Prof. Dr. Wouter Jacobus Hanegraaff

Von April bis Juni 2012
Dr., Professor für Geschichte der Hermetischen Philosophie und verwandter Strömungen
University of Amsterdam, Niederlande

Geboren 1961 in Amsterdam, Niederlande
Studium der Kulturgeschichte in Utrecht



Forschungsvorhaben
Die Nachtseite der Natur im deutschen romantischen Mesmerismus

Verschiedene wichtige Entwicklungen in der Geschichte der Religion, Psychologie und Populärmedizin des neunzehnten Jahrhunderts haben – bekanntermaßen - ihren Ursprung in Franz Anton Mesmers Theorie des „Thierischen Magnetismus“. Obwohl jedoch die Rezeption des „Mesmerismus“ in Frankreich, England und in den Vereinigten Staaten inzwischen gut erforscht worden ist, hat man diese Rezeptionsgeschichte im deutschsprachigen Raum bis heute weitgehend vernachlässigt. Dies ist bemerkenswert, da gerade der deutsche Mesmerismus für die sogenannte „Entdeckung des Unbewussten“ (Henri Ellenberger) und für seine weitere Entwicklung bis hin zur modernen Psychologie und Psychiatrie von zentraler Bedeutung gewesen ist. Die engen Beziehungen zwischen der frühen Psychologie und dem Bereich des „Okkulten“ sind bis heute umstritten, aber unabdingbar für das Verständnis der modernen Religionsgeschichte.
Was man heute „das Unbewusste“ nennt, wurde erstmals durch deutsche Romantische Mesmeristen als „die Nachtseite der Natur“ konzeptualisiert. Dieses Konzept entstand im ersten Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts durch eine innovative medizinische Theorie des Arztes Johann Christian Reil (1807) und die Veröffentlichung von Gotthilf Heinrich von Schuberts Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft (1808). Die „Nachtseite der Natur“ wurde nach der Veröffentlichung von Justinus Kerners Die Seherin von Prevorst (1829) zum Gegenstand einer breiten öffentlichen Kontroverse: Seine Beschreibung der spektakulären Visionen und „paranormalen“ Fähigkeiten einer somnambulen Patientin, Friederike Hauffe, faszinierte sogar berühmte Persönlichkeiten wie Schelling und D. F. Strauss. Mein Forschungsprojekt konzentriert sich auf Kerner und sein persönliches Netzwerk (Schubert, A. K. A. Eschenmayer, J. F. von Meyer und andere), sowie auf die Kontroverse zwischen Verteidigern und Kritikern während der Dreißiger- und Vierzigerjahre des neunzehnten Jahrhunderts. Wichtige Quellen sind (neben Büchern und Broschüren) Kerners Zeitschriften Blätter aus Prevorst und Magikon, allgemeine Zeitschriften wie das Morgenblatt für gebildete Stände und verschiedene Manuskriptsammlungen in deutschen Archiven.


Ausgewählte Publikationen

Hanegraaff, W. J. 2012. Esotericism and the Academy: Rejected Knowledge in Western Culture. Cambridge: University Press.

Hanegraaff, W. J. 2010. Magnetic Gnosis: Somnambulism and the Quest for Absolute Knowledge, in: Andreas B. Kilcher & Philipp Theisohn (eds.): Die Enzyklopädik der Esoterik: Allwissenheitsmythen und universalwissenschaftliche Modelle in der Esoterik der Neuzeit. Paderborn: Wilhelm Fink, pp. 259‐275.

Hanegraaff, W. J. 2007. Swedenborg, Oetinger, Kant: Three Perspectives on the Secrets of Heaven. West Chester: Chrysalis Books.

Hanegraaff, W. J. (mit R.M. Bouthoorn) 2005. Lodovico Lazzarelli (1447-1500): The Hermetic Writings and Related Documents. Tempe: Medieval & Renaissance Texts & Studies.

Hanegraaff, W.J. 1999/2000 und 2001/2002. Versuch über Friederike Hauffe: Zum Verhältnis zwischen Lebensgeschichte und Mythos der 'Seherin von Prevorst'. Suevica: Beiträge zur Schwäbischen Literatur- und Geistesgeschichte 8, pp. 17-38 und 9, pp. 233-276.