30/11/2010: Quantitativ verbesserter Arbeitsmarkt – und qualitativ?
Im Zuge des momentanen konjunkturellen Aufschwungs entspannt sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) meldet, sei die Zahl der Arbeitslosen im November weiter gesunken, während Erwerbstätigkeit und auch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zugenommen hätten. Letztere habe nach Hochrechnung der BA im September 2010 bei 28,28 Millionen gelegen, gegenüber dem Vorjahr sei dies ein Zuwachs um 484.000. Dabei habe die sozialversicherungspflichtige Vollzeitbeschäftigung im Vorjahresvergleich um 276.000 und die sozialversicherungspflichtige Teilzeitbeschäftigung um 204.000 zugenommen.
Die von der Bundesregierung und dem Großteil der Medien verbreitetet Rede vom Jobwunder wird von der Frankfurter Rundschau allerdings relativiert. Wenn es in Deutschland mit 41 Millionen Erwerbstätigen so viele wie noch nie seit der Vereinigung gebe, so liege das daran, dass es mehr „kleine Jobs“ gebe, nicht aber „mehr Arbeit“. Das Arbeitsvolumen insgesamt sei sogar geschrumpft. Selbst im Boomjahr 2008 hätten alle Beschäftigten zusammen weniger Arbeitsstunden erbracht als 1991. An diesem langfristigen Trend habe sich nichts geändert. Wenn dennoch die Zahl der Erwerbstätigen seit 1991 um 2,4 Millionen gestiegen sei, so liege das nach Untersuchungen von Eugen Spitznagel vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) daran, dass sich die Zahl der Teilzeitstellen mehr als verdoppelt hätte. Heute arbeite jeder dritte abhängig Beschäftigte in Teilzeit. Insbesondere Minijobs hätten sich rasant verbreitet: Inzwischen gebe es mehr als sieben Millionen solcher Tätigkeiten, bei denen die Beschäftigten maximal 400 Euro im Monat verdienten. Der aktuelle Beschäftigungsrekord sei daher nur möglich, weil sich Millionen Menschen – vor allem Frauen – mit einer kleinen Stelle begnügten (siehe auch 28.10.2010).
Auch der n-tv Kommentator Manfred Bleskin äußert sich skeptisch zu den Zahlen, indem er einen differenzierteren Blick auf die Art der Beschäftigung wirft. So seien 665.000 der Erwerbstätigen Hartz-IV-Empfänger. Sie müssten ihr Einkommen "aufstocken", weil das Geld sonst zum Leben nicht reiche. Weitere knapp 200.000 als erwerbstätig erfasste Menschen absolvierten Praktika oder trainierten in Kursen, wie sie sich richtig bewerben. Mehr als eine halbe Million Erwerbstätige befänden sich lediglich in den sogenannten Arbeitsgelegenheiten. Es handele sich zumeist um Arbeitslose, die abseits des ersten Arbeitsmarkts mit öffentlichen Geldern gestützte Tätigkeiten verrichteten. Hinzu kämen noch rund 330.000 "Ein-Euro-Jobber". Wenn die Frage daher lauten müsse, „zu welchen Bedingungen gearbeitet wird“, dann sei es bis zu einem Jobwunder noch ein weiter Weg.
Quellen: BA-Presse Info 062 vom 30.11.2010
FR-online vom 30.11.2010
n.tv.de vom 30.11.2010