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Rede von Herrn Prof. Heitefuß auf der Deutschen Pflanzenschutztagung 1992 in Göttingen

40 Jahre Forschung und Lehre im Pflanzenschutz an der
Georg- August-Universität Göttingen. - Versuch einer Bilanz

(erschienen in: Mitt. Biol. Bundesanst. 35 Land-Forstwirtsch. 283,1992.)

Zum ersten Mal in der langjährigen Kette der Deutschen Pflanzenschutztagungen ist die Stadt Göttingen bzw. die Georg-August-Universität der Austragungsort. Zwar können wir Ihnen hier weder ein Pflanzenschutzamt noch ein Institut der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft bieten, wenn auch das Pflanzenschutzamt in Hannover und die BBA in Braunschweig fast als Nachbarn zu bezeichnen sind. Aber immerhin haben wir hier an der landwirtschaftlichen Fakultät, offiziell dem Fachbereich für Agrarwissenschaften, ein Institut für Pflanzenpathologie und Pflanzenschutz vorzuweisen, das in enger Beziehung zu unserer traditionellen PS-Tagung steht.

Es fügt sich günstig, dass diese Pflanzenschutztagung in das Jahr 1992 fällt, gibt dies uns doch die Gelegenheit, mit Ihnen zusammen auch eine Art inoffizielles Jubiläum zu begehen. Im Jahr 1952, also vor 40 Jahren wurde die Landwirtschaftliche Fakultät als 7. Fakultät der Göttinger Universität begründet, nachdem sie vorher nur als Abteilung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät galt. Und ebenfalls im Jahr 1952 wurde der erste Neubau des Instituts für Pflanzenpathologie und Pflanzenschutz unter Professor W.H. Fuchs bezogen, der 1951 auf den gleichnamigen Lehrstuhl berufen wurde. Dieses nunmehr "alte" Institut, manchen von Ihnen noch ein Begriff, ist inzwischen dem modernen Neubau der Universitätsbibliothek gewichen, den sie unweit von hier in den nächsten Tagen sicher werden bewundern können. Mag dies ein Zeichen dafür sein, wie schnelllebig die heutige zeit geworden ist, so sollte doch gerade ein Anlass wie heute einmal genutzt werden, sowohl zurückzublicken und Bilanz zu ziehen, als auch auf dieser Basis nach vorn zu schauen. Lassen Sie mich dies in selbstkritischer, aber wohl auch allgemeinkritischer Weise zunächst im Bezug auf die Forschung und dann in Bezug auf die Lehre an unserem Institut und an unserer Fakultät versuchen.

Forschung als das systematische Bemühen um Erkenntnisfort- schritt spielt sich nicht nur isoliert im so genannten Elfenbeinturm der Wissenschaft ab, sondern ist in vielfältiger Weise in die Gesellschaft, -heute würden wir sagen in die gesellschaftspolitischen Rahmenbedinqungen-, eingebunden. Das gilt ganz besonders für die Agrarwissenschaften auch in Göttingen von ihrem Beginn an. Ich kann hier die Anfänge der Landwirtschaftswissenschaften in Göttingen nicht im einzelnen nachzeichnen, es sind Träger berühmter Namen, wie zum Beispiel Professor Johannes Beckmann (1739-1811), der als Kameralist gegen Ende des 18.Jahrhunderts zuerst über die Landwirtschaft Vorlesungen gehalten, Versuche über die Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse angestellt hat und einen Versuchsgarten anlegte, der später in den noch heute existierenden Botanischen Garten überging. Zu seinen Hörern hat wahrscheinlich auch Albrecht Thaer gehört, der wohl als der eigentliche Begründer der Landwirtschaftswissenschaften gelten kann. Andere berühmte Namen sind Wöhler (1800-1882), der ein Agrikulturchemisches Laboratorium einrichtete, Henneberg (1825-1896) der sich vor allem der Fütterungslehre widmete und unter den Pflanzenbauern Drechsler (1833-1890), v. Seelhorst (1853-1930) und Tornau (1886-1982). Sicherlich sind im Rahmen des Acker- und Pflanzenbaues auch pflanzenpathologische Fragen bearbeitet worden, so wurde zum Beispiel der Erbsennematode, Heterodera gö07-Jul-2008 um 1900 zuerst beschrieben.

Als selbständiges Forschungsgebiet begann die Pflanzenpathologie in Göttingen aber erst mit der Berufung von W.H. Fuchs im Jahre 1951, der mit einer ungewöhnlichen Breite das Institut und die Forschung im Pflanzenschutz auf- und ausbaute. Obwohl von Haus aus Biologe und Chemiker, vor allem an der Universität Halle aber sehr stark durch die dortige Schule um Roemer und durch den amerikanischen Gastprofessor J.C. Stakman beeinflusst, verstand er es dennoch, sowohl den Bereich der Grundlagenforschung insbesondere zu den physiologisch- biochemischen Wechselwirkungen zwischen Wirtspflanze und Parasit, als auch grundlegende und aktuell drängende Fragen des praktischen Pflanzenschutzes in das Spektrum der Arbeiten einzubeziehen.

Hintergrund waren sicherlich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer Zeit, die noch in die Nachkriegsjahre fiel, in der das primäre Ziel der Landwirtschaft in der Erhöhung der Erträge und der Sicherstellung der Nahrungsgrundlage für die Bevölkerung lag, die weitaus geringere Ansprüche an Qualität oder sogar Luxus stellte, als dies heute der Fall ist. Der chemische Pflanzenschutz befand sich noch in bescheidenen Anfängen, die spätere stürmische Entwicklung begann sich aber schon abzuzeichnen. Themen der ersten Dissertationen aus dieser Zeit betrafen zum Beispiel die innertherapeutische, insektizide Wirkung des Cyanamids (Kunz 1953), die Regenbeständigkeit von Spritzbelägen (Vogelsänger 1955), die Ausbreitung der damals in Niedersachsen vom Osten einwandernden Rübenblattwanze (Lassak 1953). Es ging auch ganz früh schon um Themen, die heute noch oder wieder aktuell sind, z.B. die Beeinflussung der Milbenfauna eines Ackerbodens durch Pflanzenschutzmittel (Baring 1955). Mehrere Arbeiten wurden zur Erfassung der Insektenfauna auf Zuckerrübenfeldern im Raum Göttingen durchgeführt und würden heute eine gute Vergleichsbasis für die Beurteilung der inzwischen eingetretenen Veränderungen darstellen (Prilop 1956, Lücke 1959).

Ein anderer Schwerpunkt der Arbeiten lag auf der Charakterisierung der physiologisch-biochemischen Veränderungen der Pflanze mit dem Ziel, die Ursachen der Anfälligkeit und Resistenz besser verstehen zu lernen und daraus für die Resistenzzüchtung weitere Schlüsse ziehen zu können (Kotte 1955, Rohringer 1957).

Aus den zahlreichen Arbeiten aus dieser Zeit sei nur noch eine erwähnt, nämlich die erste Beschreibung von Polymyxa betae, dem überträger der Rizomania, durch Keskin (1964), eine Entdeckung, an der auch Gärtner' einen wesentlichen Anteil hatte. Fuchs, unterstützt von seinen langjährigen Mitarbeitern Bombosch und Großmann und vielen anderen leitete das Institut bis 1971, anschließend übernahm ich den Lehrstuhl und kann nunmehr ebenfalls auf eine mehr als 20jährige Tätigkeit zurückblicken. Der Beginn meiner Arbeit fiel praktisch mit dem Umzug in das neue, großzügige Institutsgebäude in Weende zusammen. Die entomologische Abteilung unter dem leider früh verstorbenen Kollegen Wilbert, seit 1985 Poehling und die mykologische Abteilung unter Fehrmann wurden weiter ausgebaut. Eine bakteriologische Gruppe unter Rudolph und eine physiologisch-diagnostische Gruppe unter Wolf gewannen Konturen, um nur diese Weggefährten vieler Jahre hier zu nennen und damit auch gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass die alte Institutsstruktur, die allein auf den Ordinarius zugeschnitten war, schon längst der Vergangenheit angehört.

Wenn ich versuche, die Forschungsaktivitäten und Ziele aller Abteilungen und Gruppen des Instituts in einem kurzen Satz zusammenzufassen, so könnte dieser etwa so lauten: Ziel unserer Arbeiten war und ist es, die wissenschaftlichen Grundlagen eines Integrierten Pflanzenschutzes zu erarbeiten und in Form zueinander passender Bausteine der Beratung zur überprüfung und der Praxis zur Nutzung zur Verfügung zu stellen.

Sicherlich ein weitgestecktes Ziel. Was haben wir auf dem Weg dahin erreicht oder wo war es vielleicht auch ein Irrweg und wie müssen die Weichen für die Zukunft gestellt werden? Diese Frage zu beantworten ist ja der Sinn unserer Bilanz. Ich muss mich auch hier auf die wichtigsten Aspekte beschränken.

In den Bereichen Physiologie und Cytologie der Wirt-Parasit Beziehungen haben unsere Arbeiten zwar das grundlegende Wissen sowohl bei ausgewählten Mykosen als auch Bakteriosen verbessert. Freimütig müssen wir jedoch bekennen, dass wir die Ursachen der Resistenz immer noch nicht im Detail oder im Zusammenspiel charakterisieren und den Resistenzzüchtern als einfache Kriterien zur Selektion an die Hand geben können. War und ist dieses Ziel vielleicht zu hoch gesteckt? Werden die Biochemiker und Pflanzenphysiologen, die sich in letzter Zeit verstärkt dem Gebiet zuwenden, die Antwort finden? Oder liegt hier der Schlüssel in der Molekularbiologie und Molekulargenetik? Die Grundlage, diesen Bereich in Zukunft stärker in die Arbeit des Instituts mit einzubeziehen, haben wir mit der übernahme der Räume und Ausrüstung und zum Teil auch des know-how der ehemaligen Abteilung für Molekulargenetik der GSF (Prell) gelegt. Hier hat uns dankenswerter Weise die Universität und die Deutsche Forschungsgemeinschaft den Start ermöglicht, aber wie wird es bei einer knapper werdenden Finanzdecke in Zukunft aussehen?

Diagnose und Prognose sind ebenfalls wichtige Bausteine des Integrierten Pflanzenschutzes oder bescheidener, des gezielten Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Traditionelle oder neue Verfahren zum Nachweis der Pathogene, ELISA-Test und als Zukunftsvision die DNA-Sonden (Wolf), Weiterentwicklung des Halmbruchwarndienstes, Erfassung der Resistenz des Erregers gegen Fungizide (Fehrmann), Erarbeitung von Befalls/Verlustrelationen zur Ableitung von wirtschaftlic07-Jul-2008 des Weizens gehören dazu. Weiterhin sind Arbeiten über Abbau und Nebenwirkungen von Pflanzenschutzmitteln im Boden und andere Projekte zu nennen, von deren Fortschritten Sie sich in Vorträgen und Postern in den nächsten Tagen informieren können und die ich hier im Einzelnen nicht vorstellen kann.

Neue und weiterführende Ansätze für den biologischen Pflanzenschutz, sei es im Bereich der Pilzkrankheiten (Wolf) oder nun schon mit langjähriger Kontinuität durchgeführte Vorhaben zur besseren Schonung und Nutzung von tierischen Antagonisten gegenüber Schädlingen, insbesondere Blattläusen (Poehling, Kuo), sind als ein wichtiges, mit großer Intensität betriebenes Arbeitsgebiet im Institut vertreten. Und nicht zuletzt die umfangreichen Projekte zur Entwicklung und Anwendung von Schadensschwellen bei der Unkrautbekämpfung in Getreide und Raps.

Insbesondere die zuletzt genannten Arbeiten stehen in enger Kooperation mit einer Einrichtung unserer Fakultät, die als das "Forschungs- und Studienzentrum Landwirtschaft und Umwelt" in den letzten Jahren ganz wesentlich zur Intensivierung der interdisziplinären Forschung beigetragen hat. Schon der Name dieses Zentrums zeigt, wie sich die Schwerpunkte verschoben haben. Umweltverträgliche, umweltschonende Landbewirtschaftung, ist das nur ein Schlagwort, eine Modeerscheinung oder steckt doch mehr dahinter? Beginnen wir langsam zu begreifen, dass die Resourcen auf unserer Erde nur begrenzt sind? Zweifellos gibt es bei der in beängstigender Weise zunehmenden Weltbevölkerung ganz andere Dimensionen der Umweltbelastung: Industrie, Autoverkehr etc.. Vor dem Hintergrund der Bevölkerungsexplosion erscheint es zwar absurd, dass wir in der Landwirtschaft der EG mit einer überproduktion zu kämpfen haben. Aber das ist die Realität, die uns zwingt, durch eine Extensivierung der Produktion d.h., weniger Mineraldüngung, weniger chemischen Pflanzenschutz, Flächenstilllegung etc. die überschüsse zu reduzieren. Wir haben uns die Frage zu stellen, wo in diesem Zusammenhang unsere Aufgaben in der Forschung liegen. Sie werden über das interdisziplinäre Vorhaben INTEX am Forschungs- und Studienzentrum, das noch von Wahmhoff eingeleitet wurde, in den Vorträgen morgen einiges hören. Wir bemühen uns, Möglichkeiten und Konsequenzen einer Extensivierung sowohl in produktionstechnischer als auch in ökologischer, aber auch in ökonomischer Hinsicht aufzuzeigen. Eins wird uns und sollte auch der öffentlichkeit immer mehr bewusst werden: Landwirtschaft jeder Art und Intensität kann nicht im strengen Sinne des Naturschutzes betrieben werden, allenfalls z.B. bei der Erhaltung von Flächen mit speziellen Vegetationen durch Beweidung oder Wiesennutzung das wäre dann eine Maßnahme der Landespflege, die der Landwirt durchaus bei entsprechender Honorierung übernehmen kann.

Sie werden vielleicht schon kritisieren, dass ich mich vom Thema des Vortrages "Forschung im Pflanzenschutz" entferne. Aber dem ist nicht so, der Pflanzenschutz gehört in diesen weiteren Rahmen mit hinein. Das heißt, wir haben die Fragen zu beantworten, unter welchen Bedingungen man in einem System der integrierten Landbewirtschaftung mit vorbeugenden Kulturmaßnahmen zur Verminderung der Schadenswahrscheinlichkeit auskommt, wo nach wie vor der gezielte, chemische Pflanzenschutz seinen Platz hat und wie die Effektivität der Chemie mit möglichst geringen Nebenwirkungen auf den Na22-Jun-2007Zusammenhang auch die Forschung mit Hilfe des biologischen, technischen und methodischen Fortschrittes ausdrücklich einzubeziehen ist, brauche ich wohl kaum zu betonen, auch wenn ich auf weitere Einzelheiten dazu hier nicht eingehen kann.

Besonders für die Bereiche unserer angewandten, praxisorientierten Forschung stellen wir uns auch immer wieder die kritische Frage, ob wir mit unseren Ergebnissen die Beratung und Praxis auch tatsächlich erreichen. In einigen Fällen mag dies zutreffen, insbesondere dann, wenn auch in Gemeinschaftsversuchen z.B. mit dem amtlichen Pflanzenschutzdienst spezielle Verfahren und Methoden überprüft werden. In anderen Fällen sind wir über die Resonanz in der Praxis eher enttäuscht. Woran liegt das? Sind unsere Vorschläge doch noch zu "theoretisch" und praxisfern, oder werden sie von der Beratung zu zögernd an die Praxis herangetragen? Oder ist der einzelne Landwirt einfach überlastet oder auch nicht aufgeschlossen genug? Scheut er den Beobachtungsaufwand, um z.B. nach Bekämpfungsschwellen oder Schadensschwellen zu arbeiten? Oder ist die Beurteilung des Risikos bei routinemäßigem im Vergleich zu gezieltem Pflanzenschutz nicht korrekt? Hier liegt meines Erachtens noch ein weites und aussichtsreiches Feld, und zwar im Sinne einer besseren Umsetzung gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis.

Forschung und Lehre sind nach Auffassung der Universität untrennbar miteinander verbunden. Der eine Bereich lebt in seiner Aktualität vom anderen. Dies gilt auch für die Lehre in der Phytomedizin, so die offizielle Bezeichnung des Faches an den deutschen Hochschulen. Sie wissen, dass wir im Rahmen des Studiums der Agrarwissenschaften im 3. Semester für alle studierenden mit einer Grundvorlesung beginnen. Vom 3. Studienjahr an, d.h. vom 5. Semester bis zum Diplom kommen nur noch diejenigen zu uns, die als eine der drei Studienrichtungen die Pflanzenproduktion gewählt haben. Wir versuchen, so weit als möglich in Vorlesungen, Praktika, Seminaren und Exkursionen das an Wissen zu vermitteln, was ein Diplomagraringenieur später braucht bzw. bei dem er wissen muss, wie die Dinge einzuordnen sind. In zunehmenden Maße wird dieses Angebot auch von Biologen angenommen, die Phytomedizin als Fach im Biologie-Diplom wählen können und davon engagiert und offenbar gern Gebrauch machen.

Wie sich das Studium der Agrarwissenschaften in Zukunft entwickeln wird, hängt bei der insgesamt zurückgehenden Bedeutung der Landwirtschaft sicher auch davon ab, ob und wie sich die Agrarwissenschaftlichen Fakultäten den sich ändernden Rahmenbedingungen und gesellschaftspolitischen Forderungen gegenüber aufgeschlossen zeigen. In Göttingen beginnt in diesem Semester eine 4. Studienrichtung "Landwirtschaft und Umwelt". Die drei Pflichtfächer sind bisher mit folgenden Bezeichnungen konzipiert:

  • Ökologie der Agrarlandschaft
  • Landwirtschaftliche Produktionsverfahren und deren Umweltwirkungen
  • Wirtschaftliche, rechtliche und planerische Grundlagen der Gestaltung von Agrarlandschaften.

Auch das Angebot der Wahlpflichtfächer soll erweitert werden, so z.B. um die Fächer Naturschutz und Naturraumgestaltung, Organischer Landbau, sowie Umweltanalytik und ökotoxikologie.

Dass gerade die Phytomedizin und der Pflanzenschutz wichtige Beiträge zur Lehre in dieser neuen Studienrichtung leisten müssen, dürfte außer Zweifel stehen. Zwar sind diese Aspekte schon seit langem in unsere Lehrveranstaltungen mit einbezogen worden, eine Intensivierung ist aber durchaus möglich und erforderlich. Wichtig für die jungen Diplomlandwirte oder Diplomagraringenieure ist aber auch, dass in ihrem Diplomzeugnis eine vertiefte Kenntnis im Umweltbereich bestätigt wird, offenbar eine unerlässliche Voraussetzung dafür, in entsprechende Positionen in der Verwaltung und in der Wirtschaft überhaupt hineinzukommen und ernst genommen zu werden. Es ist zu hoffen, das wir mit dieser neuen Studienrichtung, bei der wir auch in Konkurrenz zu anderen Fakultäten stehen, dieses Ziel erreichen werden.

Lassen Sie mich aber noch einmal zu Lehre und Studium der Phytomedizin zurückkommen. Schon seit langem war uns allen klar, dass am Ende des Studiums der Agrarwissenschaften in der Studienrichtung Pflanzenproduktion mit insgesamt drei Pflicht- und drei Wahlfächern kein Spezialist der Phytomedizin oder des Pflanzenschutzes in seiner Gesamtheit stehen kann. Viele von Ihnen kennen die Diskussion um die Verbesserung der Ausbildung, gegebenenfalls über ein spezialisiertes Studium der Phytomedizin hin zum "Pflanzenarzt". Ich glaube, die heutige Erfahrung lehrt uns, dass es richtig war, nicht diesen Weg der Spezialisierung des Studiums von Anfang an zu gehen, sondern an das Studium der Agrarwissenschaften mit seiner breiten, auch praxisbezogenen Basis oder an das stärker grundlagenbezogene Studium der Biologie ein Aufbaustudium anzuschließen, in dem die vertiefende Ausbildung in dem immer noch sehr breiten Bereich der Phytomedizin mit den verschiedenen Spezialdisziplinen erreicht werden kann. Dieser Weg mit einer durch Ministerialerlass abgesicherten Prüfungsordnung wurde so konsequent bisher nur in Hohenheim und Göttingen gegangen. In diesem Rahmen werden bei uns 10 verschiedene Teilfächer angeboten, aus denen der Aufbaustudent 5 Fächer auswählen muss, also z.B. Mykologie, Bakteriologie, Entomologie, Nematologie, Virologie, Herbologie, aber auch Pflanzenschutzmittelkunde und Applikationstechnik oder Integrierter Pflanzenschutz. In jedem der gewählten Fächer ist eine mündliche Prüfung abzulegen, zusätzlich muss eine experimentelle Arbeit angefertigt werden. Bei erfolgreichem Abschluss wird der Magistertitel M. sc. agr. verliehen.

Die hohe Akzeptanz des Aufbaustudiums, das oft mit dem ebenfalls geforderten Doktorandenstudium kombiniert wird, zeigt uns, dass wir in dieser Form wohl den richtigen, wenn auch für uns oft mühsamen Weg gewählt haben. Dass die Durchführung überhaupt in dem Umfang, trotz einer begrenzten Zulassung mit Numerus clausus möglich war, haben wir auch dem langjährigen Engagement der Kollegen der BBA und des Pflanzenschutzdienstes zu danken, die als Lehrbeauftragte hier die Virologie, die Nematologie sowie die Pflanzenschutzberatung und Applikationstechnik vertreten haben. Dass wir dies in Zukunft weiter so durchhalten können, ist trotz der restriktiven Vergabe der Lehraufträge bei der chronischen Mittelknappheit des Landes zu hoffen.

Gleichwohl bleiben in diesem Zusammenhang Defizite. Obwohl z.B. in den "Mitteilungen der Phytomedizin" und bei anderen Gelegenheiten ausführlich über die Aufbaustudiengänge Phytomedizin berichtet wurde, ist diese Information bei den potentiellen Arbeitgebern unserer Absolventen in Industrie oder Behörden kaum oder nur wenig angekommen. Offenbar sind wir nicht genügend nach dem Grundsatz verfahren "Tue Gutes und rede darüber"! Hier sehe ich eine große Gefahr. Wenn die erbrachte Leistung nicht als Wettbewerbsvorteil genutzt werden kann, d.h. die Arbeitgeber sie z.B. nicht auch durch Einbeziehung in die Laufbahnregelungen honorieren, dann wird es in absehbarer Zeit kein Aufbaustudium der Phytomedizin mehr geben. Auch dies gehört in die Bilanz hinein, die ich für die Lehre heute zu ziehen habe. Hier sehe ich eine ganz wichtige Aufgabe der Deutschen Phytomedizinischen Gesellschaft. Werben Sie dafür, dass ein derartiges Aufbaustudium auch an anderen Hochschulen eingerichtet wird. Machen Sie es noch attraktiver, indem Sie zum Beispiel kurze Praktika für Aufbaustudenten in Ihren Betrieben oder im Pflanzenschutzamt oder den Landesanstalten anbieten. Dies wird letzten Endes auch dem Arbeitgeber zu gute kommen, indem er qualifizierte Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter auswählen kann.

'Natürlich gibt es auch hier Gegenargumente, die vor einer Verlängerung des Studiums und einer Verlängerung der Doktorandenzeit warnen. Ich persönlich sehe aber keine realistische und zukunftsweisende Alternative, vor allem nicht darin, auf spezialisierte Kurzstudiengänge im Sinne der Fachhochschulen auszuweichen. Im Gegenteil, inzwischen gehen z.B. auch die Intentionen der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG in diese Richtung, d.h. es werden so genannte Graduiertenkollegs eingerichtet, in denen die Doktorandenausbildung gefördert und auf eine breitere Basis gestellt werden soll. Der Weg dazu ist allerdings über entsprechende Anträge nicht ganz einfach. Wenn wir vor kurzem mit der Genehmigung für das Graduiertenkolleg "Landwirtschaft und Umwelt" am Göttinger Fachbereich Agrarwissenschaften gemeinsam mit den Kollegen aus dem Fachbereich Biologie erfolgreich waren, so zeigt auch dies die Richtung an, in die wir in Zukunft in interdisziplinärer Zusammenarbeit gehen wollen.

Damit haben wir den großen Bogen von der Forschung zur Lehre geschlagen und hier schließt sich eigentlich auch der Kreis. Beide Bereiche werden gemeinsam von Lehrenden und Lernenden getragen. Besonders augenfällig wird das in dem Verhältnis zwischen dem Doktoranden, der im wesentlichen die aktive Forschung betreibt und seinem Betreuer, -früher sprach man hier vom Doktorvater-, der mit seiner Erfahrung die Richtung und das Ziel vorgibt und nicht selten nicht nur der Gebende, sondern viel häufiger auch der Nehmende ist.

Diese Erfahrung habe ich jedenfalls in meiner nun über 25jährigen Arbeit als Hochschullehrer machen können. Und dafür gestatten Sie mir im Rahmen dieses Rück- und Ausblickes ein persönliches Wort des Dankes an alle Kolleginnen und Kollegen, Doktorandinnen und Doktoranden und nicht zu vergessen die technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mich auf diesem Weg zum Teil über viele Jahre begleitet haben und die eigentlich erst das ermöglichten, was ich Ihnen heute in zusammengefasster Form vorstellen konnte.

Lassen Sie mich schließen mit einem Zitat von G. Drechsler, Professor der Landwirtschaftslehre an unserer Universität in Göttingen von 1869-1890, das in etwas abgewandelter Form nicht nur für den Landwirt, sondern auch den Pflanzenpathologen gerade in unserer zeit gelten kann, das aber vor allem auch in die Zukunft weist.

"Ein Fortschritt entwickelt sich auf dem Gebiet der Landwirtschaft nur aus einer lebendigen Wechselwirkung zwischen Wissenschaft und Leben, zwischen Forschung und Erfahrung, zwischen Theorie und Praxis und deshalb ist es von großer Bedeutung, dass der Landwirt von der Universität nicht nur einige Kenntnisse mit in das praktische Leben hinüber nimmt, sondern sich die Fähigkeit erwirbt, dauernd mitzuarbeiten an der Lösung der großen Aufgabe jeder wissenschaftlichen Arbeit, den Irrtum zu beseitigen und die Wahrheit zu finden".

Literatur:

  • Anonym, Die landwirtschaftliche Fakultät der Universität Göttingen - Aus ihrem Werden und Wirken. K. Goltze KG, Göttingen 1953 Georg-August-Universität Göttingen, Jahresforschungsbericht 1989/1990,
  • K. Goltze KG, Göttingen, 1992 Heitefuß R., Phytomedizin im Spannungsfeld zwischen Forschung und Praxis. Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz. 642-647, 1974
  • Heitefuß R., Forschungsprioritäten in der Pflanzenproduktion. Agrarforschung Ende des 20. Jahrhunderts. Vorträge anläßlich der 1. Mitgliederversammlung der Gesellschaft der Freunde der Landwirtschaftlichen Fakultät Göttingen, 1989.