Seddin
Die Siedlung des „Königs Hinz“?
Ausgrabungen in einem Siedlungsareal bei Seddin, Ldkr. Prignitz. Eine Siedlung bei Seddin in unmittelbarer Nähe der jungbronzezeitlichen
Großgrabhügel.
Mit dem Fundort Seddin in der Prignitz sind für
die jüngere Bronzezeit in Mittel- und Nordeuropa herausragende archäologische Funde
verbunden. Der Fundort erhält nicht nur aus der einzelnen Grablege seine
Bedeutung, sondern durch die Konzentration herausragender Objekte und
Inventare, die aufs Engste mit dem monumentalen Grabhügel des „König Hinz“ und
der ehemals weiträumigen Grabhügelgruppe in den „Wickboldschen Tannen“
verknüpft sind. Besonders das Inventar aus dem Großgrabhügel mit der Amphore und bronzenen Schälchen sowie den weiteren Beigaben wie Schwert und bronzener
Phalere liefert eine entscheidende Grundlage für Überlegungen zu den
internationalen Beziehungen von hochrangigen Personen in ihrem europäischen
Kontext. Dieses lässt sich besonders mit neuesten Untersuchungen der Amphoren
des Typs Seddin-Gevelinghausen-Vejio in Verbindung mit dem Fund aus Herzberg, Ldkr.
Ostprignitz-Ruppin, belegen.
Im Rahmen weiterer denkmalpflegerischer Maßnahmen
konnten dann seit dem Jahre 2000 das „Königsgrab“ und seine nähere Umgebung
durch Dipl.-Prähist. Jens May vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege
und Archäologischen Landesmuseum intensiv archäologisch untersucht werden.
Dabei zeigte sich, dass weitere Befunde nicht nur in einem unmittelbaren
räumlichen Zusammenhang zum Grabhügel stehen, sondern evtl. auch Teil des Monumentes
sind. Auffällig an diesen Befunden, bei denen es sich um dicht mit erhitzten
Steinen vollgepackte Gruben handelt, ist ihre Anordnung im Gelände. Diese Steingrubenreihe
bei Seddin liegt unmittelbar an einer Geländekante, die nach Norden in einen
leicht abfallenden Hangbereich übergeht. Gleichzeitig ist sie West-Ost
ausgerichtet. Damit wird noch einmal deutlich, dass die Grabanlage nicht nur
Monument ist, sondern auch eng mit der bronzenzeitlichen Kulturlandschaft
verzahnt ist.
Bereits im Jahr 2004 konnte eine Trassengrabung auf einem kleinen Plateau zwischen den „Wickboldschen Tannen“ im Norden und dem Großgrabhügel im Süden durchgeführt werden. Dabei wurde eine Vielzahl an archäologischen Befunden dokumentiert, die sich in Ansätzen zu verschiedenen Pfostenbauten und einem Wandgräbchenhaus zusammenfügen ließen. Eine engere Datierung sowie Hinweise auf eine größere räumliche Ausdehnung konnten bei dieser linearen Maßnahme nicht ermittelt werden.
Seit dem Jahr 2015 unternimmt das Seminar für Ur-
und Frühgeschichte der Georg-August-Universität Göttingen unter der Leitung von
Dr. Immo Heske Prospektionsgrabungen in verschiedenen Bereichen des zwischen
den Bestattungsplätzen liegenden Raumes. Die bisher freigelegten Befunde
umfassen Pfostenstrukturen, Siedlungsgruben und eine Vielzahl an
Gargruben/Feuergruben. Die bisher erhobenen absoluten Daten und das
Fundmaterial umfassen einen Zeitraum von der Periode V und VI nach nordischer
Chronologie und sind damit zumindest teilweise zeitgleich mit der Bestattung im
„Königsgrab“. Die Finanzierung erfolgte durch die Denkmalhilfe des Landes
Brandenburg, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur. Es hat sich
eine sehr enge Zusammenarbeit mit dem Brandenburgischen Landesamt für
Denkmalpflege und Archäologischen Landesmuseum, der örtlichen Denkmalpflege im
Landkreis Prignitz und weiteren Akteuren entwickelt.
Seit Februar 2023 erfolgt nach Antragstellung durch Prof. Dr. Franz Schopper (Landesarchäologe BLDM) und Dr. Immo Heske eine Projektförderung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. Hierdurch sind erstmals großflächige, ausgedehnte Grabungen möglich geworden, welche auf die Erfahrungen der bisher durchgeführten Prospektionsgrabungen aufbauen. Begleitend werden zusätzliche geomagnetische Prospektionen durchgeführt. In der ersten Kampagne im Forschungsprojekt wurde im März 2023 ein sehr großer Bau entdeckt, der sich durch Wandgräbchen und Steinkonstruktionen auszeichnet. Aufgrund der enormen Größe wurde der Befund abgedeckt, das Areal dankenswerterweise aus der landwirtschlichen Nutzung ausgeklammert und dann im Oktober/November 2023 eingehend untersucht. Aufgrund der Nähe zum „Königsgrab“, seiner bisherigen Singularität im bronzezeitlichen Hausbau waren und sind weiterführende Untersuchungen vorzunehmen. Hierzu zählen verschiedene naturwissenschaftliche Methoden und eingehende Studien zur Konstruktionsweise unter besonderer Berücksichtigung der Gebäudebreite und der Steineinbauten.
Die „Halle des Königs“ wurde am 01. November 2023 der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Die umfangreiche Berichterstattung kann auf dieser Seite verfolgt werden:
Literatur:
Heske, I., Dierkes, L.: Bronzezeit
erhofft, Steinzeit gefunden. Endneolithische Holzfunde am Ufer der Stepenitz
bei Seddin, Lkr. Prignitz. Archäologie in Berlin und Brandenburg 2022.
2024, 57-60.
Heske, I.: Großspeicher oder
Opferschacht? Ein ungewöhnlicher Befund am „Königsgrab“ bei Seddin. Archäologie
in Berlin und Brandenburg 2021. 2023, 46-49.
Heske, I.: Schwarze Steine, weißer
Sand! Eine neue Befundgattung an der Siedlung des König Hintz bei Seddin als
Hinweis auf eine zugezogene Bevölkerungsgruppe. Archäologie in Berlin und
Brandenburg 2019. 2021, 55-59.
Heske, I.: Zwischen Königsgrab und
Wickbold 1 – Jungbronzezeitliche Siedlungsreste in der Sakrallandschaft bei
Seddin in der Prignitz. Vorbericht über die Prospektionsgrabungen der Jahre
2015 bis 2018. Prähistorische Zeitschrift 94, 2019, 210-232.
May, J., Hauptmann, T. 2010:
Zerstört- vergessen – wiederentdeckt. Das Gräberfeld in den Wickboldschen
Tannen bei Seddin, Lkr. Prignitz. Archäologie in Berlin und Brandenburg 2008.
2010, 49-51.
May, J., Hauptmann, T. 2012: Das
"Königsgrab" von Seddin und sein engeres Umfeld im Spiegel neuer
Feldforschungen. In: D. Bérenger, J. Bourgeois, M. Talon, S. Wirth (Hrsg.),
Gräberlandschaften der Bronzezeit. Internationales Kolloquium zur Bronzezeit,
Herne 15.-18. Oktober 2008. Bodenaltertümer Westfalens 51. Darmstadt 2012,
77-104.
Metzner-Nebelsick, C. 2003: Das
„Königsgrab“ von Seddin in seinem europäischen Kontext. In: Das Königsgrab von
Seddin in der Prignitz. Kolloquium anlässlich des 10. Jahrestages seiner
Freilegung am 12. Oktober 1999. Arbeitsberichte zur Bodendenkmalpflege in
Brandenburg, 9, 2003, 35-60
Schwarzländer, S. 2005: Mit Blick
auf das „Königsgrab“. Ungewöhnliche Siedlungsspuren in Seddin, Lkr. Prignitz.
Archäologie in Berlin und Brandenburg 2004. 2005, 52-55.