Grenzziehungen des Religiösen
Religion ist weltweit ins Zentrum öffentlicher Debatten gerückt, sei es als Ursache von Konflikten, als Quelle von Solidarität oder als politische Kraft. Die bisherige Forschung tut sich schwer damit, diese globalen Transformationen zu erklären. Gründe dafür sind ihre disziplinäre Fragmentierung, ihre eurozentrische Orientierung und ihr Fokus auf einzelne Religionen. Der beantragte Exzellenzcluster geht von der Prämisse aus, dass das Verständnis religiöser Rekonfigurationen neue Formen interdisziplinärer Kooperation erfordert, die globale und transregionale Forschung mit historischen Vergleichsperspektiven verschränken. Um die Religionsforschung wissenschaftlich und strukturell neu auszurichten, betreibt der Cluster Grundlagenforschung zu Konstruktionen des Religiösen in seiner ganzen Breite – von fluider Religiosität über religiöse Traditionen bis hin zu einer institutionalisierten religiösen Sphäre.
Der Cluster basiert auf einer einmaligen Konzentration von Forschungsstärken an der Universität Göttingen und am Göttingen Campus, insbesondere am Max-Planck-Institut zur Erforschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften sowie der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Er führt drittmittelgestützte Verbundforschung zusammen, wie BMBF-geförderte transregionale Netzwerke und den DFG-geförderten Sonderforschungsbereich zu Bildung und Religion. Wissenschaftlich konzentriert sich der Cluster auf soziokulturelle Mikrodynamiken der Konstruktion und Dekonstruktion des Religiösen in verschiedenen historischen Perioden und kulturellen Kontexten, von Europa bis zum Nahen Osten, Afrika und Asien. Sie werden konzipiert als Praktiken der Grenzziehung zwischen religiösen und nichtreligiösen Domänen sowie von inter- und intrareligiösen Differenzen.
Der Cluster untersucht Praktiken religiöser Grenzziehungen in drei Forschungsfeldern: (1) Regulierung des Religiösen – Recht, Netzwerke und Konflikt; (2) Wissen und das Religiöse – Texte, Begriffe und Kontexte; (3) Materialität des Religiösen – Objekte, Körper, Klänge und Räume. Der Cluster folgt einer für transregionale Verflechtungen sensiblen Vergleichsmethodik und entwickelt neue Methoden zur Erforschung des Religiösen im digitalen Zeitalter. Strukturell beabsichtigt der beantragte Cluster, die religionsbezogenen Forschungen am Göttingen Campus durch neue Formate interdisziplinärer Zusammenarbeit zu bündeln. Seine Rekrutierungsstrategie dient dazu, die besten Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zu gewinnen. Und er zielt auf den Aufbau eines internationalen Knotenpunktes zwischen Asien, Europa und Nordamerika für innovative Forschungen zum Religiösen. Insgesamt soll der Cluster der interdisziplinären Religionsforschung neue Impulse geben, um ein tieferes Verständnis für die Dynamik religiöser Grenzkonfigurationen zu gewinnen und damit die öffentliche Diskussion in Deutschland und darüber hinaus zu bereichern.