We are sorry
Mythen und Brauchtum
Auch wenn es den heutigen Menschen nicht mehr bewusst ist, spielen Bäume in unserem Leben symbolisch noch eine große Rolle. Die Fichte galt als Sinnbild für Stärke und Hoffnung im Mittelalter.
Weihnachtsbaum als Brauchtum
Schon in der vorchristlichen Zeit stellte man zur Wintersonnenwende einen Tannenbaum (auch die Rottanne) auf. Im Jahr 1539 stand der erste christliche Weihnachtsbaum im Straßburger Münster. Goethe lernte den erleuchteten Christbaum als Student 1765 in Leipzig kennen und führte den Lichtschmuck 10 Jahre später am Weimarer Hof ein. Erst der deutsch- französische Krieg 1870/71 verbreitete den Weihnachtsbaum im Volk. Um seine Soldaten aufzumuntern, schickte König Wilhelm zu Weihnachten eine Unzahl von Fichtenbäumchen an die Front. Wieder zu Hause, übernahmen die Heimkehrer den Christbaum und etablierten ihn als festen Bestandteil der Weihnachtsfeier (Laudert, 2003). Diese Christbaumsitte hat sich seitdem über ganz Deutschland und darüber hinaus verbreitet. An Weihnachten schmücken wir den Tannenbaum, um mit seinem Grün an das Leben zu erinnern. Diese Begriffsverwirrung (Tannen-, Weihnachts- oder Christbaum) sehen die Förster meist gelassen, Hauptsache, der Baum ist echt und nicht aus Plastik. Deutschlands höchster Weihnachtsbaum 2003 war 38m lang, 100-120 Jahre alt und stand in Kronenburg. Er wurde mit 2500 Glühbirnen zum Leuchten gebracht.
Maibaumbrauch
Der Maibaum, der eine Fichte oder Birke sein kann, geht auch auf einen uralten Brauch zurück. Das ursprüngliche Frühjahrsfest unserer Vorfahren begann bereits in der Nacht zum 1. Mai, wenn die Vermählung der Erdmutter mit dem Himmel zur Förderung der Fruchtbarkeit feierlich begangen wurde (Laudert, 2003). In der Walpurgisnacht zum 1. Mai, dem Sommeranfang nach dem keltischen Kalender, gingen zahllose junge Menschen in die Wälder, um „schöpferisch“ zu sein. Wegen ihres Bezugs zur Sexualität waren solche Frühlingsfeste eine ständige Provokation für diejenigen, die nicht mitmachen konnten. Als den Menschen verboten wurde, hinaus in die Wälder zu gehen, brachten sie einfach die Bäume ins Dorf. Erstmals schriftlich festgehalten wurde der Maibaum in einer Aachener Urkunde aus dem Jahr 1225. Im 13. Jahrhundert kam der Brauch des „Einholens des Maibaumes“, der Maistange, auf und verbreitete sich über ganz Europa von den Britischen Inseln bis nach Russland (Wenng, 2004). Den höchstgelegensten Maibaum der Welt stellte man 2004 in 3000 m Höhe auf der Zugspitze auf. Aber nicht nur stattliche Bäume, sondern auch kleine Stämmchen werden im „Wonnemonat“ aufgestellt. Noch Anfang unseres Jahrhunderts setzten Dorfburschen ihrer Angebeteten in der Nacht zum 1. Mai eine kleine Birke oder Fichte vor die Tür oder das Kammerfenster, in deren Rinde zuweilen der Name des Verehrers geschnitzt war.
Abb. 27: Fichtenmaibaum ( Foto: K. Kammer)
Sagen und Märchen
In den Märchen kommt die Fichte selbst nur selten vor. Doch der Fichtenwald als Ganzes begegnet uns bei: Rotkäppchen (der Ort, wo Rotkäppchen und der Wolf sich begegnen), Hänsel und Gretel (Lebkuchenhaus steht im Fichtendickicht) und beim tapferen Schneiderlein (schnarchende Riesen unter dunklen Fichtenstämmen). Auch in der Gaunersprache wird die Fichte verwendet. „Einen in die Fichten führen“ was so viel heißt wie jemanden hinters Licht führen.
Fichte im Volksglauben
Unter Tage im Bergbau hat das Fichtenholz gute Dienste geleistet. Das Knistern des Holzes vor dem Brechen hat dem Fichten-Grubenholz im Bergbau lange Zeit einen festen Platz gesichert. Die Fichte „stöhnt“ bei Überdruck besonders laut, sagen die Bergleute; eine Warnung, die vielen von ihnen das Leben gerettet hat. Auch der phallusförmige Fichtenzapfen besitzt eine eigene Symbolik, die im Augsburger Stadtwappen deutlich wird: Weil die Heilige Afra, Schutzpatronin der käuflichen Frauen, in Augsburg als Stadtheilige verehrt wird, bringt man den Fichtenzapfen mit Sexualität in Verbindung (Laudert, 2003). Aus den harzigen Stubben der Fichte destillierte man früher im Kohlemeiler Holzteer und aus diesem wiederum Pech. Dies wurde als Schusterpech und Wagenschmiere gehandelt. Auch das Fichtenharz wurde unter den Namen „Pix burgundica“ in den Apotheken als Arznei verkauft. Schon Pfarrer Kneipp erkannte die anregenden und kräftigenden Eigenschaften des Harzes.
Der „Aufgesetzte“ aus Maispitzen gehört auch heute noch zum Repertoire von Schnapsliebhabern. Mit dem Spruch „Aufgesetzten soll man trinken, solang die Tannen grün sind“ ist die Fichte gemeint.
Abb. 28: Fichtenmaitrieb ( Foto: Kammer K.)
Das Fichtengrün als Girlande oder Türschmuck bei Hochzeiten und Festtagen ist ein Zeichen für eine ewige bzw lange währende Lebensgemeinschaft. Eine weitere Tradition hat die Fichte als Hochzeits- und Hochzeitjubiläumsbaum. Denn zur grünen (der eigentlichen Hochzeit) setzt man normale Fichten. Zur silbernen oder goldenen Hochzeit werden die Fichten mit silberner bzw. goldener Farbe angesprüht und vor die Haustür des jeweiligen Paares gestellt. Die Fichte war dem alten Volksglauben nach in der Lage, Krankheiten der Menschen auf sich zu laden. Ein Thüringer Zauberspruch hilft Gichtkranken, die Krankheit aus dem Körper auf die Fichte zu übertragen. Dazu umschritt man den ausgewählten Baum und klagte ihm mit folgendem Spruch sein Leid: Fichtenbaum ich klage dir, Drei Würmer, die stechen mir, Der eine ist grau, Der andere blau, Der dritte ist rot, Ich wollte wünschen, Sie wären alle drei tot. (Laudert, 2003).