29/01/2014:
Wenn der Mindestlohn endlich kommt, profitieren nur Wenige

Das von der Großen Koalition geplante Gesetzesvorhaben zur Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns ist noch gar nicht als Tiger gestartet, da wird bereits deutlich, dass es als Bettvorleger landen wird. Nicht nur, dass die von interessierter Seite betriebene Aufweichung durch Ausnahmeregelungen bis zu zwei der gut 5,2 Millionen Geringverdiener leer ausgehen lassen würde (siehe 27.01.2014). Bis zur Einführung des Mindestlohns ab Januar 2015 wird der Kreis der potenziellen Anspruchsberechtigten vermutlich um weitere 700.000 schrumpfen, da sie aufgrund der bis dahin eintretenden Lohnsteigerungen (leicht) über die Schwelle von 8,50 Euro gleiten dürften. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

Einer Pressemitteilung des DIW zufolge sei die Zahl der potenziell Anspruchsberechtigten von etwa 5,7 Millionen im Jahr 2011 um 500.000 auf rund 5,2 Millionen im Jahr 2012 gesunken. Bis zur Einführung des gesetzlichen Mindestlohns im Jahr 2015 würden es allein wegen Lohnsteigerungen noch einmal 700.000 Arbeitnehmer weniger sein, prognostiziere der DIW-Arbeitsmarktexperte Karl Brenke anhand von Zahlen des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Aktuell verdienten mehr als 700.000 Menschen zwischen 8,00 und 8,50 Euro in der Stunde. Setze man eine Lohnsteigerung von 2,3 Prozent wie zuletzt voraus, würrden sie 2015 mehr als 8,50 Euro erhalten.

Völlig ungeklärt sei bislang, ob und wie Arbeitnehmer berücksichtigt werden, die einen sehr niedrigen Stücklohn oder Pauschallohn pro Tätigkeit erhielten. Sollten auch diese Arbeitnehmer ausgeklammert werden, so schrumpfe der Kreis der potenziellen Mindestlohnbezieher um weitere 600.000. Und wenn zudem die jetzt diskutierten Ausnahmeregelungen für Rentner, Schüler und Studenten umgesetzt würden, dann fielen knapp eine weitere Million Arbeitnehmer als Anspruchsberechtigte weg.

2012 hätten insgesamt rund 15 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland einen Stundenlohn erhalten, der unterhalb der von der Politik geplanten Mindestlohngrenze lag. In Ostdeutschland sei das jeder vierte Arbeitnehmer, im Westen jeder siebte gewesen. Bei ihnen handele es sich vor allem um Arbeitnehmer, die einfache Tätigkeiten ausübten, um Frauen, Beschäftigte in Ostdeutschland sowie Minijobber, Rentner, Schüler und Studenten. Wäre schon in jenem Jahr ein flächendeckender Mindestlohn eingeführt worden, so hätten die Bruttolöhne dieser Arbeitnehmer im Schnitt um 38 Prozent angehoben werden müssen.

Quelle: DIW-Pressemitteilung vom 29.01.2014

Weiterlesen:
Brenke, K. (2014): Mindestlohn: Zahl der anspruchsberechtigten Arbeitnehmer wird weit unter fünf Millionen liegen. In: DIW Wochenbericht, 81. Jg., Nr. 5, S. 71-77.