Akademie-Präsident, Prof. Herbert W. Roesky, überreicht den beiden Wissenschaftlern aus Frankreich ihre Urkunden



Als Gäste der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen können der Mathematiker und Wissenschaftshistoriker, Prof. Norbert Schappacher aus Strasbourg, und der Chemiker, Prof. Pavel Rosmus aus Marne la Vallée, einige Monate in Göttingen forschen und mit ihren Kollegen einen wissenschaftlichen Gedankenaustausch pflegen. Die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen hat die so genannte Gauß-Professur zum hundertsten Todestag des bedeutenden Mathematikers eingerichtet, der von 1807 bis zu seinem Tod 1855 Direktor der Göttinger Universitätssternwarte war. Die Professur geht vorzugsweise an Wissenschaftler im Ausland, die sich um die von Gauß vertretenen Fächer Astronomie, Geophysik, Mathematik und Physik verdient gemacht haben. Sie berechtigt die Preisträger zu einem bis zu sechsmonatigen Aufenthalt in Göttingen, die Kosten dafür trägt die Akademie. Der Forschungsaufenthalt ist mit keinerlei Verpflichtungen verbunden. Der Gast hat jedoch das Recht, an der Universität Vorlesungen oder Vorträge zu halten und an den Sitzungen der Akademie teilzunehmen.

Der Präsident der Göttinger Akademie, Prof. Herbert Roesky, hieß die Preisträger willkommen und überreichte ihnen die Urkunden. Schappacher und Rosmus betonten beide, dass es sie sehr „glücklich“ mache, wieder in Göttingen zu sein.

Schappacher ist mit der Stadt gut vertraut. Vor 17 Jahren hat er im Auftrag der Mathematiker-Vereinigung und in Zusammenarbeit mit der Handschriftenabteilung der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen ein Zentralarchiv für Mathematikernachlässe ins Leben gerufen, das auch heute noch solche Nachlässe erfolgreich sammelt und erfasst. Seitdem trifft er sich einmal im Jahr mit seinen Kollegen der Nachlasskommission in Göttingen. Während seines diesjährigen Forschungsaufenthaltes möchte Schappacher an einer Biographie über Felix Bernstein arbeiten. Bernstein hat 1924 in Göttingen die Blutgruppenvererbung herausgefunden und damit die Grundlage für Vaterschaftstests gelegt. Darüber hinaus arbeitet Schappacher gemeinsam mit seinem Kollegen, Prof. Samuel Patterson vom Mathematischen Institut, an der Herausgabe unveröffentlichter Schriften des Mathematikers Kurt Heegner.

Rosmus möchte seinen Aufenthalt nutzen, um mit seinem Kollegen, Prof. Peter Botschwina vom Institut für Physikalische Chemie, an Projekten zu arbeiten, die neue Erkenntnisse über physikalische und chemische Prozesse in der Atmosphäre der Erde und anderer Planeten bringen. Zu Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet weilte er bereits 2001 für zwei Monate als Gast des Sonderforschungsbereichs 357 („Molekulare Mechanismen unimolekularer Prozesse“) in Göttingen und hat das wissenschaftlich fruchtbare Klima an der Universität und am Max-Planck-Institut für Strömungsforschung schätzen gelernt. Die gegenwärtigen theoretischen Untersuchungen sind vor allem positiv und negativ geladenen Ionen des Ozon-Moleküls gewidmet, welche in den höheren Schichten der Erdatmosphäre eine wichtige Rolle spielen. Zudem beschäftigt sich Rosmus derzeit im Auftrag der NASA damit, Licht in die Bedeutung des Kohlendioxid-Kations für die Hemisphäre des Planeten Mars zu bringen.
Gemeinsam mit Roesky möchte Rosmus auch Beiträge zum Verständnis der Bildung und Verwendung des Minerals „Ultramarin“ liefern. Roesky fragt sich beispielsweise, warum der Ultramarin nicht auf älteren Wandzeichnungen in Europa zu finden ist.

Rosmus freut sich besonders, in Göttingen überall auf Spuren großer Wissenschaftler zu treffen, bedauert aber zugleich, wie mit diesem Erbe umgegangen wird: „Schade, dass nicht einmal das Gras auf dem Grab von Max-Planck entfernt wird.“ Verwundert äußerte sich der Besucher auch über den Verkauf des Instituts, in dem einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts und Nobelpreisträger, Werner Heisenberg, gearbeitet hat.



Zu den Preisträgern:


Prof. Norbert Schappacher wurde 1950 in Essen geboren und studierte in Bonn, Göttingen und Berkeley Mathematik und Philosophie. Nach seiner Promotion (1978) in Göttingen war er bis zu seiner Habilitation 1986 Assistent bei Prof. Martin Kneser am Mathematischen Institut in Göttingen. Anschließend erhielt er ein Heisenbergstipendium, das ihm ermöglichte, am Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn zu arbeiten. 1991 wurde Schappacher an der Université Louis Pasteur in Strasbourg zum Professor ernannt. Ende 2001 folgte er einem Ruf an die Technische Universität Darmstadt, kehrte aber 2004 wieder nach Strasbourg zurück. In den vergangenen Jahren widmete sich Schappacher zunehmend mathematikgeschichtlichen Themen. Unter anderem verfasste er eine Geschichte des Mathematischen Instituts Göttingen in der kritischen Zeit 1929-1950. 2007 erschien das von Schappacher zusammen mit Goldstein, Paris, und Schwermer, Wien, herausgegebene Buch zur Entwicklung der Zahlentheorie nach Gauß’ bahnbrechendem Werk Disquisitiones Arithmeticae von 1801.

Prof. Pavel Rosmus wurde 1938 in Prerov (Tschechische Republik) geboren. Er studierte und promovierte an der Technischen Hochschule Dresden. Von 1968 bis 1971 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Heyrovský-Institut für Physikalische Chemie der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften und widmet sich seit dieser Zeit der Theoretischen Chemie. 1981 habilitierte sich Rosmus an der Universität Frankfurt und wurde dort zum außerplanmäßigen Professor ernannt. 1993 wurde er an die neu gegründete Université de Marne la Vallée berufen und hat dort gemeinsam mit Prof. Gilberte Chambaud die international angesehene Abteilung für Theoretische Chemie aufgebaut. Im Jahr 2000 wurde Rosmus vom französischen Kultusminister zum Mitglied des Institute Universitaire de France ernannt, dem er als einziger Theoretischer Chemiker angehört.