EUROCULTURE 1999/2000 (Göttingen, Uppsala) A

EUROCULTURE 1999/2000 (Göttingen, Uppsala)


by Heiko Messerschmidt




1. Semester (Göttingen, WS 1999/2000)
EUROCULTURE - auf was habe ich mich da eingelassen? Zugegeben, vor Semesterbeginn war ich etwas nervös. Die Anforderungen hörten sich hoch an, das Paper für den Intensivkurs war auf Englisch zu schreiben, drei Scheine sollte ich während des Semesters machen... Am Ende hat dann alles reibungslos geklappt. Also, keine Panik!

Der interdisziplinäre Ansatz machte mir weniger zu schaffen, da ich drei
der fünf beteiligten Fächer studiere. Philologie und Theologie gehörten bisher nicht dazu; im EUROCULTURE-Semester habe ich ein paar Einblicke bekommen. In der Auswahl begrenzt durch den EUROCULUTRE-Kommentar stellte ich mir mein Semesterprogramm zusammen. Einzige Auffälligkeit zu vorherigen Semestern: das EUROCULTURE-Kolloquium und Tutorium. Thema war „The Cultural Impact of Migration in Europe“. Und tatsächlich hielt das Programm seinen interdisziplinären Ansatz. Mal mehr und auch mal weniger gute Dozenten/Nachwuchswissenschaftler gaben sich bei den wöchentlichen Sitzungen ein Stelldichein. Trotz wechselnder Dozenten – Prof. Ernst Kuper sorgte jedoch im Kolloquium und Andrea Thiesen im Tutorium für Kontinuität – griffen die Sitzung (wohl mehr zufällig) ineinander. Nach einem Semester waren wir in Sachen Migration gut gerüstet, auf den Intensivkurs vorbereitet und erhielten so manche Anregung für die Abschlussarbeiten im zweiten Semester.

Eine weitere, für mich bis dahin ganz neue Erfahrung: Wir studierten in der Gruppe und liefen nicht mehr allein von Veranstaltung zu Veranstaltung. In den Seminaren traf man auf andere EUROCULTURE-Leute. In der Gruppe ließ sich den Dozenten auch einfacher erklären, was EUROCULTURE ist und soll. So mancher Dozent dürfte es inzwischen wohl verstanden haben.

Etwas Schwedisch sollte man im ersten Semester lernen. Intensive Kurse (6 SWS) bieten die Skandinavisten an. Ich hatte mich jedoch lediglich für einen Anfängerkurs bei der Volkshochschule Göttingen (Achtung: Beginn bereits im September!) angemeldet. Einige Vokabeln und die grundlegenden Grammatikregeln brachte ich so bereits mit nach Schweden.

Alles in allem war das Semester deutlich arbeitsintensiver als vorherige, aber die Hausarbeiten, die mündliche Prüfung und das Paper für das Intensivprogramm in Sigtuna waren pünktlich zu Semesterende fertig. Dies erfordert eine gute Zeiteinteilung und vielleicht etwas kürzere Weihnachtsferien. Ein Tipp: Gleich nach Semesterbeginn die ersten Arbeiten abhaken.


Intensivkurs in Sigtuna (Schweden) im Februar 2000
Bereits vor Beginn des Intensivkurses stellte sich heraus, dass das Programm nicht ganz so europäisch werden sollte wie angenommen. Studenten kamen nur aus Uppsala und Göttingen (um einen Groninger nicht zu vergessen). Die Dozenten waren aus Freiburg, Göttingnen (Prof. Ernst Kuper, Undine Ruge), Udine (Italien) und natürlich aus Uppsala. EUROCULTURE wird in Uppsala von der theologischen Fakultät koordiniert, entsprechend zahlreich waren die Theologen als Referenten angereist.

Aber der Reihe nach: Der Intensivkurs gliederte sich in zwei Teile, nämlich in Vorlesungen und Seminare. Die Vorlesungen befassten sich im weitesten Sinne mit Migration und waren von unterschiedlicher Qualität. An den Nachmittagen wurden in den Seminaren die Paper diskutiert. Erfrischend munter war die Kritik, insbesondere die schwedischen Studenten waren bissig. Das Programm war leider so eng, dass nicht genügend Zeit zum Lesen der vielen Paper war. Während des Intensivkurses durften wir uns ein wenig wie Wissenschaftler auf einem Kongress fühlen. Wir wurden ernst genommen und nicht als „kleine“ Studenten behandelt.

Die Unterbringung im Sigtuna Stiftelsen, einer altehrwürdigen Tagungsstätte direkt am Mälaren-See, war äußerst edel. Drei Mal täglich große Buffets -– kaum zu überbieten! Zum Programm gehörte auch ein Ausflug nach Uppsala. Im dichten Schneegestöber sahen wir das hübsche Uni-Städtchen.




2. Semester (Uppsala, SS 2000)
1. Koordination: Bereits in Sigtuna lernten wir die Koordinatoren kennen. Görel Tunerlöv ist für sämtliche Organisationsfragen zuständig, sozusagen die „gute Seele“ des Programms. Peter Södergård ist Ansprechpartner für inhaltliche Fragen und Betreuer der Abschlussarbeiten. Carl Reinhold Bråkenhielm ist als Dekan der theologischen Fakultät für das Programm verantwortlich. Alle drei waren immer ansprechbar und sorgten für einen reibungslosen Ablauf.

2. Studium: Die ersten 4-5 Wochen hatten wir Vorlesungen, im wesentlichen über die Geschichte des Baltikums aber auch zu politischen und theologischen Fragen. Den historischen Teil hatte ein Professor der historischen Fakultät übernommen, zu den anderen Themen kamen wechselnde Dozenten. Im Anschluss lernten wir alle für die mündlichen Prüfungen über schwedische Geschichte, d.h. wir lasen die 4-5 angegebenen Bücher und paukten Daten. In der je halbstündigen Prüfung wurden wir von Peter beispielsweise gefragt, was am 28. Februar 1986 passierte? Der Mord an Olof Palme ist eines der wichtigsten Daten in der jüngeren schwedischen Geschichte. Es wurde nur ein Überblickswissen geprüft. Alle haben ohne Probleme bestanden, Noten werden nicht vergeben.

Nach einer kurzen Osterpause begann die größte Herausforderung, nämlich das Schreiben der Abschlussarbeiten. Mein Vorteil war, dass ich mein Paper für den Intensivkurs ausarbeiten konnte. Dies hat sich als ideal erwiesen, da ich so bereits in Göttingen Literatur gesammelt hatte und nach Rücksprache mit einem Göttinger Dozenten wusste, wie ich die Arbeit weiter entwickeln konnte. Die Uni-Bibliothek in Uppsala hat sich als „Goldgrube“ erwiesen. Zu meinem Thema („Swedish exile-experiences and their transfer to post-war Germany (FRG) - the example of German socialists and social democrats“) habe ich jedes erdenkliche Buch gefunden. Die Bibliothek hatte umfassende deutsche und englische Literatur, so dass je nach Thema nicht unbedingt auf schwedische Titel zurückgegriffen werden muss.

Während des Schreibens hatten wir verschiedentlich mit Dozenten Kontakt. Obwohl es eigentlich vorgesehen war, hatte keiner von uns einen Tutor im engeren Sinne. Bei Schwierigkeiten, die sich uns aber kaum stellten, hätten Görel und Peter sicherlich Rat gewusst bzw. Helfer gesucht. Die Arbeiten können in Englisch oder Schwedisch geschrieben werden. 40-50 Seiten sollten wir schreiben, teilweise wurde es etwas mehr. Für den nie überfüllten Computerraum (mit Internet-Anschluss!), in dem wir auch am Wochenende arbeiten konnten, bekamen wir gleich zu Beginn einen Schlüssel.

Einige Tage nach Abgabe haben wir die Arbeiten im Seminar diskutiert. Der Historiker Harald Runblom erwies sich als engagierter Seminarleiter, der obwohl erst kurzfristig eingesprungen, jede Arbeit (und zum Teil die bearbeitete Literatur) bis ins kleinste Detail gelesen hatte. Seine Kommentare waren hilfreich und eröffneten teilweise Perspektiven für weitergehende Arbeiten. Anschließend sollten die Arbeiten von mehren Dozenten bewertet werden. Im Sommer sollen wir eine Note und ein Gutachten (sowie hoffentlich den Master) bekommen.

3. Unterbringung: Wir alle waren in Flogsta, einer Hochhaussiedlung für Studenten, untergebracht. Bis zur Uni sind es mit dem Fahrrad 15 Minuten. Zwölf Studenten wohnen auf einem Korridor. Die Zimmer haben eigene Bäder. Küche und Fernsehecke sind Treffpunkt für alle. Unsere Mitbewohner waren zu meist Schweden, aber auf jedem Flur wohnten auch 2-3 Austauschstudenten. Pech für mich, dass mein Haus in den Monaten renoviert wurde und pünktlich um acht Uhr die Bohrer dröhnten.

4. Uppsala, Uni und Nations: In Uppsala lässt es sich gut leben. Dass Heimweh nach Göttingen muss keine Übermaße annehmen, da die Stadt in vielem mit Göttingen vergleichbar ist. Uppsala ist zwar ein wenig größer, aber die Uni und Studenten prägen die Stadt. Jeder Student muss Mitglied einer Nation, einer Art Studenten-Club, werden. Dort gibt es Partys, (steuerfreie = billigere) Kneipen und Restaurants sowie unzählige Aktivitäten (u.a. eigene Tutoren für Austauschstudenten). Wir waren bei Kalmers – aus meiner Sicht die beste Nations, aber das ist Geschmackssache. Einfach in den ersten Tagen umschauen und erst dann die Aufnahmegebühr von ca. 80,- DM zahlen.

5. Sprache: Unsere Schwedisch-Kenntnisse haben wir in einem Kurs bei der Volkshochschule vertiefen können. Bezahlt wurde der Kurs von der Uni. Im Alltag kommt man problemlos mit Englisch klar. Jeder spricht fließend Englisch, dementsprechend schwierig ist es Schwedisch zu lernen. Wenn die Schweden merken, dass man mit ihrer Sprache Schwierigkeiten hat, antworten sie sofort auf Englisch.

6. Finanzen: Schweden ist teuer. Die Miete für das Wohnheim lag bei ca. 450,- DM, der Telefonanschluss für die 4-5 Monate hat ca. 300,- DM gekostet (Aus Deutschland anrufen lassen, ist viel billiger!) Essen, Kneipe und selbst H&Mklamotten sind deutlich teurer als in Deutschland. Also, vielleicht 200-300 DM mehr im Monat einplanen.

Alles in allem war es eine tolle Zeit. Euch viel Spass.
Heiko