amtiert Mag. Johann Sutel, der 1535 auch Göttinger Superintendent wird.
1644 erhält die Kirche eine neue Orgel. Im Dreißigjährigen Krieg werden Gebäude und Glocken beschädigt; die Reparaturen ziehen sich bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts hin. 1709 werden die romanischen Türme durch zwei Spitztürme ersetzt. Das Pfarrhaus ist in dieser Zeit gegenüber dem Chor gelegen (heute Nikolaistr. 13), das Küster- und Schulhaus liegt südlich der Kirche (heute Nikoalikirchhof 4); beide Gebäude sind nicht erhalten. Bis 1784 wurde der Platz um die Kirche als Friedhof genutzt, auch in der Kirche fanden sich Grabsteine.
Durch die Explosion eines Pulverturms nahe der Albanikirche im Jahr 1762 wird die Nikolaikirche beschädigt. Ihre Türme bekommen Risse; 1777 stürzt der Südturm ein; auch die größte Glocke geht bei den Sanierungsarbeiten zu Bruch. 1781 wird ein neuer Vorbau ohne Türme fertig gestellt.
1802 wird die Gemeinde St. Nikolai, gegen ihren heftigen Widerstand, aufgelöst. Im Hintergrund steht die infolge von Kriegsschäden zurückgegangene Einwohnerzahl Göttingens. Die Kirche wird als Militärmagazin genutzt.
1822 erfolgt die Einweihung als Universitätskirche. Zuvor war dies die Paulinerkirche, die jedoch nach 1803 zur Bibliothek umgebaut wird. Zwischenzeitlich finden die Universitätsgottesdienste gastweise in St. Johannis statt. Auf Grund einer Petition der Studentenschaft (1819) wird dann St. Nikolai von der Universität erworben. Prediger an der neuen Universitätskirche ist der Professor für Homiletik David Julius Pott.
Bei der Sanierung werden fast alle Grabsteine aus der Kirche entfernt; nur an der Westwand des südlichen Seitenschiffs ist das Grab des Pfarrers Christoph Ludwig Wiß erhalten, der 1773–1778 amtierte. Alle anderen Epitaphe stammen aus der Paulinerkirche, darunter auch der dunkle Erinnerungsstein links vor dem Chor. Er ist dem Kirchenhistoriker Johann Lorenz von Mosheim gewidmet, der 1747 nach Göttingen kam und der erste Kanzler der Universität wurde.
Bis 1945 amtieren als Universitätsprediger u. a. die Praktischen Theologen Karl Theodor Liebner, Friedrich August Ehrenfeuchter, Julius Köstlin, Karl Knoke und Walter Birnbaum; von den Systematischen Theologen seien Paul Althaus, Carl Stange und Friedrich Gogarten erwähnt.
1861 wird das Kircheninnere durch den hannoverschen Baurat Conrad Wilhelm Hase neugotisch umgestaltet; aus dieser Zeit sind Kanzel, Empore und Sakristeitür erhalten. 1888 wird eine neue Orgel, erbaut durch W. Sauer (Frankfurt/Oder), eingeweiht.
Die Weltkriege besteht St. Nikolai – im Gegensatz zur Universität und vielen Stadtkirchen – unbeschädigt; allerdings müssen die Glocken abgegeben werden. 1947 erhält St. Nikolai zwei sog. „Patenglocken“ aus dem Hamburger „Glockenfriedhof“, auf dem die bei der Umsiedlung aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten mitgeführten Glocken gesammelt waren. Die beiden Glocken, die noch heute läuten, sind 1661 bzw. 1721 in Königsberg gegossen worden und stammen aus Haselberg bzw. Engelstein (bei Angerburg) in Ostpreußen.
1946 wird Prof. D. Wolfgang Trillhaas als erster Universitätsprediger nach dem Krieg eingeführt. Seine Nachfolger sind u. a. die Professoren Martin Doerne, Manfred Josuttis, Jörg Baur, Erik Aurelius. Seit 1949 finden in St. Nikolai auch – gastweise – die Gottesdienste der katholischen Studentengemeinde statt, dauerhaft seit 1997.
1983–1987 wird die Kirche, da Einsturzgefahr besteht, grundsaniert. Es werden stählerne Zuganker eingezogen; der Boden wird auf das ursprüngliche gotische Niveau abgesenkt. Eine geschnitzte, spätgotische Kreuzigungsgruppe aus dem niedersächsischen Dom zu Bardowick (ca. 1490) wird als Dauerleihgabe des Landesmuseums hinter dem Altar aufgestellt.
Heute finden in St. Nikolai die evangelischen Universitätsgottesdienste (z. T. mit Beteiligung der Evangelischen Studierendengemeinde) und die Gottesdienste der Katholischen Hochschulgemeinde (khg) statt. Dazu wird die Kirche für Taufen, Trauungen und akademische Trauerfeiern genutzt; ferner werden hier Gospelgottesdienste und weitere Gottesdienste des lutherischen Kirchenkreises Göttingen gefeiert. Auch Konzerte finden in St. Nikolai regelmäßig statt.
Weitere Informationen: Universitätsprediger Prof. Dr. Jan Hermelink (39-27122) und Prof. Dr. Florian Wilk (Tel. 39-27123); Sekretariat Christine Völker (39-27126).