Überlegungen zu Verbindungslinien zwischen Bearbeitungsweisen von Differenz in unterschiedlichen Fachdidaktiken – Beispiele aus dem Netzwerk „Diversität in der Lehrer*innenbildung“

Basierend auf den Diskussionen im Netzwerk lassen sich unterschiedliche Verbindungslinien erkennen. Wir zeigen Beispiele, um den Gewinn der bereits geführten und das Potenzial der weiteren gemeinsamen Auseinandersetzung aufzuzeigen:

Die Differenz Sprache und ihre Thematisierung in unterschiedlichen Fachdidaktiken
Es lässt sich eine Thematisierung von Prozessen des Sprachenlernens im Fachunterricht beobachten, die als „Sprachbildung als allgemeine Herausforderung“ beschrieben werden kann (thematisiert in den Treffen zur Didaktik der deutschen Sprache und Literatur, Didaktik der Geschichte, Fachdidaktik Chemie, Didaktik der Physik). Konkretisieren lässt sich dies auf die Konstruktion von Bildungssprache als Herausforderung z. B. in der Didaktik der deutschen Sprache und Literatur, in der die Förderung bildungssprachlicher Kompetenzen als Grundlage für unterschiedliche Unterrichtsfächer diskutiert wurde.
Zugleich wird aber auch die spezifische Bedeutung von Sprache im Fachkontext thematisiert: Es wird nicht einerseits Sprache und andererseits das Fach konstruiert, sondern es wird von der Sprachlichkeit des Faches ausgegangen. Fachliche Konzepte sind demnach sprachlich verfasst.
In der Didaktik der Physik wird die allgemeine Hinwendung zur Thematisierung von Prozessen des Sprachenlernens im Fachunterricht fokussiert, aber auch das Themenfeld Inklusion insbesondere in Hinblick auf sprachliche Bildung besprochen.

Reflexion der eigenen Positionalität von Studierenden
Einen weiteren übergreifenden Punkt der Bearbeitung von Differenz stellt in verschiedenen Fachdidaktiken die Reflexion der Positionalität von Studierenden dar:
In der Religionspädagogik wird eine reflektierte Positionalität als ein Kompetenzziel im Studium beschrieben. Die Auseinandersetzung mit und Reflexion von intrakategorialer Diversität hinsichtlich der religiösen Überzeugungen stellt eine exemplarische Möglichkeit dar, sich mit einer Diversitätsdimension tiefergehend auseinanderzusetzen.
In der Fachdidaktik des Englischen wird eine Reflexion der eigenen Diversität und Diversitätsvorstellungen z. B. in Bezug auf sprachliche Kompetenzen, kulturelle Voraussetzungen, aber auch Geschlechtervorstellungen initiiert.
Angehende Sportlehrkräfte sind i. d. R. sportlich sehr aktiv. Sie bringen auch deshalb bestimmte Vorannahmen in das Studium mit. In der Sportdidaktik soll die Irritation von z.B. in eigenen sportlichen Biographien von Studierenden begründeten Vorannahmen und Voraus-Setzungen Reflexionen von Normalitätskonstruktionen anstoßen.

Leistung und Differenzierung
Diversität über die subjektiven Perspektiven der Studierenden zu thematisieren, macht auf Leistung als Diversitätsdimension aufmerksam. So erleben sich Studierende als unterschiedlich leistungsfähig und können davon ausgehend Voraussetzungen für Leistung reflektieren. Die Reflexion spezifischer Perspektiven als subjektiv eröffnet aber auch Zugänge zu Konstruktionen von Leistungen. Dies zeigen Diskussionen zur Bearbeitung von Differenz in der Fachdidaktik des Englischen, der Sportdidaktik, aber auch der Fachdidaktik Chemie, der Didaktik der Geschichte und der Romanistischen Fachdidaktik
Aus einer anderen Perspektive beschäftigt Leistungsdifferenzierung alle Fachdidaktiken: Welche Gegenstände sind in den einzelnen Fächern und wie für zieldifferentes und differenziertes Unterrichten geeignet? Was kann Binnendifferenzierung konkret bedeuten? Wie ist damit umzugehen, dass Individualisierung und Binnendifferenzierung in einem Spannungsverhältnis zum gemeinsamen Lernen in der Gruppe stehen bzw. ein solches Spannungsfeld immer wieder auch hervorbringen?

Explizite Thematisierung von Beeinträchtigung(en)
In einigen Fachdidaktiken wird die Dimension dis/ability als wenig beeinflussend für den von ihnen fokussierten Unterricht dargestellt (z. B. Didaktik der Physik). In anderen Fachdidaktiken wird demgegenüber ein sehr weitgehender Einfluss thematisiert, der hinein bis in curriculare Normen reicht.
So beinhalten gesellschaftliche Normalitätserwartungen in einer beispielsweise ‚hörenden/auditiven Gesellschaft‘ bestimmte ‚Fähigkeiten‘ (being abled). Hiervon ausgehend wird in der Romanistischen Fachdidaktik und in der Fachdidaktik des Englischen die Dominanz des Hörens und Sprechens im Fremdsprachenunterricht diskutiert. Dabei geht es um das auditive Verstehen oder das Verstandenwerden. Es geht auch darum, dass curriculare Normen diese Normalitätserwartungen implizit als Leistungserwartungen an Schüler*innen formulieren.

Bei dieser Darstellung möglicher Verbindungslinien handelt es sich um einzelne ausgewählte Beispiele. Für das Entdecken weiterer Verknüpfungspunkte haben wir für Sie die Dokumentation fachdidaktischer Perspektiven auf Inklusion und Diversität geschaffen, die Sie unter den jeweiligen Links zu den Fachdidaktiken finden!