Wirtschaftspolitisches Forum
Die schlechte Verwirklichung einer guten Idee
Die Ökologische Steuerreform ist nun schon seit dem 1. April 1999 eingeleitet. Mit ihr soll Energie schrittweise verteuert und das zusätzliche Energiesteueraufkommen zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge verwendet werden. Die vorläufig letzte Steuererhöhung tritt zum 1.1.2003 in Kraft. Zwischen den politischen Parteien wird aber jetzt schon über Sinn und Ausgestaltung der Ökologischen Steuerreform heftig gestritten. Die Vorschläge reichen von der ersatzlosen Streichung bis zu weiteren jährlichen Steuererhöhungen, die unmittelbar nach 2003 umgesetzt werden sollen.
Die Fronten für den Bundestagswahlkampf 2002 sind somit bereits erkennbar. Während die Unionsparteien für eine Abschaffung der Ökosteuern plädieren, ist die Regierungskoalition gespalten: Die Grünen setzen sich für eine Fortführung ein, während der Bundeskanzler sich schon dezidiert gegen weitere Steuererhöhungen ausgesprochen und damit die SPD in Position gebracht hat. Über die Ziele der ökologischen Steuerreform herrscht zwischen den Parteien Konsens. Zum einen soll die Umweltqualität verbessert werden, indem steuerliche Anreize zum Umstieg auf ressourcenschonendere Produktions- und Konsummuster gegeben werden. Zum anderen soll die Abgabenlast auf den Faktor Arbeit gesenkt werden. Neben einer ökologischen Lenkung von Wirtschaftsaktivitäten geht es also auch darum, negative Auswirkungen zusätzlicher Steuern auf den Arbeitsmarkt zu vermeiden. Uneinigkeit besteht dagegen darüber, ob eine ökologische Steuerreform allgemeinen ein wirksames Instrument der Arbeitsmarktpolitik sein kann - sowie darüber, ob die derzeitige Ausgestaltung dem ökologischen Lenkungsziel und dem Wunsch nach möglichst positiven Beschäftigungsanreizen gerecht wird.
In der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung werden die ökologischen Effekte und Arbeitsmarktwirkungen einer ökologischen Steuerreform seit längerem unter dem Schlagwort der doppelten Dividende thematisiert. Eine aufkommensneutrale Umschichtung der Steuern und Abgaben vom Faktor Arbeit auf den Faktor Umwelt soll nicht nur Umweltschäden reduzieren, sondern gleichzeitig auch Wirtschaftsleistung und Beschäftigung beleben. Während die erste „Dividende“ von Umweltsteuern – die erhöhte Umweltqualität - unumstritten ist, werden die Aussichten auf eine zweite Dividende - Verringerung der Arbeitslosigkeit bzw. höheres Wirtschaftswachstum - eher skeptisch beurteilt.
Ökologische Steuerreformen könen den Arbeitsmarkt nicht wesentlich entlasten
Für sich genommen hemmen zusätzliche Umweltsteuern die wirtschaftliche Aktivität. Ob der damit einhergehende Beschäftigungsverlust durch die Senkung der Lohnnebenkosten wettgemacht oder sogar überkompensiert werden kann, wird von zahlreichen theoretischen und empirischen Studien in Zweifel gezogen. Kaum jemand erwartet, daß eine ökologische Steuerreform den Arbeitsmarkt wesentlich entlasten kann.
Diese wissenschaftliche Einschätzung steht im Gegensatz zur öffentlichen Darstellung der Ökologischen Steuerreform durch manche ihrer Protagonisten. Diese vermitteln fast den Eindruck, als ob Umweltsteuern vorrangig dem Arbeitsmarkt und gar nicht so sehr der Umwelt dienen sollen. Die Fokussierung auf das Arbeitsmarktziel kann für die Umweltpolitik jedoch verhängnisvoll sein. Ökologisch sinnvolle Maßnahmen könnten dann gesellschaftspolitisch auf Ablehnung stoßen, weil die erhofften Arbeitsmarkteffekte ausbleiben. Da eine substantielle zweite Dividende nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand unwahrscheinlich ist, kämen Umweltsteuern aus dieser Perspektive unter Rechtfertigungsdruck. Umweltsteuern sind aber vorrangig durch ökologische Überlegungen zu begründen. Negative Arbeitsmarkteffekte sind von daher kein Grund, auf Ökosteuern zu verzichten, es sei denn, das Beschäftigungsziel hat einen höheren Stellenwert als das Umweltziel.
Nicht erst unter der rot-grünen Regierung profiliert sich Deutschland als Vorreiter in Sachen Umweltsschutz. So hat die Bundesrepublik schon unter der Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl die Verpflichtung übernommen, die Kohlendioxyd-Emissionen bis 2005 gegenüber 1990 um 25 Prozent zu reduzieren. Zur Einhaltung dieser Verpflichtung spielen neben ordnungspolitischen Instrumenten - wie zum Beispiel der Wärmeschutzverordnung - Umweltsteuern eine wichtige Rolle.
Steuern haben gegenüber Auflagen oder Standards den Vorteil, daß sie kosteneffizient sind. Betriebe und Haushalte werden solange Anstrengungen zur Umweltentlastung unternehmen, wie diese weniger kosten als die Steuer. Dadurch wird sichergestellt, daß die Umweltbelastung durch die Einführung jener Technologien oder durch diejenigen Verhaltensänderungen gemindert wird, die am wenigsten kosten. Im Unterschied zu Auflagen oder Standards brauchen Politik und Verwaltung keine Informationen darüber, wie Umweltschäden am günstigsten vermieden werden können.
In einem marktwirtschaftlichen System signalisiert die Umweltsteuer die Knappheit des Gutes Umwelt, das wegen fehlender Eigentumsrechte keinen Preis hat. Damit können die gesamtwirtschaftlichen Kosten schädlicher Umweltnutzungen internalisiert werden. Die Steuer ersetzt also den Marktpreis. Wie bei marktfähigen Gütern sollte auch hier für alle Nutzer der gleiche Preis gelten. So hängt beispielsweise der Klimaschaden, der durch eine Tonne Kohlendioxyd ausgelöst wird, nicht davon ab, wer sie emittiert hat.
Es liegt in der Natur der Sache, daß Umweltsteuern „umweltintensive“ Bereiche belasten. Diese reagieren auf die Verteuerung der Umweltnutzung, indem sie auf weniger umweltintensive Verfahren ausweichen. Der verbleibende Kostendruck führt aber auch zu Produktionsrückgängen und Standortverlagerungen ins Ausland. Damit verbundene sektorale Beschäftigungseinbußen müßten als Konsequenz einer zielgerichteten Umweltpolitik in Kauf genommen werden. Wettbewerbsnachteile für einheimische Unternehmen werden gemildert, wenn wichtige Handelspartner aufgrund internationaler Umweltschutzabkommen ähnliche Steuern erheben.
Politisch scheint diese Konsequenz oftmals nicht akzeptabel. Deshalb werden umweltintensiven Industrien oder sogar der gesamten unternehmerischen Produktion häufig Ermäßigungen eingeräumt. Wenn Umweltsteuern - wie andere Steuern auch - hauptsächlich erhoben würden, um Staatsausgaben zu finanzieren, könnte eine solche Steuerdifferenzierung sinnvoll sein. Denn typischerweise führen steuerinduzierte Änderungen der Wirtschaftsaktivitäten dazu, daß Ressourcen nicht mehr optimal eingesetzt werden, weil sich die Wirtschaftssubjekte nicht mehr an den tatsächlichen Knappheitsrelationen orientieren. Der durch die Steuer verursachte Einkommensverlust übersteigt deshalb das Steueraufkommen.
Um diesen Verlust bei gegebenem Finanzbedarf möglichst gering zu halten, sollten die Steuersätze niedrig und damit die Bemessungsgrundlagen breit sein. Außerdem sollten vorrangig solche Aktivitäten besteuert werden, bei denen es kaum Ausweichreaktionen gibt. Der von Steuern ausgelöste Einkommensverlust ist nämlich umso größer, je stärker die induzierten Verhaltensänderungen sind. Deshalb sind Umweltsteuern zur Aufkommenserzielung weniger geeignet als Einkommensteuern oder einheitliche Verbrauchsteuern.
Nun entprechen reale Steuersysteme in vielerlei Hinsicht nicht diesen Effizienzkritieren. So ist es theoretisch auch nicht auszuschließen, daß die Erhebung und Rückverteilung zusätzlicher Umweltsteuern dazu beitragen könnte, bestehende Steuerverzerrungen zu mildern. Selbst eine Differenzierung der Umweltsteuern zwischen Produktions- und Konsumsektor könnte dann vorteilhaft sein. Beispielsweise würde eine spezifische Kohlendioxyd-Steuer für Kohle den falschen Produktionsanreizen, die von der offenbar unangreifbaren Kohlesubventionierung in Deutschland ausgehen, entgegenwirken.
Im allgemeinen aber kann nicht gesagt werden, wie die Differenzierung ausfallen sollte. Grundsätzlich ist es aus rein fiskalischer Sicht wenig angebracht, Ineffizienzen des bestehenden Steuersystems über den indirekten Weg zusätzlicher Umweltsteuern abbauen zu wollen. Auch diese Überlegungen zeigen, daß der Einsatz von Umweltsteuern einer umweltpolitischen Rechtfertigung bedarf.
Wenn der Umweltschutz das vorrangige Ziel ist, muß nicht nur beachtet werden, wie effizient eine Umweltsteuer in Hinblick auf die Finanzierung des staatlichen Budgets ist. Sondern es kommt ganz wesentlich darauf an, wie stark die ökologische Lenkungswirkung ist. Zur Korrektur bestehender steuerlicher Ineffizienzen kann es sinnvoll sein, Umweltsteuern zwischen Produktion und Konsum zu differenzieren. Um eine hohe Lenkungswirkung zu erzielen, sollten diese aber einheitlich gewählt werden. Je anspruchsvoller das Umweltziel ist, um so stärker wiegt das Argument für einheitliche Steuersätze. Wenn eine einheitliche Besteuerung unmöglich ist, dann fällt der Verlust an Lenkungswirkung um so höher aus, je umweltintensiver der steuerlich begünstigte Sektor ist. Zudem sind im Gegensatz zu rein fiskalischen Steuern die von Umweltsteuern ausgelösten Ausweichreaktionen gerade erwünscht. Deshalb sollte eine Vergünstigung nicht in solchen Bereichen gewährt werden, in denen es günstige Alternativen zu umweltintensiven Verhaltensweisen gibt.
Beispielsweise ist die Industrie im Vergleich zu den Haushalten durch eine hohe Kohlendioxyd-Intensität und günstige Kohlendioxyd-Vermeidungsoptionen gekennzeichnet. Schon bei kleinen Steuerermäßigungen nehmen die Kohlendioxyd-Emissionen der Industrie wieder erheblich zu. Das vorgegebene gesamtwirtschaftliche Minderungsziel kann nur eingehalten werden, wenn die Haushalte entsprechend höhere Vermeidungsanstrengungen unternehmen. Dort sind aber die Vermeidungsoptionen kostspieliger, so daß deutlich höhere Steuersätze für die Haushalte nötig werden. Im Ergebnis steigen die gesamtwirtschaftlichen Kosten des Umweltschutzes. Wenn also schon eine Steuersatzdifferenzierung erwogen wird, dann sollte sie eher zugunsten der privaten Haushalte ausfallen.
Die Bewertung einer Umweltsteuerdifferenzierung kann sich ändern, wenn das Umweltziel -wie im Fall des Klimaschutzes - global ist, aber im Rahmen eines nationalen Alleingangs erreicht werden soll. In der globalen Bilanz müssen den heimischen Emissionssenkungen unter Umständen erhöhte Emissionen im Ausland gegenübergestellt werden. Aus Sicht einer offenen Volkswirtschaft gibt es dafür im wesentlichen zwei Gründe. Zum einen können Importe umweltintensiver Güter die heimische Produktion verdrängen. Zum anderen kann es zu Standortverlagerungen umweltintensiver Industrien ins Ausland kommen. Um diese kontraproduktiven Rückwirkungen abzuschwächen, kann es sinnvoll sein, umwelt- und exportintensive Industrien weniger stark zu besteuern.
Allerdings verlieren diese Argumente an Schlagkraft, wenn sich auch andere wichtige Handelspartner zu ähnlichen nationalen Umweltmaßnahmen verpflichtet haben. Zudem sind regionale Unterschiede in der Umweltregulierung auch für die meisten umweltintensiven Industrien im Vergleich zu Unternehmenssteuern oder Arbeitsmarktbedingungen nur ein untergeordneter Standortfaktor.
Welche gesamtwirtschaftlichen Folgen mit der Verwirklichung von Umweltschutzzielen verbunden sind, hängt nicht nur von der erhebungsseitigen Ausgestaltung von Umweltsteuern ab, sondern auch von der Verwendung des zusätzlichen Steueraufkommens. Es steht außer Frage, daß die potentiellen Kosten von Umweltschutz sinken, wenn die zusätzlichen Einnahmen im Rahmen einer aufkommensneutralen Reform dazu verwendet werden, bestehende steuerliche Verzerrungswirkungen abzubauen. Das Steuer- und Transfersystem bietet dafür zahlreiche Ansatzpunkte.
In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit ist es nachvollziehbar, daß dem Beschäftigungsziel hohe Priorität eingeräumt und vor allem der Produktionsfaktor Arbeit entlastet wird. Damit wird sichergestellt, daß die negativen Effekte höherer Umweltsteuern auf die Beschäftigung zumindest gemildert werden. Diese Verbindung von Umweltsteuern und Arbeitsmarktzielen ist jedoch nicht zwingend. Andere Verwendungen des Aufkommens, etwa zur Förderung von Umweltprojekten, können ebenso sinnvoll sein. Es ist letztlich eine Frage der politischen Prioritäten, wofür die durch die Umweltsteuer erhöhten Staatseinnahmen verwendet werden.
Statt des Energieverbrauchs gilt es die Emission von Schadstoffen zu drosslen
Mißt man die praktische Umsetzung der ökologischen Steuerreform in Deutschland an den Kriterien einer effektiven Umweltpolitik, dann fällt ihre Bewertung vergleichsweise negativ aus. Energiesteuern stellen zwar grundsätzlich ein marktkonformes Instrument dar, mit dem die energiebedingten Schadstoffemissionen verringert werden können. Auch die Senkung der Beiträge zur Rentenversicherung für sich genommen ist unter Beschäftigungsaspekten sinnvoll. Dieser auf den ersten Blick positive Gesamteindruck relativiert sich aber bei näherer Betrachtung erheblich.
Eine offensichtliche Schwäche liegt in der Wahl der Energie als Steuergegenstand. Nicht die Energienutzung an sich ist umweltbelastend, sondern die bei unterschiedlichen Energieumwandlungen freigesetzte spezifische Schadstoffemission. So ist für die Klimaschutzpolitik eine einheitliche Besteuerung des Energiegehalts von Energieträgern gegenüber einer Besteuerung des spezifischen Kohlendioxyd-Gehalts weniger effektiv. Bei einer konsequenten Umsetzung würde der Energieträger Kohle wegen seines hohen Kohlenstoffgehalts sehr stark belastet werden, die Atomenergie dagegen überhaupt nicht. Offensichtlich spielen hier neben dem Klimaschutz auch andere politische Interessen eine Rolle.
Ein anderer wesentlicher Konstruktionsfehler sind die im Gesetz verankerten weitreichenden Ausnahme- und Kompensationsregelungen. Unternehmen des Produzierenden Gewerbes und der Land- und Forstwirtschaft zahlen für Heizöl, Gas und Strom nur einen ermäßigten Steuersatz in Höhe von 20% des Regelsatzes. Für Strom greift diese Ermäßigung erst oberhalb einer Steuerschuld von 1.000, - DM. Unternehmen des Produzierenden Gewerbes erhalten darüber hinaus eine Vergütung, sofern ihre Steuer auf Strom und Heizstoffe mehr als 1.000,- DM pro Kalenderjahr und mehr als das 1,2-fache der Entlastung durch die Senkung der Arbeitgeberanteile zur gesetzlichen Rentenversicherung beträgt. Rückerstattet wird der Differenzbetrag zwischen der gezahlten Energiesteuer und dem 1,2-fachen des Betrags zur Senkung der Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung.
Diese komplizierte Regelung läßt sich anhand eines einfachen Beispiels zur Stromsteuer veranschaulichen. Zur Zeit beträgt der Regelsatz der Stromsteuer 30 DM/MWh, der ermäßigte Satz entsprechend 6 DM/MWh. Verbraucht ein Unternehmen in diesem Jahr 300 MWh, müßte es gemäß dem Regelsatz 9.000,- DM bezahlen. Für diejenige Strommenge, die die Steuerschuld über 1.000,- DM ansteigen läßt, kommt jedoch der auf ein Fünftel ermäßigte Satz zur Anwendung. Damit verringert sich die Steuer auf diesen Teil der Strommenge von 8.000,- DM auf 1.600,- DM. Das Unternehmen zahlt also insgesamt nur 2.600,- DM. Die Lenkungswirkung der Steuer wird durch den niedrigeren Steuersatz erheblich gemindert. Während das Unternehmen unterhalb von DM 1.000,- je reduzierter MWh 30 DM an Steuern spart, beträgt der Anreiz zur Energieeinsparung oberhalb dieses Sockelbetrags nur noch 6 DM.
Dieses Ergebnis wird durch die Kompensationsregelung noch verschärft. Wenn die von diesem Unternehmen geschuldeten Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung beispielsweise um 2.000,- DM sinken, dann kann sich das Unternehmen die Differenz zwischen der Stromsteuer und dem 1,2-fachen dieser 2.000,- DM erstatten lassen. Im konkreten Fall beträgt die Erstattung 200 DM. Fatal für das ökologische Ziel ist hier, daß eine Energieeinsparung zwar zu einer Senkung der Stromsteuer, aber auch zu einer genau gleich großen Senkung der Erstattung führt. Die Stromsteuer ist für dieses Unternehmen eine Pauschalsteuer, die keinerlei Anreize zu energiesparendem Verhalten setzt.
Die Steuerermäßigungen und in noch stärkerem Maße die Kompensationsregelung wirken ökologisch kontraproduktiv. Insbesondere energieintensive Unternehmen, die häufig über günstige Energieeinsparpotentiale verfügen, fallen unter die Ausnahmeregelungen. Daher wird die Lenkungswirkung ungleich stärker abgeschwächt, als wenn der Dienstleistungsbereich oder die Haushalte ausgenommen worden wären.
Durch die Steuerbefreiung mancher Branchen werden Arbeitsplätze teuer erkauft
Die Vorzugsbehandlung des produzierenden Gewerbes entspringt einem nachvollziehbaren sozialpolitischen Anliegen. Ohne Steuernachlässe wäre zu befürchten, daß in energieintensiven Branchen viele Arbeitsplätze verlorengingen. Die in den begünstigten Branchen erhaltenen Arbeitsplätze werden aber teuer erkauft. Da es gesamtwirtschaftlich deutlich kostspieliger wird, das Umweltziel zu erreichen, sind negative Arbeitsplatzwirkungen für die restlichen Branchen zu erwarten. Der bessere Weg wäre eine einheitliche Umweltsteuer. Für die Abfederung der damit verbundenen sozialen Härten in einzelnen Branchen sind gezielte sozialpolitische Maßnahmen – zum Beispiel Weiterbildungsmaßnahmen - ein viel geeigneteres Instrument als selektive Steuerbefreiungen.
Bei näherer Betrachtung der Kompensationsregelung stößt man schließlich auf ein Detail, das zu unvermuteten Beschäftigungswirkungen führen kann. Es handelt sich dabei um die Vorschrift zur Berechnung der Entlastung, die ein Unternehmen durch die Senkung der Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung erfährt. Für Unternehmen, die nach 1998 gegründet wurden, ist diese Entlastung annähernd proportional zu den gezahlten Löhnen. Aufgrund der Kompensationsregelung entspricht die Belastung durch die Ökosteuern dem 1,2-fachen der so berechneten Entlastung. Wenn man die laufende Entlastung bei der Rentenversicherung saldiert, dann ergibt sich eine Nettobelastung aus ökologischen Steuern und Rentenversicherungsbeiträgen in Höhe des 0,2-fachen dieser Entlastung. Die Unternehmen können der Strom- und Mineralölsteuer deshalb ausweichen, indem sie die Lohnsumme senken, was jedoch einen Beschäftigungsabbau erfordert. Dieser Anreiz verbleibt auch, wenn man die laufende Entlastung bei der Rentenversicherung saldiert, denn es ergibt sich immer noch eine Nettobelastung aus ökologischen Steuern und Rentenversicherungsbeiträgen in Höhe des 0,2-fachen dieser Entlastung. Durch die Kompensationsregelung mutiert die Ökosteuer für neue Unternehmen also zu einer Beschäftigungssteuer, der man am besten durch Entlassungen begegnet. Die Ziele der ökologischen Steuerreform werden hier offenkundig auf den Kopf gestellt.
Die ökologische Steuerreform wurde ausdrücklich mit dem Ziel verabschiedet, einen ökologischen Umbau der Industriegesellschaft einzuleiten und den Arbeitsmarkt zu entlasten. Gerade weil die Aussichten auf spürbare positive Beschäftigungswirkungen gering sind, wird das ökologische Ziel für die Begründung von Umweltsteuern um so wichtiger. Umweltsteuern sollen die Umweltqualität erhöhen und müssen dementsprechend konzipiert werden. Eine einheitliche Besteuerung gewährleistet, daß alle Verursacher von Umweltverschmutzung mit den damit verbundenen Kosten konfrontiert werden. Damit lassen sich Umweltziele gesamtwirtschaftlich am besten erreichen.
Die gegenwärtige Ausgestaltung der Ökosteuer weicht von diesem einfachen Prinzip erheblich ab. Neben der fehlenden Orientierung von Steuersätzen an tatsächlichen Schadstoffströmen sind die Ausnahmeregelungen eine zentrale Ursache für die geringe ökologische Lenkungswirkung. Umweltschutz wird damit teurer, als er aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sein müßte.
Im Rahmen einer konsequent verfolgten ökologischen Steuerreform kommt es zu Anpassungsproblemen für umweltintensive Branchen. Diese Umstrukturierung ist zur Verminderung von Umweltbelastungen erforderlich und müßte - bei gesellschaftspolitischem Konsens über die Umweltziele – dann auch hingenommen werden. Es scheint aber so, daß größere Bevölkerungsteile nicht bereit sind, die Kosten eines weitreichenden Umweltschutzes in Form von Beschäftigungseinbußen zu tragen. Dies muß bei der gesellschaftspolitischen Abwägung zwischen Umweltschutz und Beschäftigung berücksichtigt werden.
Die Politik versucht, diesen Konflikt teilweise zu leugnen, indem sie auf fragwürdige Beschäftigungsgewinne durch die Ökologische Steuerreform verweist. In den umweltintensiven Industrien, wo die Anpassungsprobleme offenkundig sind, gibt sie das Umweltziel praktisch auf, ohne dies offen zu sagen. Es bleibt zu hoffen, daß es in naher Zukunft zu einer Reform der ökologischen Steuerreform kommt, die sich der besseren Umsetzung einer guten Idee widmet.