Die Suche nach Mangi Meli - Identifikation von Opfern aus kolonialen Unrechtskontexten

Im ausgehenden 19. Jahrhundert hatte Deutschland zahlreiche Kolonien in Afrika, Asien und im Pazifik. Ausbeutung und Unterdrückung der indigenen Bevölkerungen wurden begleitet vom Raub zahlreicher Kulturgüter und menschlicher Gebeine. Bei diesen sog. „human remains“ handelte es sich überwiegend um Schädel, welche für Forschungszwecke nach Deutschland gebracht wurden. Die Nachfahren der kolonialzeitlichen Opfer fordern seit langem die Rückgabe ihrer Kulturgüter und vor allem auch der geraubten Gebeine. Eine dieser Familien ist die von Isaria Anael Meli. Er ist Enkel des berühmten Anführers des Chagga-Volkes, Mangi (Swahili für König) Meli. 1900 wurden im heutigen Tansania, seinerzeit Deutsch-Ostafrika, die Aufstände der indigenen Bevölkerungen brutal und blutig niedergeschlagen und die Anführer, darunter Mangi Meli, hingerichtet. Die Köpfe der Ermordeten wurden abgetrennt, entfleischt und anschließend ins Deutsche Kaiserreich versendet. Ursprünglich im Besitz von bspw. Felix von Luschan, lagern diese menschlichen Überreste seither in musealen und universitären sowie vereinzelt auch privaten Sammlungen.

Jahrzehnte lang ungehört, konnte den Forderungen der Familie Meli erst durch die Unterstützung von NGOs wie Berlin Postkolonial e.V. und Flinn Works Gehör verschafft werden: die tansanische Regierung forderte die Deutschen Museen zu Berlin auf, in ihren Sammlungsbeständen nach dem Schädel des Chagga-Königs zu suchen. Recherchen in den historischen Archivalien der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und biologisch-anthropologische Untersuchungen konnten einige Schädel in der Sammlung identifizieren, bei denen es sich um das Haupt des Mangi Meli handeln könnte.

In der Abteilung Historische Anthropologie wurden mit Hilfe molekulargenetischer Untersuchungen die väterlichen Familienlinien (Y-chromosomale Marker) der infrage kommenden Schädel mit der DNA von Melis Enkel verglichen. Auch wenn hier bisher noch keine Übereinstimmung gefunden werden konnte, ermutigte diese Untersuchung jedoch Nachfahren der anderen im Jahr 1900 ermordeten Chagga dazu, ebenfalls ihre DNA für Vergleiche zur Verfügung zu stellen. Bei diesen Abgleichen konnten Übereinstimmungen für zwei Familien gefunden werden: die Schädel des Anführers Mangi Molelia von Kibosho und seines Bruders sowie des Akidas (Ministers) Sindato Kiutesha Kiwelu aus Moshi konnten durch unsere Analysen den Familienlinien zugeordnet und damit namentlich identifiziert werden (Beitrag im Deutschlandfunk).

Sowohl die Suche nach dem Haupt des Mangi Meli als auch die Identifikationsbestrebungen der anderen geraubten Chagga sollen fortgeführt werden.

In dem Film "Das leere Grab" (Berlinale 2024) wird die Problematik um die Suche der Nachfahren nach den geraubten Gebeinen ihrer Vorfahren eindrucksvoll thematisiert.

Pressespiegel