Arbeitsschwerpunkte
Literatur der Aufklärung; Kulturtransfer zwischen Deutschland und Frankreich; Wechselwirkung zwischen Literatur und Naturwissenschaften; Geschichte der Vorstellungskraft
Projekt: "Une symétrie passagère": eine Untersuchung an der Schnittstelle zwischen Mathematik, Literatur und Philosophie in der europäischen Aufklärung
Mein aktuelles Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Bedeutung von Symmetrie im Gedankengut des achtzehnten Jahrhunderts, mit Schwerpunkt auf den Werken von Denis Diderot und Christoph Martin Wieland. Da das Konzept von Symmetrie ästhetisch, philosophisch und mathematisch betrachtet werden kann, eröffnet es eine interessante Möglichkeit, die Schnittstelle dieser verschiedenen Denktraditionen zu untersuchen.
Symmetrie, so Hermann Weyl, ist "[the] invariance of a configuration of elements under a group of automorphic transformation". Obwohl Weyl diese klassische Definition von Symmetrie Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts entwickelt, sieht er deren Ursprung in der Aufklärung. Er behauptet, dass das moderne Verständnis von Symmetrie sich auf Gottfried Wilhelm von Leibniz' Theorie der Ähnlichkeit zurückführen lässt. Leibniz übt einen tiefgreifenden Einfluss sowohl auf Diderot als auch auf Wieland aus. Demzufolge stellt dieses Forschungsprojekt die Frage, inwieweit Leibniz' Gedanken über Symmetrie in der europäischen Aufklärung, insbesondere bei Diderot und Wieland, rezipiert wurden. Leibniz entwickelt seine Gedanken über Symmetrie nicht nur in seinen mathematischen sondern auch in seinen philosophischen Werken. Für ihn ist das Mathematische philosophisch und das Philosophische mathematisch. In "Lettre sur les aveugles, à l'usage de ceux qui voient" (1749) setzt Diderot diese Tradition fort, indem er mathematische Figuren in seinen literarischen Text einwebt. Dennoch ist sein Ziel dem von Leibniz entgegengesetzt; für Diderot, wie für Wieland, ist die Symmetrie natürlicher Phänomene kein Leibnizscher Beweis für "die beste aller möglichen Welten". Sie bekräftigt keine besondere Weltanschauung, sondern eröffnet die Möglichkeit, verschiedene Weltanschauungen in Dialog zu bringen.
Dieses Forschungsprojekt bezweckt in erster Linie eine neue Sicht über das Streben der Aufklärung, die Gesamtheit der menschlichen Kenntnisse zu ordnen und zu verketten. Dennoch wird das Projekt nicht nur unser Verständnis des achtzehnten Jahrhunderts vertiefen, sondern auch neue theoretische Rahmenbedingungen für interdisziplinäre Forschung entwickeln. Diderot und Wieland sind beide perspektivische Denker. Ihre philosophische Vorgehensweise, welche die Spannung zwischen verschiedenen Denkweisen als Quelle einer produktiven Ambiguität schätzt, verdient eine sorgfältige Untersuchung in einem historischen Moment, in dem die Geisteswissenschaften einen besonderen Wert auf Interdisziplinarität legen.
Publikationen (Auswahl)
- "Daphne's Desires: Polyperspectivity and Female Happiness in Wieland's Agathon, La Roche's Fräulein von Sternheim and Lessing's Emilia Galotti". In: Seminar: A Journal of Germanic Studies Vol. 42.2 (April 2011).
- "'da doch einmal der Verstand der Held darinn ist': Narrating Heroes in Goethe's Novelle". In: Die Macht des Erzählens. Hg. Winfried Eckel und Anja Müller-Wood. Remscheid: Gardez! (im Erscheinen).
- Mit Ruediger Müller: "'Arbeiten, als sei nichts geschehen': Ideologies of Work in Wolfgang Staudte's Die Mörder sind unter uns". In: German as a foreign language. Hg. Martina Moeller. Ausgabe 3 (2013).