Missionarinnen und Missionare als Akteure der Transformation und des Transfers: Außereuropäische Kontaktzonen und ihre europäischen Resonanzräume (1860-1940) (29. September bis 1. Oktober 2011)
Missionarinnen und Missionare vereinig(t)en die Widersprüche der Globalisierungsbewegung – den emanzipatorischen Antrieb von Zivilisierungsmissionen und deren disziplinatorische und aggressive Wirkung ebenso wie die eurozentrische Ausrichtung der Globalisierung und ihre Gegenbewegungen und Hybriditäten. Sie komponierten zahlreiche Narrationen und Bilderwelten des Außereuropäischen und wirkten an der Produktion neuer globaler Räume und Kontaktzonen mit. Durch ihren religiös-missionarischen Impetus, spezifische Netzwerkbildungen innerhalb eines religiösen Feldes über lange Dauer und große Distanz sowie durch besondere Strategien des Kontaktes beziehungsweise des kulturellen Transfers sind sie wichtige Akteure im Prozess der Globalisierung.
Die deutsche historische Forschung hat die beschleunigte Verdichtung persönlicher Kontakte in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur auf globaler Ebene seit dem frühen 19. Jahrhundert bisher vor allem mit Hilfe von Prozessbegriffen (Globalisierung, Kolonisierung, Amerikanisierung oder auch Verwandlung) und historischen Kategorien jenseits der Akteursebene untersucht (Transfers, Netzwerke oder Übersetzungen). Auch wurden diese Prozesse in der Regel ausschließlich als säkulare Phänomene betrachtet. Die Tagung will eine Erweiterung dieser Zugänge vorschlagen, indem sie das historische Handeln von Missionarinnen und Missionaren in den Blick nimmt. Mission soll dabei als Teil einer entangled history sichtbar gemacht werden, um Missionsgeschichte tatsächlich „jenseits des Eurozentrismus“ zu betrachten. Im Laufe des 20. Jahrhunderts traten im Zuge einer zunehmenden Selbstverantwortung der Kirchen außerhalb Europas stärker afrikanische, asiatische oder amerikanische Missionare in Aktion. Die unterschiedlichen religiösen Richtungen in zunehmend plural strukturierten kolonialen und postkolonialen Räumen, aber auch in Europa lieferten die Sprache für anti-koloniale Protestbewegungen, prägten die Aspirationen der Ausgeschlossenen mit und halfen, Ansprüche auf Partizipation zu formulieren. Es muss gefragt werden, welche Auswirkungen dieser neue nicht primär auf die europäischen Metropolen bezogene Pluralismus missionarischen Handelns hatte bzw. inwieweit christlich-europäische Mission an der Entstehung und Ausformung eines pluralen religiösen Feldes beteiligt waren.
Der Workshop wird initiiert von Fellow Prof. Dr. Shalini Randeria (Universität Zürich, Fellow Lichtenberg-Kolleg 2010/11) und Prof. Dr. Rebekkka Habermas und Dr. Richard Hölzl (Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte, Göttingen). Unterstützt wird der Workshop von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung.