MOLLESSES IN DER RENAISSANCE :
SCHWÄCHEN UND VERWEICHLICHUNG DES MÄNNLICHEN (15. - 17. JHD)
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Internationale und interdisziplinäre Tagung
Georg-August-Universität Göttingen, 14. - 16. Juni 2018

Die männliche Haltung ist ein verstiegener Kunstgriff: Das Männliche strebt nach einem Gleichgewicht und einem soliden Zustand, um eine moderate goldene Mitte gemäß der aristotelischen Doktrin zu finden, sieht sich jedoch mit der Schwierigkeit konfrontiert, sich korrekt zwischen den Extremen des Unvermögens und des Exzesses zu positionieren. Dabei kann übertriebener viriler Eifer genauso streng verurteilt werden wie Verweiblichung (Reeser 2006). Jegliche Diskrepanz von den als viril definierten und wahrgenommenen Zügen birgt somit das Risiko, zu einer Form von Misserfolg oder devianter Andersartigkeit zu führen, die der mollesse gleichkommt. Einer falschen Etymologie zufolge kommt der Terminus mollitia von mulier über mollior (Lactance, De opificio Dei, XII, 17; Isidore de Séville, Etymologies, XI, 2.18). Infolgedessen werden die in der Renaissance als Neologismen geltenden Termini „amollissement“ (1549), „effémination“ (1503) und „efféminement“ (Ende 16. Jahrhundert) mit dem Begriff der „Mollesse“ in Verbindung gebracht.

Dieses Kolloquiums über den Begriff der mollesse setzt sich das Ziel, alle Formen des Männlichen, welche sich nicht dem dominanten Diskurs der Virilität anpassen, zu analysieren. Die normative Konstruktion des Männlichen basiert darauf, eine Distanz bezüglich einer Andersartigkeit einzunehmen, die als weich und feminin empfunden werden kann (Connell 2005, Reeser 2010). Diese verinnerlichte Weichheit soll nicht lediglich aus Körper und Geist des Subjektes vertrieben, sondern marginalisiert und entwertet werden, um das „homosoziale Band“ zu sichern und zu rechtfertigen (Sedgwick 1985). Während der Renaissance hat jede neue Form des Männlichen, die vom dominanten Kode der virilitas abgewichen ist, ein Thema größter Beunruhigung dargestellt. Bei Baldassare Castiglione kommt ein neuer Ausdruck der Männlichkeit zum Vorschein; insbesondere mit der weichen und femininen Gestalt des Höflings, welcher sich die Haare lockt, die Augenbrauen zupft und sich schminkt wie eine Frau.

Der vielfältige Gebrauch des Konzepts der mollesse wird mobilisiert, um das Schwanken einer Männlichkeit zu illustrieren, die im Begriff ist, ihre Macht und ihre Privilegien zu verlieren oder bereits verloren hat. Der Begriff des „Scheiterns“ kann helfen, die Inszenierung des (kriegerischen, sexuellen, rhetorischen) Misserfolges und die Reaktionen, welche jener mit sich bringt, zu verstehen. Inwiefern trägt jenes Scheitern dazu bei, das normative Ideal der Virilität aufzulösen oder neu zu definieren? Ein zentrales Anliegen ist es somit, den Diskurs über die mollesse und ihre Darstellungen zu hinterfragen und ebenfalls über den deskriptiven, axiologischen, metaphorischen und ideologischen Gebrauch des Begriffes der mollesse zu reflektieren.

Die Diskurse der mollesse. Eines der Ziele des Kolloquiums wird sein, das zu analysieren, was man als „Interdiskursivität“ der mollesse bezeichnen könnte: Wie und warum mobilisiert man mollesse, um über Eloquenz (z.B. weicher und effeminierter Stil), über Medizin, über Recht (z.B. Prozesse über Unvermögen), über Moralphilosophie, über Sprache (z.B. Verweiblichung der Sprache) und über Politik zu sprechen? Inwiefern bewahrheitet es sich, dass das Geschlecht ein machtvolles kategoriales Mittel und ein konstituierendes Element der Axiologie, sogar in den Beschreibungen der formulierten Urteile innerhalb dieses normativen Diskurses ist?

mollesse und historischer Wandel. Stellen diese Transformationen des Männlichen auf diachroner Ebene ein Spiegelbild des Übergangs vom Mittelalter in eine vormoderne Epoche dar? Mit der querelle des femmes wird der Mann durch das Hervortreten einer als gefährlich betrachteten weiblichen Andersartigkeit dazu gezwungen, den Status seiner Männlichkeit zu hinterfragen. Im Werk Cent nouvelles nouvelles (1464-67) werden die männlichen Ängste häufig von einer sehr stark ausgeprägten Sexualität der Frau ausgelöst. In l’Heptaméron unterstreicht Marguerite de Navarre die Notwendigkeit, die Macht des homosozialen Bandes abzumildern - ja sogar zu dekonstruieren – um die weibliche Figur zu rehabilitieren, was Zeichen von Schwäche und Ambivalenz in der Repräsentation des männlichen Subjektes mit sich bringt (Reeser 2004, Ferguson 2005). Auch Montaigne gesteht von Beginn des ersten Kapitels seiner Essais an ein, Opfer jener « facilité, débonnaireté et mollesse » zu sein, die denen eigen ist, die bei Erbarmen und Mitleid ebenso wie Frauen, Kinder und « le vulgaire » klein beigeben.

Schlaffheit und Verweichlichung. Es gilt ebenfalls den Unterschied zwischen dem passiven Zustand der mollesse, welcher lesbar und sichtbar sein sollte, um besser vertrieben oder marginalisiert werden zu können, und dem aktiven Prozess der Verweichlichung, der aufwertend ist, da jede Lockerung das Männliche mit positiven, dem Weiblichen zugeschriebenen Eigenschaften bereichern kann, zu analysieren. Als Beispiel wäre die Hybridität des Pädagogen – Mann und Frau zugleich – zu nennen (Reeser 2006: 101), genauso wie der Ziehvater (Read 2002). Zu Beginn des 17. Jahrhunderts lässt ein Text wie l’Isle des Hermaphrodites – obgleich im Rahmen einer ironischen Vorgehensweise – ein Lob de Effemination durchblicken. Man könnte sich des Weiteren auch für eine „weibliche“ mollesse interessieren, insbesondere für jene von virilen Frauen: Wie haben sie es geschafft, die mollesse aus ihren Körpern und Handlungen zu vertreiben?

Dieses Kolloquium hat den Anspruch, Spezialisten aus verschiedenen Disziplinen (Literatur, Geschichte, Kunstgeschichte, Sprachgeschichte, Philosophie) rund um ein fächerübergreifendes Thema in einen Dialog treten zu lassen. Wir schlagen hier einige thematische Achsen vor, von denen aus man sich dem Terminus der mollesse nähern kann, was jedoch andere mögliche Ansätze und Methoden nicht ausschließt:

- Der Begriff der mollesse im medizinischen, theologischen und juristischen Diskurs, sowie in pädagogischen Abhandlungen, in der Geschichtsschreibung und in der Philosophie.
- Scheitern und Schwächen des Männlichen (die Effeminierten, die Schwächlinge, die Eunuchen, die Memmen, die Lustknaben, etc.).
- Das physische Versagen der Männlichkeit.
- mollesse und Sprache/Rhetorik/Poetik (weicher Stil, effeminierter Stil, Verweiblichung des Französischen, etc.).
- Feminine Männlichkeiten, weibliche mollesse und virile Frauen