Kommentierte Edition des Briefwechsels zwischen Wilhelm Raabe und dem Braunschweiger Westermann-Verlag


RaabeDie literarische Modellierung überschaubarer Regionen als Mikrokosmen menschlicher Tragödien und Komödien gehört zu den Signaturen des Poetischen Realismus. Autoren wie Theodor Storm und Wilhelm Raabe (1831-1910) trugen auf diese Weise die nordfriesische bzw. die niedersächsische Landschaft gleichsam in die weltliterarische Landkarte ein: Texte wie Wilhelm Raabes postum so genannte Weser-Trilogie (Das Odfeld, Höxter und Corvey, Hastenbeck) oder sein die Frühmoderne mit eröffnendes Altersfragment Altershausen, als dessen Schauplätze Braunschweig und Stadthagen identifizierbar sind, gelten als Musterbeispiele dieses Verfahrens. Unter Wilhelm Raabes Verlegerbeziehungen erwies sich diejenige zum Braunschweiger Verlag von George Westermann (1810-1879), einem der einflussreichsten literarischen Verlage jener Zeit, als die komplexeste, aber auch die fruchtbarste. Hatte der Dichter seine Werke vorher in wechselnden Verlagen veröffentlicht, so erschienen seine Romane und Erzählungen zwischen 1873 und 1884 überwiegend bei Westermann. Wilhelm Raabes Zusammenarbeit mit dem Verlag Westermann setzte bereits zu Beginn seiner schriftstellerischen Laufbahn ein, gefördert durch die erst freundschaftliche, später aber angespannte Beziehung Raabes zu Adolf Glaser, dem Redakteur von Westermann’s Illustrierten Deutschen Monatsheften. Im Novemberheft 1857 der ein Jahr zuvor gegründeten Monatshefte erschien Raabes Novelle Der Student von Wittenberg. Zu dieser Zeit nannte der Dichter sich noch Jakob Corvinus und war trotz seiner viel genannten Chronik der Sperlingsgasse noch wenig bekannt. Ab 1862 war Wilhelm Raabe zugleich Autor des Buchverlages. Etwa 45 Romane, Novellen, Erzählungen und andere Arbeiten wurden durch den Buchabdruck oder den Erstabdruck in den Monatsheften an die Leserschaft vermittelt. Dichterisches Selbstverständnis und literarischer Markt, Kritik an zeitgenössischen Verhältnissen und Familienblattlektüre, der Balanceakt zwischen dem Autonomieverlangen der Literatur und dem Publikumsgeschmack – wie sich diese steten Gegensätze sowohl auf den Schreibprozess als auch auf die Rezeption Raabe’scher Texte auswirkten, lässt sich mithilfe einer kritischen Edition und wissenschaftlichen Kommentierung der Korrespondenz Wilhelm Raabes mit dem Verlag Westermann sichtbar machen.
In Zusammenarbeit mit dem Unternehmensarchiv des Verlages Westermann in Braunschweig und dem Stadtarchiv Braunschweig entsteht nun eine kommentierte Edition des Briefwechsels zwischen Wilhelm Raabe und dem Verlag Westermann am Lehrstuhl von Heinrich Detering.
Die meisten erhaltenen Briefe werden im Stadtarchiv Braunschweig und im Unternehmensarchiv des Verlages Westermann, Braunschweig, aufbewahrt. Hinzu kommen Manuskripte, Verlagsverträge, Honorarquittungen und Werbematerialien, die erschlossen und nutzbar gemacht werden sollen.
Die Brieftexte werden nach der Handschrift oder dem Abklatsch der Handschrift im entsprechenden Kopierbuch des Verlages Westermann zeichengetreu konstituiert und unter Berücksichtigung der Materialität der Schriftträger, der Briefbeilagen und der verlorenen, aber zu erschließenden Briefe vollständig ediert. Jedem Brief wird ein Kommentar beigegeben, der die Entstehungs-, Überlieferungs- und Rezeptionsgeschichte beleuchtet sowie Text- und Zeitbezüge erläutert. Ziel ist eine übersichtliche Edition des Briefwechsels, die für unterschiedlichste literarische, sozial- und mediengeschichtliche und biographische Auskünfte benutzbar ist.

Das Projekt wird von der Stiftung Niedersachsen gefördert.

Projektleitung
Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Detering

Mitarbeiterin
Dr. Anne Petersen