Prof. Dr. Bill Bell
Von Oktober 2012 bis Juli 2013
Dr., Professor für Anglistik
University of Cardiff, Großbritannien
Studium der Englischen Literaturwissenschaften in Lynchburg (Virginia, USA),
Bowling Green (Kentucky, USA) und Edinburgh
Forschungsvorhaben
Crusoes Bücher/Systeme des Wissens
Meine beiden Forschungsprojekte haben zum Ziel, die Ursachen und Auswirkungen einer zunehmend mobilen Druckkultur im 18. und 19. Jahrhundert zu untersuchen. Das erste dieser Projekte bezieht sich auf die kulturellen Praktiken einer Anzahl von mobilen Gemeinschaften, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Art und Weise liegt, in der sie sich mit historischen Lesegepflogenheiten kreuzen. Die Ikonographie des verbannten Lesers weist eine lange literarische Genealogie auf – von Der Sturm bis zu Robinson Crusoe – die durch einen Reichtum an malerischen Bildern begleitet wird, welche den Leser unter fremden
Himmeln darstellen, was insgesamt über die Funktion der »imaginierten Gemeinschaft « in der Hochzeit der Kolonialperiode Aufschluss gibt. Tagebücher, Briefwechsel und offizielle Berichte bezeugen die Bedeutung des Drucks für die Bewahrung als auch für die Wandlung der Kolonialideologie in einer Reihe von Kontexten.
Während oft angenommen wird, dass im 19. Jahrhundert kommerzielles Vorhaben »der Flagge folgte«, gibt es ebenfalls Anzeichen dafür, dass die geographische Bewegung von Büchern und anderen gedruckten Texten als Kulturträger ein machtvolles Instrument für die Verbreitung von kolonialen Werten war. In der Mitte des 19. Jahrhunderts war die Herstellung von Auswandererhandbüchern, Reiseführern, Zugfahrplänen, Karten und Kalendern auf einer Rekordhöhe. In diesem Sinne waren Bücher nicht nur Träger expansionistischer Bestrebungen, sondern ein zentrales Element für die Bildung einer neuen globalen Informationsordnung. Die zu untersuchenden Leserkreise beinhalten schottische Emigranten in der Neuen Welt, Sträflinge in Australien, Polarforscher und Truppen im Ersten Weltkrieg. Ebenfalls von Interesse sind in dieser Hinsicht die Lese- und Druckpraktiken von missionarischen Gemeinschaften im 19. Jahrhundert, in denen gedruckte Texte als wichtige Akteure der kulturellen Begegnung fungierten. Die Beziehung zwischen dem Lesen und der Verbreitung des Drucks ist z.B. in Indien
hochkomplex. Sie hatte nicht nur eine Auswirkung auf die Wandlung der einheimischen Kulturen, sondern auch einen beträchtlichen Einfluss auf die missionarischen Denkweisen selbst.
Mein zweites, damit im Zusammenhang stehendes Projekt beschäftigt sich mit der Bedeutung von Büchern, Bibliotheken und anderen Gegenständen für die Verbreitung von intellektueller Kultur zwischen den europäischen Zentren während der Aufklärung und danach. Das Veröffentlichen, das Sammeln und das Übersetzen durch Intellektuelle in dieser Zeit war wesentlich für die Bildung von und die Beschäftigung mit einer internationalen Gemeinschaft des Geistes. Dieser Aspekt der Forschung wird durch die Einbeziehung von Methoden der Geistesgeschichte und von Methoden der Buchgeschichte versuchen, die Herstellung,
die Verbreitung und die Aufnahme von Ideen in der materiellen Kultur dieser Zeit zu verorten.
Ausgewählte Publikationen
Bell, B. 2007. The Edinburgh History of the Book in Scotland. Volume 3: Industry and Ambition 1800-1880. Edinburgh: Edinburgh University Press.
Bell, B. 2009. »Worlds Elsewhere« in D. McKitterick (ed.): The Cambridge History of the Book in Britain. Volume 6. Cambridge: Cambridge University Press.
Bell, B. 2010. »Crusoe’s Books: The Scottish Emigrant Reader in the Nineteenth Century« in S. Colclough and A. Weedon (eds.): The History of the Book in the West IV: 1800-1914. Farnham: Ashgate.
Bell, B. 2011. Commentary: Selkirk’s Silence. Times Literary Supplement. 17 March, 2011.
Bell, B. 2012. Signs taken for Wonders: An Anecdote taken from History. New Literary History 43(2): 309-329.