DFG-Projekt "Die Hymnen in der koptischen Liturgie des Weißen Klosters in Oberägypten" (01.07.2016-30.06.2019)


Projektleiterin: Dr. Diliana Atanassova

Die Bibliothek des Weißen Klosters in Sohag, Oberägypten, auch bekannt als das Kloster von Apa Schenute (ca. 361/62-465), ist eines der wichtigsten noch erhaltenen koptischen Kulturgüter aus dem ersten Jahrtausend nach Christus. Sie ist von enormer Bedeutung für die Koptologie und zeichnet sich durch besondere literarische Vielfalt wegen der beträchtlicher Anzahl von sahidischen Pergament- und Papierblättern (ca. 10.000) aus, die aus der Zeit zwischen dem 9. und 12. Jh. datieren und frühere Texte zurück bis in die Zeit Apa Schenutes überliefern. Bedauerlicherweise sind die Blätter in diversen Sammlungen in Europa, Afrika und den USA verstreut. Dem typisch koptologischen Phänomen der verstreuten Blätter und deren Rekonstruktion wird seit den Anfängen der Koptologie bis heute höchste Priorität eingeräumt. Mit Ausnahme der Lektionare wurde den anderen liturgischen Quellen aus den Bibliotheksbeständen des Weißen Klosters wenig Beachtung entgegengebracht. Diese Situation hat sich im letzten Jahrzehnt als Ergebnis des FWF-Projektes P20143-G02 "Die Typika des Schenute-Klosters" erheblich verändert. Das vorliegende Vorhaben ist ein Folgeprojekt dieser Arbeit.
Ziel des Folgeprojektes ist es, die alphabetischen Akrosticha sowie die "Poiekon"- und "Trisagion"-Hymnen aus der Liturgie des Weißen Klosters zu identifizieren, edieren, übersetzen und untersuchen sowie ihre Kodexzugehörigkeit zu bestimmen. Außerdem wird das Folgeprojekt den "Sitz im Leben" dieser Hymnen innerhalb der koptischen Liturgie als Ganzes und besonders in der Liturgie des Weißen Klosters behandeln.
Sowohl das vorherige als auch das vorliegende Projekt bearbeiten die Handschriften aus dem Weißen Kloster, die als Typika bekannt sind und die liturgische Kodizes darstellen, die aus verschiedenen Teilen (= Libelli) für die priesterlichen Assistenten wie Diakon, Kantor und Lektor bestehen. Bislang sind mindestens 18 solche Kodizes bekannt, die nur fragmentarisch erhalten sind. Sie beinhalten diverse Libelli wie z.B. die Perikopen- und Hymnendirektorien, Diakonalien sowie verschiedene Verzeichnisse. Einige der Libelli können als Hymnendirektorien bestimmt werden. Der Schwerpunkt des Folgeprojektes liegt nur auf solchen Direktorien, die den ganzen Text der diversen Hymnen für den Kantor auf Griechisch (alphabetische Akrosticha und "Trisagion"-Hymnen) oder auf Griechisch mit seiner koptischen Übersetzung ("Poiekon"-Hymnen) wiedergeben.
Laut Corpus dei Manoscritti Copti Letterari (Tito Orlandi) haben die Kodizes mit Typika die Siglen MONB.AW und NP, sowie alle Buchstaben von MONB.WA bis WT. Die Siglen der Kodizes, die die Akrosticha, die "Poiekon"- und "Trisagion"-Hymnen beinhalten, lauten MONB.NP, WA, WE, WL, WT.
Der Zugang zu den liturgischen Quellen in diesem Vorhaben ist von der kodikologischen Perspektive einer Koptologin aus, deren wissenschaftliches Ziel ist es, die Originaltexte für weitere Erforschung den Fachleuten der Koptologie und besonders der ostkirchlichen Liturgiewissenschaft zur Verfügung zu stellen. Das Projekt leistet einen wichtigen Beitrag zur Untersuchung der Hymnographie der koptischen und byzantinischen Tradition als Ganzes und stellt einen weiteren wichtigen Schritt in der Erforschung, Bewahrung und Erhellung des Erbes des Weißen Klosters und der Liturgie, die dort zelebriert wurde, dar. Die Forschungsstätte ist das Seminar für Ägyptologie und Koptologie der Georg-August-Universität, in enger Zusammenarbeit mit dem Vorhaben "Digitale Gesamtedition und Übersetzung des koptisch-sahidischen Alten Testaments" an der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen.