Preisträgerin 2023

Die systematische Untersuchung elektronischer Eigenschaften in Festkörpern trägt wesentlich dazu bei, grundlegende Phänomene in der Festkörperphysik zu verstehen und gewährt Einblicke in die komplexen Wechselwirkungen zwischen Elektronen. In ihrer Doktorarbeit beschäftigte sich Dr. Anna Seiler mit den kollektiven Wechselwirkungen zwischen Elektronen in Festkörpern, die komplexe Quanteneffekte wie Magnetismus oder unerwartetes isolierendes Verhalten auslösen können. Diese Phänomene werden derzeit intensiv erforscht, da sie nicht nur unser Verständnis der Grundlagen der Festkörperphysik vertiefen, sondern auch mögliche Anwendungen in Quantencomputern ermöglichen könnten.

Normalerweise erfordert die Erforschung von solchen Wechselwirkungseffekten äußerst komplexe Probensysteme, in denen Elektronen dazu gebracht werden, in besonderen Energiezuständen, sogenannten „flachen Energiebändern“, zu verweilen. Während ihrer Dissertation hat Dr. Anna Seiler jedoch eine neue und deutlich einfachere Methode genutzt, um die Wechselwirkungen zwischen Elektronen zu untersuchen: Sie präparierte Doppellagen-Graphen, ein natürlich vorkommendes Material das aus zwei einzelnen Atomlagen von Kohlenstoffatomen besteht. An dieses Material legte sie starke elektrische Felder an und konnte so einen Zustand generieren, in dem Elektronen besonders gut wechselwirken können.

Durch Messungen des Widerstands bei extrem niedrigen Temperaturen unter -270°C stellte sie fest, dass sich das Doppellagen-Graphen aufgrund verschiedener Quanteneffekte entweder elektrisch isolierend, magnetisch oder metallisch verhielt. Besonders faszinierend war die Beobachtung, dass sich die Elektronen in einem topologisch nicht-trivialen Elektronenkristall zu ordnen schienen. Ein solcher Zustand wurde erstmals während der Dissertation von Dr. Anna Seiler experimentell beobachtet, obwohl er bereits zuvor theoretisch vorhergesagt worden war.

Die Arbeit wurde von Prof. Dr. Thomas Weitz vom I. Physikalischen Institut der Universität Göttingen betreut und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des SFB 1073 (Projekt B10) gefördert.