Forum for Economic Policy
Globalisierung nicht schuld an Armut
Aktuelle KOF-Studien untersuchen den Einfluss der Globalisierung auf das Wirtschaftswachstum und den Steuerwettbewerb. Die Ergebnisse zeigen, dass die Globalisierung das Wachstum fördert und weder die Höhe noch die Zusammensetzung der Steuern negativ beeinflusst.
Globalisierung wird oft mit steigender Armut und noch häufiger mit der Erosion von Sozial- und Umweltstandards in Verbindung gebracht. Tatsächlich ging die Globalisierung der letzten Jahrzehnte aber mit einer wachsenden Sozialleistungsquote in den OECD-Ländern und einem hohen Wirtschaftswachstum in den globalisierenden Entwicklungsländern einher. Letzteres hat einen starken Rückgang extremer Armut mit sich gebracht, und auch die Umweltstandards sind in den meisten Ländern nicht gesunken, sondern vielmehr gestiegen. Die gemeinsame Entwicklung von Globalisierung und sinkender Armut lässt freilich zunächst einmal keine kausale Interpretation zu. Ob und inwieweit ein wirklich ursächlicher Zusammenhang besteht, bedarf fundierter wissenschaftlicher Analyse.
Dazu muss „Globalisierung“ zunächst definiert und gemessen werden. Vereinfacht bezeichnet Globalisierung den weltweiten Austausch von Menschen, Informationen, Ideen, Kapital und Waren. Sie geht damit weit über die wirtschaftliche Globalisierung hinaus, mit der der Begriff häufig gleichgesetzt wird. An der KOF wird sie mit einem Index gemessen, der 23 Variablen kombiniert, darunter Handels- und Kapitalströme, Beschränkungen für Kapital und Waren, das internationale politische Engagement eines Landes, und den Austausch von Informationen zwischen den Bewohnern verschiedener Länder. Durch die breite Datengrundlage kann die Globalisierung in ihre wirtschaftliche, soziale und politische Komponente zerlegt werden.
Die Ergebnisse der mit diesem Index durchgeführten Studien zeigen, dass der negative Einfluss der Globalisierung überschätzt wird. Sie hat zwar den Organisationsgrad der Gewerkschaften verringert und diese so geschwächt; über die letzten 30 Jahre hat sie aber in den OECD-Ländern weder die Höhe noch die Zusammensetzung der Staatsausgaben negativ beeinflusst. Das Gleiche gilt für die Steuern auf Konsum und Arbeit; die Steuern auf Kapital sind in Folge der Globalisierung nicht gesunken, sondern vielmehr gestiegen. Eine Studie für 123 Länder zeigt, dass die Globalisierung das Wirtschaftswachstum signifikant erhöht, und somit die absolute Armut gesenkt hat. Wäre die Schweiz beispielsweise im gleichen Umfang globalisiert wie die USA – die an der Spitze der Tabelle steht – hätte ihre Wirtschaft jedes Jahr um ungefähr einen Prozentpunkt stärker wachsen können. Könnte Ruanda vom letzten Listenplatz zu den USA aufschliessen, würde das zusätzliche Wachstum sogar 6 Prozentpunkte im Jahr betragen. Dieser Effekt geht im Wesentlichen auf die wirtschaftliche Globalisierung zurück. Soziale Globalisierung wirkt sich schwächer aus; ein Einfluss der politischen Globalisierung kann überhaupt nicht nachgewiesen werden.
Insgesamt betrachtet bringt die Globalisierung auch den Entwicklungsländern mehr Vorteile als Nachteile. Nicht die Länder, die sich geöffnet haben, zählen heute zu den ärmsten der Welt, sondern jene, in denen Bürgerkriege, Diktatoren, Korruption, ethnische Auseinandersetzungen und die Unterdrückung der Frauen den zivilisatorischen Prozess behindern – Länder, die sich der Globalisierung nicht gestellt haben.