Forum for Economic Policy

Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland



Carola Grün, cege report, p. 2, October, 2008


Niedriglohnbeschäftigung hat in der öffentlichen Wahrnehmung viele Gesichter: Mini-, Midi- und Ein-Eurojobs, Saisonverträge, aber auch gering bezahlte Arbeit in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Manche niedrig entlohnte Tätigkeiten sind von den Sozialabgaben befreit oder werden durch Transferleistungen ergänzt, andere bilden die einzige Einkommensquelle. Die Formen sind sehr unterschiedlich und somit kaum vergleichbar, so dass man nicht nur von einem, sondern von mehreren Niedriglohnsektoren sprechen könnte.


Wenn man nur die Gruppe der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, zu der in Deutschland ca. 80% aller Erwerbstätigen gehören, betrachtet, ist eine aussagekräftige Abgrenzung des Niedriglohnsektors durchaus möglich. Die Niedriglohnschwelle wird meist bei 67 Prozent des Medians der Bruttolohnverteilung aller Beschäftigten festgesetzt. Sofern für die Berechnung keine Stundenlöhne herangezogen werden können, muss Teilzeitarbeit von der Analyse ausgeschlossen werden.


Die Größe des Niedriglohnsektors gemäß dieser Definition schwankt etwas in Abhängigkeit der verwendeten Daten. Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung weisen für 2005 eine Quote von 17% aus, eine vor kurzem veröffentlichte und in der Öffentlichkeit stark beachtete Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen berechnet 22% für 2006. Hinsichtlich der Entwicklung über die Zeit und den von Niedriglohn Betroffenen herrscht hingegen Einigkeit. Niedriglohnbeschäftigung hat in den letzten 10 Jahren stetig zugenommen. Auch ist der relative Abstand zwischen (Niedrig)lohn und Niedriglohnschwelle kontinuierlich gestiegen, das heißt die Verteilung innerhalb des Niedriglohnsektors ist ungleicher geworden.


Deutschland hat damit eine andere Entwicklung genommen als beispielsweise Großbritannien. Während dort die Niedriglohnquote zwischen 1995-2005 relativ konstant ca. 20% betrug, hat sich die sogenannte Niedriglohnlücke verringert und den Werten für Deutschland angenähert (siehe Grafik).


Ein überdurchschnittliches Niedriglohnrisiko tragen in Deutschland Frauen, Beschäftigte in den neuen Bundesländern, Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Beschäftigte in Kleinbetrieben und Personen mit nicht-deutscher Staatsangehörigkeit. Niedriglohnjobs sind eher im Dienstleistungsbereich als in der Industrie zu finden, vor allem im Hotel- und Gaststättengewerbe, Einzelhandel und bei personenbezogenen Dienstleistungen (z. B. Haushaltsangestellte und Pflegekräfte).


Klassische Teilzeitarbeit (Halbtagsjob im Büro) hat ein nur leicht erhöhtes Niedriglohnrisiko gegenüber Vollzeitbeschäftigung. Anders sieht es bei geringfügig Beschäftigten (z.B. Minijobber) aus: deren Entlohnung liegt überwiegend unterhalb der hier verwendeten Niedriglohngrenze, wobei zu berücksichtigen ist, dass sie von Sozialabgaben befreit sind. Ein-Eurojobs sind meist gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten und stellen somit kein normales Arbeitsverhältnis dar.


Wie steht es um die Aufstiegsmöglichkeiten aus dem Niedriglohnsektor? Auch hier weichen Untersuchungsergebnisse in Abhängigkeit der konkreten Vorgehensweise etwas voneinander ab: Basierend auf Haushaltsdaten des SOEP für die Jahre 1998-2003 wurde gezeigt, dass männliche Niedriglohnempfänger mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 45% im darauffolgendem Jahr eine besser entlohnte Tätigkeit gefunden haben. Administrative Datenquellen wie die Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit weisen für den Zeitraum 1995-2000 eine deutlich geringere Aufwärtsmobilität aus.



Niedriglohnbeschäftigung in Deutschland
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von SOEP und BHPS.