Fernerkundliches und mikrometeorologisches Monitoring von Schad- und Wiederbewaldungsflächen

Hintergrund
Die letzten Jahre mit ihren heißen, trockenen Sommern (2018–2020, 2022) in Kombination mit Schädlingen haben sichtbare Spuren in hiesigen Wäldern hinterlassen. Besonders in Fichtenbeständen kam und kommt es teils zum flächenhaften Absterben – zurück bleiben „Dürrständer“ (Abbildung 1) und zunehmend „kahl“ werdende Waldgebiete wie im Harz (Abbildung 2), im Thüringer Wald oder im Thüringer Schiefergebirge. Angesichts eines fortschreitenden Klimawandels und der damit verbundenen steigenden Wahrscheinlichkeit für Dürre- aber auch Starkregenereignisse stellt sich die Frage – was nun?

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Abbildung 1: Kahlfläche und absterbender Fichtenbestand im Südharz.

Aus ökologischer Sicht stellen Störungsflächen insbesondere unter Belassen von Totholz generell eine Chance für die biologische Vielfalt und eine natürliche Wiederbewaldung dar. Allerdings leistet das Ökosystem Wald auch zahlreiche weitere Beiträge für unsere Gesellschaft: u. a. wirtschaftliche Existenzgrundlage, erneuerbare Ressource, Hochwasser- und Erosionsschutz und Erholungsraum sind ebenfalls wichtige Waldfunktionen. In diesem Spannungsfeld ergeben sich Fragen, die nicht pauschal zu beantworten sind, beispielsweise: Welchen „Nutzen“ haben abgestorbene Fichtenbestände? Sollen Schadflächen aktiv wiederbewaldet oder sich selbst überlassen werden? Sind die heimischen Baumarten den zukünftigen klimatischen Veränderungen „gewachsen“?

Die waldbaulichen Optionen für eine Wiederbewaldung von entstandenen Schadflächen sind vielfältig und werden nicht nur innerhalb der Forstwissenschaft und Forstwirtschaft intensiv diskutiert. So ergeben sich Möglichkeiten der interdisziplinären Zusammenarbeit. Hier kann die geographische Forschung mit ihrem „von Natur aus“ integrativen Charakter zu einer wissenschaftlichen Diskussion beitragen.

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Abbildung 2: Vom Aussichtsturm des Poppenbergs im südlichen Harz lassen sich abgestorbene Fichtenbestände erkennen (Juni 2021) (Foto: B. Putzenlechner).

Allgemeine Ziele für das Monitoring abgestorbener Fichtenbestände sind u. a.:

  • das Sammeln von Daten zur (natürlichen) Wiederbewaldung von nicht beräumten Schadflächen,
  • Erkenntnisgewinn zu natürlichen Prozessen (Wasser- und Stoffkreislauf, Flora und Fauna),
  • eine langfristige Risikoeinschätzung der Bestände (Sicherheit bei forstlichen und jagdlichen Maßnahmen), sowie
  • das Schaffen von Praxisbeispielen für die Fort- und Weiterbildung sowie Argumentationsgrundlagen für die gesellschaftliche Diskussion.



ResEt-Fi: Wegbereiter Wiederbewaldung: Regionales Flächenmanagement zur Entwicklung multifunktionaler Wälder auf gestörten Fichtenflächen
Laufzeit: 01.02.2023 – 31.01.2026
Förderkennzeichen: 033L304B
> Zur Pressemitteilung zum Projekt

Im Rahmen der Fördermaßnahme REGULUS (Regionale Innovationsgruppen für eine klimaschützende Wald- und Holzwirtschaft) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung werden im Verbundprojekt „ResEt-Fi“ forstliche Managementverfahren zur Schaffung multifunktionaler Wälder auf gestörten Fichtenflächen untersucht. Der interdisziplinäre Forschungsverbund setzt sich aus verschiedenen Universitäten und Forschungseinrichtungen in Deutschland zusammen, die in Teilprojekten tätig sind:

  • Teilprojekt 1: Gesamtkoordination (Forstliches Forschungs- und Kompetenzzentrum (FFK) Gotha, ThüringenForst AöR)
  • Teilprojekt 2: Fernerkundung (Georg-August-Universität Göttingen)
  • Teilprojekt 3/1: Bodenkunde (Friedrich-Schiller-Universität Jena)
  • Teilprojekt 3/2: Vegetation (Friedrich-Schiller-Universität Jena)
  • Teilprojekt 4: Mikrobielle Diversität und Ökosystemprozesse (Universität Bayreuth)
  • Teilprojekt 5: Zoologie (Hessisches Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie)
  • Teilprojekt 6/1: Waldbau (Technische Universität Dresden)
  • Teilprojekt 6/2: Modellierung (Technische Universität Dresden)


Durch intensives Monitoring und gezielte Feldversuche auf Untersuchungsflächen in Thüringen werden im Projektverbund die Auswirkungen praxisnaher Varianten des forstlichen Managements gestörter Fichtenflächen auf Mikroklima, Boden, Flora, Fauna und Pilze untersucht. Auch eine für die Forstpraxis relevante standortsbezogene und ökonomische Bewertung findet statt. Ziel ist die Entwicklung eines ganzheitlichen Schadflächenmanagements und die Ausarbeitung von Praxisempfehlungen und Handlungskonzepten zur Wiederbewaldung unter Berücksichtigung wichtiger Waldfunktionen und Ökosystemdienstleistungen. In die entwickelten Konzepte fließen die in den verschiedenen Teilprojekten auf der lokalen Ebene der Versuchsflächen gewonnenen Erkenntnisse ein, die von einer Übertragung von der lokalen auf die regionale Ebene (Teilprojekt Fernerkundung an der Georg-August-Universität Göttingen) sowie einer Modellierung der Wiederbewaldungsdynamik begleitet werden. Die ganzheitliche Betrachtung wird insbesondere durch die Zusammenführung verschiedener Untersuchungsansätze gestützt.

Versuchsdesign des Verbundprojekts

Varianten forstlichen Managements
Abbildung 3: Varianten forstlichen Managements gestörter Fichtenflächen: (a) Räumung, (b) Hochstubben und (c) Dürrständerinseln.

Zur Gewinnung belastbarer Erkenntnisse werden Versuchsflächen (Plots), auf denen unterschiedliche Varianten des forstlichen Managements in Zusammenarbeit mit den zuständigen Forstämtern umgesetzt wurden, in drei Regionen und in jeweils drei Gebieten (Wiederholungen) untersucht. Bei diesen Regionen handelt es sich um Mittelgebirgsflächen in Thüringen: Südharz, Thüringer Wald und Thüringisches Schiefergebirge. Innerhalb der drei Gebiete je Region werden folgende Managementvarianten betrachtet (Abbildungen 3 und 4):

  • Räumung (vollständiges Räumen abgestorbener Fichten)
  • „Hochstubben“ (abgestorbene Fichten, die auf eine Höhe von 2 bis 4 m gekürzt werden)
  • „Dürrständerinseln“ (teilweise geräumte Inseln mit einer schachbrettartigen Anordnung noch stehender Fichten, die kein Risiko eines sich ausbreitenden Borkenkäferbefalls mehr darstellen)



Als Referenz dienen in allen Gebieten jeweils auch Versuchsflächen mit intakten Fichten. Zusätzlich zu den genannten Managementvarianten werden auf den Plots die Auswirkungen von Natur- und Kunstverjüngung sowie Totholzvariationen betrachtet.

Versuchsdesign des ResEt-Fi-Projekts
Abbildung 4: Versuchsdesign des Verbundprojekts mit betrachteten Varianten forstlichen Managements.

Alle Versuchsflächen werden einheitlich instrumentiert. Klimastationen (Abbildung 5) messen kontinuierlich Lufttemperatur und -feuchtigkeit, Niederschlag, Globalstrahlung sowie Windgeschwindigkeit und -richtung in allen Managementvarianten. Datenlogger protokollieren die Lufttemperatur in Bodennähe und auf dem Boden sowie die Bodentemperatur und -feuchte. Auf Grundlage dieser kontinuierlichen Daten können mikroklimatische Unterschiede zwischen den betrachteten Varianten hinsichtlich des Potenzials für eine erfolgreiche und nachhaltige Wiederbewaldung untersucht werden.

Klimastation im ResEt-Fi-Projekt
Abbildung 5: Klimastation zur kontinuierlichen Erfassung des Lokalklimas in verschiedenen Managementvarianten, hier in der Variante „Hochstubben“.

Teilprojekt Fernerkundung des ResEt-Fi-Projekts
Die Abteilung für Kartographie, GIS und Fernerkundung des Geographischen Instituts der Georg-August-Universität Göttingen beteiligt sich mit dem Teilprojekt 2 (Fernerkundung) am ResEt-Fi-Projekt. Diese Beteilung ist eine direkte Fortführung und Erweiterung einer Kooperation mit dem Forstlichen Forschungs- und Kompetenzzentrum (FFK) Gotha, ThüringenForst AöR, in der „Dürrständerinitiative“, mit welcher seit dem Jahr 2021 ein Monitoring abgestorbener Fichtenbeständen etabliert wurde.

Das Teilprojekt Fernerkundung hat folgende Ziele:

  • Charakterisierung von Feedbacks zwischen Mikroklima und Vegetationsentwicklung in Abhängigkeit von Managementvarianten
  • Multiskalige Analyse – vom Plot zur Region
  • Erfassung biogeophysikalischer Effekte des Störungsflächenmanagements und Upscaling



Die Untersuchungen und Aktivitäten des Teilprojekts Fernerkundung (Abbildung 6) umfassen u. a.:

  • Drohnenbefliegungen im optischen und thermalen Spektralbereich
  • Aufnahme biophysikalischer Parameter, z. B. Blattflächenindex/LAI, Anteil der absorbierten photosynthetisch aktiven Strahlung/FAPAR, Bedeckungsgrad/FCOVER
  • Multitemporale Satellitenbildauswertung (z. B. Sentinel-2, Landsat 8/9, Sentinel-3, MODIS)
  • Integration von Bachelor- und Masterarbeiten



gesamt
Abbildung 6: Monitoring der Schadflächen und Wiederbewaldungsmaßnahmen durch die Abteilung „Kartographie, GIS und Fernerkundung“. Oben: Drohnenbefliegung mit Aufnahmen im optischen und thermalen Spektralbereich, Mitte: Ableitung biophysikalischer Parameter mittels hemisphärischer Fotografie, Unten: kontinuierliches Monitoring des Mikroklimas auf unterschiedlichen Flächen.

Mit den im ResEt-Fi-Projekt umgesetzten kontinuierlichen Messungen am Boden sowie Methoden der Fernerkundung, sowohl satellitengestützt als auch mithilfe von Drohnen, können Veränderungen der Landbedeckungs- und nutzungsform „Wald“ wie Vitalitätsverlust, flächenhaftes Absterben, Wiederbewaldung und Sukzession sowie die Folgen für das Mikroklima quantitativ erfasst werden. Insbesondere eine Kombination aus verschiedenen Sensoren, z. B. optische und thermale Fernerkundung, soll zur Beurteilung der regionalen Flächenentwicklung auf dem Weg zu einer besser an den Klimawandel angepassten Landnutzung beitragen. Hierbei kann insbesondere die Skalierung der Erkenntnisse aus der lokalen Ebene der Plots auf die regionale Ebene zur Formulierung konkreter Praxisempfehlungen für das forstliche Management abgestorbener Fichtenflächen unter verschiedenen Standortbedingungen beitragen.

Mitarbeitende im Teilprojekt Fernerkundung: