Inklusion und Diversität aus der Perspektive der Sportdidaktik


Wabe Sport

Die folgenden Ausführungen basieren auf dem Impulsvortrag von Prof. Dr. Ina Hunger (Professorin für Sportpädagogik und -didaktik) und der daran anschließenden Diskussion mit den Teilnehmer*innen des zweiten Netzwerktreffens „Diversität in der Lehrer*innenbildung“ am 17.10.2017.

Protokollant: Marian Laubner

Thematisierung von Inklusion und Diversität
In der Sportpädagogik/-didaktik werden Inklusion und Diversität insbesondere anhand der Reflexion von Normalitätskonstruktionen thematisiert. Diese Reflexion wird auch in der Lehre durchgeführt und soll vor allem dazu dienen, Vorannahmen und Voraus-Setzungen von Studierenden zu irritieren, da gerade für den Sportunterricht bzw. für angehende Sportlehrer*innen das Hinterfragen und Aufbrechen von Routinen bedeutsam erscheint. In der Lehre der Sportpädagogik und -didaktik werden u. a. folgende Fragen diskutiert:

  • Muss man körperlich fit/sportlich sein, um Sport zu treiben?
  • Welche (gesellschaftlich konstruierten) Bilder (z.B. Geschlechterrollen) werden durch Sport hervorgebracht und/oder (re-)produziert?
  • Welche Rolle spielt Körperlichkeit im Sport(unterricht)? (Nähe und Distanz, Bewegungsfähigkeit)
  • Welche Bedeutung haben kulturelle/religiöse Werte in der Durchführung von Sport?
  • Wer darf/kann/soll welche Sportart (nicht) betreiben?

Hinsichtlich der Thematisierung von Inklusion und Diversität werden demnach insbesondere die Differenzdimensionen körperliche Fitness, Körper, Gender, Kultur, Religion, Klasse, aufgerufen und reflektiert. Als weitere Möglichkeit der Auseinandersetzung mit Inklusion und Diversität kann die Bedeutung des Sports in der Schulentwicklung thematisiert und diskutiert werden. So wäre es vorstellbar, im Schulalltag Sportangebote anzubieten, die im Rahmen des herkömmlichen Sportunterrichts nicht stattfinden und auf anderen (primär kognitiv-sprachlichen) Zugängen zu typischen Phänomenen im Sport basieren. Beispielweise könnte Sportunterricht als Unterricht über Sport verstanden werden, in dem sich z. B. mit ökonomischen Themen (Ökonomisierung des Fußballs), Sportgeschichte oder aber mit dem Thema Gender im Sport auseinandergesetzt wird. Ein solcher Sportunterricht würde sich von den dominanten Differenzdimensionen (siehe oben) lösen und sie selbst zum Gegenstand einer unterrichtlichen Aufklärung machen.

Curriculare Verankerung von Inklusion und Diversität
Inklusion und Diversität werden in der Fachdidaktik Sport im Bachelor innerhalb der Einführungsvorlesung und der Vertiefungsvorlesung Sportpädagogik thematisiert unter ausgewählten Gesichtspunkten behandelt. Innerhalb des Fachdidaktikmoduls (B.Spo.14) gibt es – neben einer grundlegenden Einführung zur Relevanz, Diagnose und Berücksichtigung von Lernvoraussetzungen – auch einen Themenblock „Umgang mit Heterogenität“. In diesem Themenblock werden Ergebnisse der Schüler*innen- und Unterrichtsforschung zu Differenzen im Sportunterricht aufgegriffen und unter Bezugnahme auf die Aussagen didaktischer Programme zum Anspruch an eine gleichberechtigte Teilhabe am Sportunterricht reflektiert. Inklusion und Diversität werden im Rahmen des Bachelors primär als Herausforderung für angehende Lehrer*innen behandelt und unter verschiedenen Stichworten (Lernvoraussetzungen, Heterogenität, etc.) als didaktische Sachverhalte diskutiert. Hierbei steht die Entwicklung eines grundlegenden Verständnisses im Mittelpunkt. Im Master wird nun das Augenmerk verstärkt auf die Analyse und Inszenierung inklusiver/diverser Unterrichtssituationen gelenkt. Innerhalb des Fachdidaktikmoduls (M.Spo-MEd.100). Zudem werden im Wahlpflichtbereich (M.Spo-MEd.400) regelmäßig Veranstaltungen angeboten, die einzelnen Dimension/Facetten von Inklusion vertiefen (z.B. Gender im Schulsport).

Diskussionspunkte und offene Fragen
Thematisierung von Inklusion und Diversität in universitärer Lehre

  • In welchem Verhältnis stehen Angebote der ZELB, die als Zusatzqualifikationen und -angebote konzipiert sind (LehramtPlus) und die curriculare Einbindung diversitätsrelevanter Themen?
  • Wie kann sichergestellt werden, dass Fragen diversitätssensibler Gestaltung von Unterricht in unterschiedlichen Fachdisziplinen, Didaktiken, Bildungswissenschaften behandelt werden? Inwiefern sind curriculare Veränderungen hilfreich für eine verstärkte Auseinandersetzung mit ausgewählten Inhalten?
  • Die historische Entwicklung von Konzepten und Begrifflichkeiten im Kontext von Diversität wird als aufschlussreich für die Reflexion des Gewordenen herausgestellt (z. B.: Sportunterricht wurde früher als „Leibesübung“ bezeichnet).
  • Welche Widerstände gegen Veränderungen und neue Entwicklungen im Kontext von Inklusion und Diversität treten auf? Inwiefern findet Reflexion/ Umdenken trotz Angebote im Studium nicht statt und mündet in einer bloßen Reproduktion der eigenen Unterrichtserfahrungen?
  • Didaktische Gestaltung der eigenen Lehre: Wie kann mit dem Problem bzw. der Gefahr der Selbstoffenbarung, die ggf. durch Selbstreflexion produziert/erforderlich wird, umgegangen werden? Welche reflexiven Methoden bzgl. eigener Erfahrungen und Position(ierung)en (z. B. Privilegien) können genutzt werden?
  • Welche Möglichkeiten bietet der Einsatz von Unterrichtsvideos in der universitären Lehre zur Reflexion von Diversität und Differenz?
  • Inwiefern nimmt Leistungsorientierung von Studierenden, die oftmals auch in Vereinen aktiv sind, Einfluss auf Perspektiven von Normalität und Diversität?


Diversitätssensible Gestaltung von Schule und Unterricht

  • Wie kann Schule diversitätssensibel gestaltet werden? Reichen hier Anpassungen des bisherigen Unterrichts aus oder bedarf es tief- und weitgreifenden Veränderungen struktureller und organisationaler Art? Welche Anforderungen können an „Einzelpersonen“ gestellt werden?
  • Welche Konstruktionen eines*r normalen Schülers*in bei der Gestaltung von Unterricht und Schule machen die Voraussetzungen und Vorannahmen des Unterrichts deutlich (Curricula, Architektur, (Normalitäts-)Konstruktionen von Lehrkräften)?


Diversität vs. Normalität

  • Wie kann das Denken über Normalität ver-/geändert werden? Wie kann Normalität anders gedacht werden?