historisch-kulturwissenschaftliche Werkstatt (hkw)

In Akten aus Archiven schmökern, auf Dachböden und Flohmärkten nach materiellen Zeugnissen stöbern, mit Zeitzeug:innen persönlich sprechen und historische Ereignisse rekonstruieren: Das Eintauchen in die Geschichte(n) über die Erkundung von Alltagen und Lebensweisen stellt einen wichtigen Teil kulturanthropologischer Arbeit dar.

 

Die historische Kulturanalyse (Historische Kulturforschung/ Historische Anthropologie/ Historische Ethnografie) ist nicht nur relevant, um die Vergangenheit zu verstehen und zu dekonstruieren, sondern zielt auch darauf ab, heutigen, selbstverständlich erscheinenden Phänomenen und sozialen Praktiken eine Geschichte zu geben und ihre historische Gewordenheit herauszustellen. Die Notwendigkeit einer historischen, quellenbasierten Kulturanalyse ist unbestritten, gerade wenn es um Themen der Gegenwart und Fragen nach Hintergründen, Entstehungsgeschichte(n) und Überlieferungstraditionen, um Macht, Differenz und konkurrierende Deutungsperspektiven geht. Über kulturelle Phänomene in der Gegenwart zu sprechen, heißt immer auch, die historischen Kontexte zu kennen und mit einem verstehenden Zugang zu erschließen. Wir wissen, dass für die Arbeit in kulturhistorischen und ethnografischen Museen Kenntnisse im Umgang mit Quellen zur Geschichte materieller Kultur unabdingbar sind. Auch eine „engaged anthropology“ ist nur möglich, wenn man Deutungen und Bewertungen in ihren jeweiligen historischen Kontexten einordnen und womöglich dekonstruieren kann.

 

Die historisch-kulturwissenschaftliche Werkstatt (hkw) stellt diese Verwebungen in den Mittelpunkt. Sie bringt sowohl Kulturwissenschaftler:innen mit Erfahrungen im historisch-archivalischen Forschen als auch Interessierte, die mit Methoden, Materialien und Fragestellungen noch nicht vertraut sind, sich aber auf diesem Feld Expertise erarbeiten möchten, zusammen. Das informelle Format der Werkstatt dient als Plattform für regelmäßigen Austausch und bietet Anregungen für das eigene historisch-kulturwissenschaftliche Arbeiten. Neben der Arbeit mit Texten zu historischen Methoden und epistemologischen Fragen setzen die Sitzungen jeweils thematische Schwerpunkte, denen im Rahmen der kulturanthropologischen Forschung besonderes Gewicht zukommt. Des Weiteren stellen sich Akteur:innen aus lokalen und nationalen Archiven, ihre Geschichte(n), Sammlungsstrategien und Quellenbestände vor. So werden Einblicke gewonnen in „klassische“ Berufsfelder für Absolvent:innen der Kulturanthropologie. Neben der konkreten Quellenarbeit geht es also auch darum, Berufsfeldkompetenzen zu erwerben und eigene Fähigkeiten im Arbeiten mit historischen Quellen zu schärfen.

 

Nachdem die Werkstatt 2021 am Hamburger Institut für Empirische Kulturwissenschaft gegründet wurde, zieht sie seit 2024 sukzessive nach Göttingen um. Bereits seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschäftigt sich das Göttinger Institut u.a. mit historisch-kulturwissenschaftlichen Fragestellungen und den Themenfeldern Erzähl- und Sachkulturforschung. Spätestens ab den 1990er Jahren erfolgte bis heute eine zunehmende Theoretisierung bzw. theoretische Reflexion historisch-kulturwissenschaftlichen Arbeitens und die Erweiterung des Themenspektrums um Wissens- und Wissenschaftsgeschichte, Protest- und Subkulturen, Geschlechter-, Sexualitäts-, Körper- und Familienforschung, Kulturerbe, Migration, Erinnerungskulturen und Museen, Oral History-Ansätze, Stadt, Tourismus und andere Ökonomien des Alltags, Datafizierung und Kommunikationsformen, Mode, visuelle Kulturen oder Kriminalitätsforschung.

 

So sind heutzutage sowohl das historische Forschen und Arbeiten als auch die gegenwartsorientierte Feldforschung und ethnografische Methoden im Studium, in der Lehre und in der Forschung verankert und zeichnen das breite Profil des Göttinger Instituts aus.

 

Wir laden alle interessierten Studierende und Lehrende – aus Göttingen und darüber hinaus – herzlich dazu ein, an den regelmäßigen Treffen teilzunehmen. Melden Sie sich auch gerne bei uns, wenn Sie eigene Themenvorschläge haben oder Haus- und Qualifikationsarbeiten vorstellen möchten! Eine Teilnahme ist jederzeit möglich.

 

Die Veranstaltungen sind kostenlos und finden online über Zoom statt.


Die Einwahldaten erhalten Sie auf Anfrage unter hkw@uni-goettingen.de.

 

Ihr Werkstatt-Team aus Göttingen,

Manuel Bolz, Friederike Faust, Florian Grundmüller, Stefanie Mallon und Frauke Paech

 

Hier finden Sie eine Postkarte zum Download.


+++ Programm im Sommersemester 2025 +++

 

1.        Sitzung am Di, 22.04.2025, 18:15-19:45 Uhr, zoom
Gast: J.-Prof. Dr. Barbara Wittmann (Bamberg)
Titel: Von Hexengeflüster, Venuslippen und der Roten Zora. Zur Entwicklung der Gendermedizin aus der Frauengesundheitsbewegung

 

2.        Sitzung am Di, 06.05.2025, 18:15-19:45 Uhr, zoom
Gast: Alexandra Regiert, M.A. (Regensburg)
Titel: Beziehungsgeschichte(n): eine Oral History zum alltagskulturellen Wandel von Ehen und Paarbeziehungen in der BRD (1945–1999)

 

3.        Sitzung am Di, 20.05.2025, 18:15-19:45 Uhr, zoom
Gast: Elena Zendler, M.A. (München)
Titel: „Und nun bekomme ich ein Almosen…“ Prekäre späte Lebensrealitäten von Künstlerinnen der Münchener Bohème im Spiegel von (Ego-)Dokumenten und persönlichen Berichten

 

4.        Sitzung am Di, 03.06.2025, 18:15-19:45 Uhr, zoom
Gast: Vertr.-Prof. PD Dr. Urmila Goel (Berlin)
Titel: Das digitale Archiv “WHO CARED” – ein kollaboratives Oral History-Projekt

 

5.        Sitzung am Di, 17.06.2025, 18:15-19:45 Uhr, hybrid (Besprechungsraum 1.610 KWZ (Göttingen) + zoom)
Gast: Gina Dellagiacoma, M.A. (Zürich)
Titel: Filmriss? Herausforderungen und Möglichkeiten in der Erforschung früher feministischer Filmgeschichte

 

6.        Sitzung am Di, 01.07.2025, 14:15-15:45 Uhr (Achtung: abweichende Uhrzeit!), zoom
Gäste: Eugen Januschke, M.A. (Berlin) und J.-Prof. Dr. Friederike Faust (Göttingen)
Titel: Das European HIV/AIDS Archive (EHAA): Bewegungsgeschichte in einem lebenden Archiv



Die Vorträge fungieren als eine Art Pre-Programm unter dem Dachthema „Geschlecht/Gender“ für die 19. Arbeitstagung der Kommission für Geschlechterforschung und Queere Anthropologie der Deutschen Gesellschaft für Empirische Kulturwissenschaft (DGEKW) „Friction: Spannungen, Spaltungen und produktive Störungen aus Geschlechterperspektive“, die vom 19. bis 21 Juni 2025 in Göttingen stattfinden wird.