29/07/2014:
Situation atypisch Beschäftigter bleibt auch mit Mindestlohn oft prekär
Wenn Anfang 2015 der flächendeckende Mindestlohn von 8,50 Euro gilt, dann werden gerade auch atypisch Beschäftigte davon profitieren. Ihre Situation bleibt dennoch in vielerlei Hinsicht prekär. Eine Analyse der Politikwissenschaftlerin Karin Schulze Buschoff zeigt, welche Nachteile Leiharbeiter, Minijobber oder Solo-Selbstständige bei Einkommen, Sozialversicherung und Mitbestimmung aktuell in Kauf nehmen müssen.
- Einkommen:
Laut Analyse Schulze Buschoffs sei ein existenzsicherndes Einkommen für atypisch Beschäftigte oft schwer zu erreichen. So habe der Median-Lohn der atypisch Beschäftigten 2010 bei 10,36 Euro pro Stunde gelegen, bei den Normalarbeitnehmern seien es 17,09 Euro gewesen.
Fast die Hälfte der atypisch Beschäftigten habe 2010 für einen Niedriglohn gearbeitet. Ein Drittel der Befristeten, zwei Drittel der Leiharbeiter und vier Fünftel der Minijobber hätten weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns in Deutschland verdient.
- Integration in die Sozialversicherungssysteme:
In Teilzeit oder befristet Beschäftigte hätten formal die gleichen Rechte wie ein Normalarbeitnehmer. Nachteile drohten allerdings dort, wo die Leistungen an die Dauer der Beschäftigung oder die Höhe des Einkommens gekoppelt seien - wie bei der Renten- oder der Arbeitslosenversicherung.
Bei den Solo-Selbstständigen und Minijobbern bestünden derzeit die größten Sicherungslücken, insbesondere bei der staatlichen Altersabsicherung.
- Mitbestimmung:
Atypische Beschäftigung erweise sich auch in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung als problematisch. Dort wo es eine Interessenvertretung gebe, seien atypisch Beschäftigte oft unterrepräsentiert. Zudem seien etwa Minijobs vor allem in Branchen wie dem Handel oder dem Gastgewerbe verbreitet, die in weiten Teilen als "betriebsratsfreie Zonen" gälten.
Deutlich ungünstiger sei die Situation der Solo-Selbstständigen, für die das Betriebsverfassungsgesetz überhaupt keine Vertretung vorsehe. Noch gravierender sei die Regelungslücke bei der Werkvertragsarbeit. Betriebsräte des Einsatzbetriebs hätten kein Mandat für Beschäftigte, die per Werkvertrag tätig seien. So könnten Arbeitnehmerrechte gezielt unterlaufen werden.
- Fazit:
Der gesetzliche Mindestlohn dürfe den atypisch Beschäftigten Verbesserungen bringen. Er werde ebenso wie die geplante Erleichterung der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen dazu beitragen, den Niedriglohnanteil zu begrenzen. Viele ökonomische Vorzüge und soziale Rechte, die traditionell mit einem Normalarbeitsverhältnis verbunden seien, blieben den atypisch Beschäftigten jedoch weiterhin vorenthalten.
Quelle: Böckler impuls, Nr. 12/2014
Weiterlesen:
Schulze-Buschoff, K. (2014): Teilhabe atypisch Beschäftigter - Rechte und Chancen. Vortrag auf der SAMF-Jahrestagung, Februar 2014, Berlin.