Assoziierte Projekte Phase 1

„Oben“ – „Unten“: Anabasis und Katabasis in den Mythen der hurritisch-hethitischen Tradition.

Ein nicht geringer Teil der Mythenstoffe hurritischer Herkunft, die die Hethiter rezipierten und in verschiedener Form, entweder als originale hurritischsprachige Texte oder als Übersetzungen und Überarbeitungen in der eigenen Sprache überlieferten, enthält die Motive der Anabasis in den Himmel und der Katabasis in die Unterwelt von verschiedenen Gottheiten. Dabei handelt es sich überwiegend um „Gesänge“ (sum. šir3) – wie die Hethiter die epischen Texte mythologischen Inhalts von fremdem Ursprung bezeichneten –, die zum sogenannten Zyklus des Göttervaters Kumarbi gehören, in dem einerseits der Aufstieg vom Wettergott Teššup zum Königtum im Himmel und die Festsetzung der älteren göttlichen Generationen in der Unterwelt erzählt wird, andererseits die Versuche des älteren Göttervaters Kumarbi, durch einige von ihm gezeugte Gottheiten Teššup zu entthronen und das Königtum im Himmel zu gewinnen. Daneben sollen auch andere mythisch-epische Texte in die Untersuchung einbezogen werden, darunter z. B. der zweisprachig überlieferte hurritisch-hethitische Gesang der Freilassung. Ferner liefern einige Ritualtexte der hurritisch-hethitischen Tradition Reflexe der mythischen Motive Anabasis – Katabasis. Ein besonders interessantes Thema stellt das Motiv der Abstiege des Wettergottes Teššup ins Totenreich und sein Treffen mit der Königin der Unterwelt, Allani, dar, das in zwei mythischen Texten und in einem Beschwörungsritual belegt ist. Hier sind verschiedene Episoden erhalten, die aber dasselbe Motiv enthalten und mit den Mitteln der Hylemanalyse vergleichend untersucht und stratigraphisch analysiert werden sollen.


Ägyptische Mytheme im Kontext von Unterwelts- und Himmelsreisen.

Aus der altägyptischen Kultur sind nur wenige Mythen in narrativer Form auf uns gekommen. Es ist eine offene Frage, ob es sich dabei um eine echte „kulturelle Lücke“ handelt, oder ob narrative Mythen tatsächlich nicht verschriftlicht wurden. Es ist aber anzunehmen, dass Mythen oder zumindest mythische Stoffe oral tradiert und transformiert wurden; denn es gibt eine Vielzahl an Texten anderer Gattungen, die in Wort und/oder Bild bedeutungstragende Teile von Mythen wie Mytheme oder Mythem-Elemente (neu: mythische Hyleme) wiedergeben und damit Sinnzusammenhänge mythischer Stoffe evozieren. Reisen zwischen einem Himmelsraum, der menschenweltlichen Erdoberfläche und einem Unterweltsraum unternehmen zuallererst Götter und Verstorbene, wobei letztere dabei in der Regel göttlichen Status erlangen oder zuvor, ggf. temporär, erlangt haben müssen. Textlich und bildlich vergleichsweise gut belegte Übergänge sind
a) der Übergang zwischen Unterwelt und Himmel durch den Sonnengott (insb. Unterwelts- bücher),
b) der Aufstieg von der Erdoberfläche zum Himmel durch den Pharao (bestimmte Pyramidentext-Sprüche) und
c) der Abstieg in die Unterwelt durch menschliche Verstorbene (insb. bestimmte Sargtext-Sprüche und Totenbuch-Sprüche). Dabei sind nicht selten Querverbindungen zu beobachten, z. B. dergestalt, dass die Reisen eines menschlichen Verstorbenen mit Hilfe von mythischen Hylemen mit der Reise des Sonnengottes parallelisiert werden. Darüber hinaus ist uns ein Text erhalten, dessen Thematik um die vom Pharao befohlene Reise eines Zauberkundigen in die Unterwelt kreist und in der auch die (Un)möglichkeit einer Rückreise erörtert wird (Merire in der Unterwelt).


Wo die Heroen wohnen: Grenzgänge, Sphärenwechsel und „Jenseitswelten“ in Vergils Aeneis.

Im Forschungsprojekt sollen erstmals alle in der Aeneis fassbaren Einzelerzählungen, soweit sie die mythische Lokalisierung kultisch verehrter Heroen betreffen, auf ihre motivischen Gemeinsamkeiten/Spezifika und die Vergleichbarkeit ihrer Makro- und Mikrostrukturen (Hylemanalyse) untersucht werden. Insbesondere inhaltliche Inkonsistenzen und repetitive Erzählmomente (wie am hierfür besonders aufschlussreichen Fallbeispiel des Anchises skizziert) könnten auf die Existenz alternativer Mythenversionen und deren nachträgliche Harmonisierung, Verkürzung, Umdeutung oder Anreicherung durch Übernahme fremder Mythenstoffe verweisen. Das solchermaßen erschlossene Spektrum vergilischer Heroenstoffe (und vorrangig die zu eruierenden Mythenschichten/divergierenden Erzählungen zum heroisierten Anchises) soll als Bezugsraum dienen, um die mythischen Eigenheiten des epischen Handlungsträgers Aeneas neu zu bewerten, der als einziger unter allen von Vergil erwähnten Heroen zum einmalig-reversiblen Sphärenwechsel in die und aus der Unterwelt befähigt ist.