Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert Göttinger Graduiertenkolleg
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Einrichtung des Graduiertenkollegs (GRK) „Mobilitätsrechte im globalen Kontext multipler Krisen“ an der Universität Göttingen unter Beteiligung der Sozialwissenschaftlichen Fakultät.
In krisenhaften Zeiten wie diesen ist die Zahl der Menschen, die vor Krieg oder Verfolgung fliehen müssen, so hoch wie nie. Gleichzeitig wird Migration selbst zunehmend als gesellschaftliche Krise problematisiert. Das Graduiertenkolleg bringt zwölf Forschende der Philosophischen, der Sozialwissenschaftlichen und der Juristischen Fakultät der Universität Göttingen zusammen, um in Promotionsprojekten der Frage nachzugehen, wie in diesem Zusammenspiel aus Migration und Krise Mobilitätsrechte weltweit unter Druck geraten, aber auch stabilisiert werden können. Der interdisziplinäre Austausch ermöglicht es zu untersuchen, wie Migrationsbewegungen mit Rechten ausgestattet und reguliert werden. Er zeigt aber auch auf, dass Recht selbst Gegenstand gesellschaftlicher Debatten ist und wie über Recht Politik gemacht wird.
„Die Entwicklung eines Ansatzes, der Rechts- und Migrationsforschung im Sinne eines interdisziplinären Dialogs im Rahmen der Ausbildung von Promovierenden miteinander verbindet, ist im deutschen Raum einzigartig“, sagen die GRK-Sprecherinnen Prof. Dr. Sabine Hess vom Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie und Prof. Dr. Angela Schwerdtfeger von der Juristischen Fakultät. „Wir wollen dazu beitragen, eine rechtliche Perspektive in der empirischen Migrationsforschung zu etablieren. Nachwuchsforschende gelangen so zu einem differenzierteren und kompletteren Verständnis davon, wie Recht und Gesellschaft sich gegenseitig bedingen.“ Dabei können sie vom Austausch mit zwei assoziierten hochrangigen Richterinnen und internationalen Forschenden profitieren. Zusätzliche Vernetzungsmöglichkeiten bietet das Forschungsumfeld des Zentrums für Globale Migrationsstudien der Universität Göttingen. Für das GRK sind Fördermittel in Höhe von mehr als 7 Millionen Euro beantragt, die Laufzeit beträgt fünf Jahre.
Aus der Sozialwissenschaftlichen Fakultät sind die folgenden Wissenschaftler*innen beteiligt:
Prof. Dr. Alexander-Kenneth Nagel aus der Soziologie wird die Research Area verantworten, die sich mit der Rolle religiöser Akteure bei der Ankunft und Aufnahme von Geflüchteten beschäftigt. Mit Blick auf die ‚socio-legal‘ Perspektive des Kollegs betrifft dies z.B. Fragen des Kirchenasyls oder die (mitunter als „Glaubensprüfung“ kritisierte) Indienstnahme religiöser Expert:innen im Rahmen des Asylverfahrens.
Aus politikwissenschaftlicher Perspektive wird Prof. Dr. Anja Jetschke Forschung über die Frage anleiten, welche geregelten Einwanderungsmöglichkeiten ("legale Migrationswege") Internationale Organisationen entwickeln, um unkontrollierte Migration zu reduzieren. Regionale Organisationen setzen diese Politik um, gestalten die legalen Migrationswege aber unterschiedlich aus. Das Projekt erforscht, wie diese Unterschiede durch regionale Bedürfnisse, Interessen einflussreicher Mitgliedsländer und die jeweiligen Organisationsmandate erklärt werden können.
PD Dr. Peter Birke vom Soziologischen Forschungsinstitut (SOFI) wird (gemeinsam mit Olaf Deinert) ein Cluster zum Thema „Mobility Rights in the context of labour” leiten. Dabei geht es unter anderem um die Frage, wie sich (möglicherweise eingeschränkte) Mobilitätsrechte auf Arbeitsmärkte und Arbeitsverhältnisse auswirken. Hier wird auch gefragt, wie im Spannungsfeld von Arbeitskräftemangel und der Forderung nach Grenzschließungen sich die derzeitige Entwicklung von Rechtssystemen und Rechtsdeutungen darstellt.
Ein weiteres Forschungsvorhaben in der Soziologie wird an der Schnittstelle „Sozialstaat-Wohnen-Arbeit-Migration“ unter der Leitung von Prof. Timo Weishaupt, PhD entstehen. Trotz des formal gleichen Zugangs zu Wohnen und Arbeiten im Rahmen des deutschen Rechtsstaats erleben in der Praxis gerade Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte eine Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, welche wiederum den Zugang zur Erwerbstätigkeit erschwert – dieser Zusammenhang gilt auch umgekehrt. Unter Anwendung des socio-legal Ansatz soll hier eine dezidiert kritische und intersektionale Perspektive eingenommen werden, die explizit die Ungleichheiten im Zugang und im Wirken des Rechts in den Vordergrund rückt und die sozialen Folgen systematisch herausarbeitet.
Darüber hinaus ist Prof. Dr. Elfriede Hermann aus dem Institut für Ethnologie mit einem Forschungsvorhaben beteiligt.