03/12/2012: Prekärer Brotwerb: Immer mehr Selbständige stocken auf
Die Zahl der Selbständigen, die kein existenzsicherndes Einkommen erzielen und daher ergänzende Leistungen aus der staatlichen Grundsicherung (Hartz IV) beziehen, ist weiter gestiegen. Nach dem starken Anstieg zwischen 2007 und 2010 auf 125.000 Hilfebedürftige im Jahresdurchschnitt (siehe 14.06.2011) und einem weiteren Anstieg zu Beginn des Jahres 2011 (siehe 14.10.2011) geht jetzt aus einem Forschungsbericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor, dass sich die Zahl der Aufstocker im Jahresdurchschnitt 2011 leicht erhöht hat auf insgesamt 127.000 Personen.
Wie das IAB dazu mitteilt, würden mehr als 42 Prozent der 127.000 selbstständigen Aufstocker in Vollzeit arbeiten. Trotzdem werfe ihre Erwerbstätigkeit keinen ausreichenden Gewinn ab, um davon leben zu können. Insgesamt würden fast zwei Drittel von ihnen ohne die ergänzenden Hartz-IV-Leistungen rechnerisch weniger als fünf Euro netto pro Stunde erwirtschaften.
Da sich nach Angaben aus der Studie die Zahl der selbständigen Aufstocker zwischen April 2007 und April 2010 von 67.000 auf 126.000 fast verdoppelt hatte, stellt sich die Frage, wie und warum es zu dieser auffälligen Zunahme kommen konnte. Von Interesse wäre dabei insbesondere, ob ein Zusammenhang mit den einschneidenden Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Regierungskoalition nachweisbar ist – gerade weil viele Arbeitslose im Zuge der Hartz-Reformen indirekt (durch das Absenken der finanziellen Unterstützung auf eine Niveau unterhalb der Sozialhilfe, ab 2005) und direkt (qua Existenzgründungszuschuss, 2003 bis 2006, und Gründungszuschuss, ab 2006) jahrelang in die kleinunternehmerische Selbständigkeit gedrängt worden sind.
Der Bericht gibt dazu allerdings keine Auskunft. Da nach Berechnungen des Autorenteams die Einkommen der selbstständigen Aufstocker im Betrachtungszeitraum 2007 bis 2010 gesunken sind, wird lediglich festgestellt, dass die starke Zunahme der Zahl von Selbstständigen in der Grundsicherung zwischen April 2007 und April 2010 „zu einem Großteil auf die steigende Bedeutung geringfügiger Selbstständigkeit unterhalb der Freibetragsgrenze“ zurückzuführen sei.
Quelle: Presseinformation des IAB vom 03.12.2012
Weiterlesen: Koller, L./ Neder, N. (u.a.) (2012): Selbstständige in der Grundsicherung: Viel Arbeit für wenig Geld. IAB-Kurzbericht, Nr. 22/2012, Nürnberg.