Röntgenanalytik mit Protonenstrahlen

Protonen sind die Atomkerne des Wasserstoffatoms. Wir ionisieren also Wasserstoffatome, indem wir ihr einziges Elektron entfernen und erhalten Protonen, die eine positive Elementarladung tragen.
Protonen sind die leichtesten geladenen Atomkerne, gefolgt von Heliumkernen (auch Alphateilchen), die vier mal schwerer sind und die doppelte positive Ladung tragen.

Protoneninduzierte Röntgenemission (particle induced X-ray emission, PIXE) ist eine Methode zur Elementanalyse, die 1972 von Sven E.A. Johansson aus Lund, Schweden, entwickelt wurde. Seither wird die Methode in vielen Labors zur Multielementanalyse und zur Spurenelementanalyse eingesetzt. Durch technische Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Detektoren für Röntgenstrahlung, der Realisierbarkeit an Luft extrahierter Protonenstrahlen sowie der Entwicklung komfortabler Auswertesoftware wurde die Methode in den letzten Jahren immer weiter verbessert. Im Keller des Louvre-Museums in Paris, Frankreich, befindet sich ein Teilchenbeschleuniger des Museums. Der Accélérateur Grand Louvre d’analyse élémentaire (AGLAE) produziert Strahlen von Protonen und Alphateilchen (Heliumkerne), um die Kunstwerke des Museums zu untersuchen AGLAE Louvre Wikipedia und AGLAE Louvre Labor.
Eine Variante der PIXE Methode nutzt Heliumkerne an Stelle von Protonen. Mit Hilfe eines starken Alphastrahlers kann so, ohne einen Beschleuniger zu benötigen, ein kompaktes PIXE Spektrometer aufgebaut werden. So ein Spektrometer ist auf dem Mars Rover installiert und analysiert derzeit die Zusammensetzung von Marsgestein. Mars rover PIXE.

In Göttingen steht uns ein sehr ähnlicher Beschleuniger zur Verfügung. Wir erzeugen damit Protonsntrahlen, die mit 2,5 Millionen Volt Spannung beschleunigt werden. Durch eine 0,2 Mikrometer dünne Diamantmembran mit 1 mm Durchmesser wird der Protonenstrahl an Luft geführt. Dort befindet sich das zu untersuchende Objekt, in dem die Röntgenstrahung erzeugt wird. Die Röntgenstrahlung wird detektiert und gibt Aufschluss über die Elementzusammensetzung des Objekts. Bis auf die leichten Elemente wie Sauerstoff, Stickstoff oder Kohlenstoff können wir alle Elemente, die in der Natur vorkommen identifizieren, also z.B. auch Gold, Platin oder gar Uran. Vorteil der Messung an Luft ist es, dass wir auch größere Objekte wie Keramikgefäße, Teller, Gemälde, Werkzeugteile, große Steine und Mineralien und größere Schmuckobjekte wie Halsketten und Armbänder untersuchen können. Wir können uns dabei immer einen 1 mm großen Bereich des Objekts zur Analyse heraussuchen. Die Messung dauert ca. 1-2 Minuten, die Auswertung nochmals ca. 5 Minuten oder automatisiert nur 10 Sekunden pro Objekt.

Wodurch zeichnet sich die PIXE Methode aus?

- Protonen oder Heliumkerne erzeugen nur sogenannte charakteristische Röntgenstrahlung, mit der (fast) jedes Element in der Probe eindeutig identifiziert werden kann.
- Im Gegensatz zur konventionellen Erzeugung von Röntgenstrahlung, die mit beschleunigten Elektronen arbeitet, gibt es keine unspezifische Bremsstrahlung.
- Aus Energie und Intensität der charakteristischen Röntgenstrahlung kann die Konzentration eines Elements in der untersuchten Probe bestimmt werden.
- In fast allen Fällen ist die Untersuchung zerstörungsfrei. Man sieht also nachher nicht, welche Probenstelle untersucht wurde. Man muss auch kein Material von der Probe entfernen.
- Ausnahmen: Papier, Zellstoff etc wird sich dunkel verfärben, manche Gläser oder Edelsteine können sich etwas verfärben.
- der Protonenstrahl hat einen sehr kleinen Durchmesser von nur 1mm. Damit kann ein ganz bestimmter Punkt auf der Probe, z.B. die Farbe eines bestimmten Bildpunktes von einem Gemälde analysiert werden.
- die Protonen dringen ca. 50 Mikrometer in die Probe ein. Genau dieser Tiefenbereich wird auch analysiert. Für die meisten Objekte ist das repräsentativ für die Zusammensetzung im Volumen der Probe. Wir können aber auch Proben mit einer Schichtstruktur, z.B. ein Porzellanteller mit Glasur und darunterliegenden farbigen Ornamenten analysieren. Wir sehen dann sowohl die Zusammensetzung der Glasur als auch die Zusammensetzung der Farbe.

Keine Röngtenmethode kann leichte Elemente wie Wasserstoff, Lithium, Bor, Kohelnstoff, Stickstoff und Sauerstoff nachweisen. Wir können aber mit Hilfe der Protonen auch Gammastrahlung induzieren. Auf diese Weise können wir z.B. Fluor nachweisen, und erkennen, ob z.B. ein Zahn eine Fluorbehandlung erhalten hat. Mit Protonenstreuung können wir auch die übrigen leichten Elemente detektieren, jedoch nicht ganz so einfach wie eine Röntgenanalyse.
Der Protonenstrahl wird mit unserem Beschleuniger auf eine Energie von 2,5 Millionen Elektronenvolt beschleunigt. Das erfolgt durch zweimaliges Beschleunigen mit einer Spannung von 1.237.000 Volt und einer Vorbeschleunigung von 26.000 Volt. Danach haben die Protonen eine Geschwindigkeit von ca. 22000 Kilometer pro Sekunde. Das sind immerhin 7 % der Lichtgeschwindigkeit. Von der Ionenquelle an fliegen die Protonen im Vakuum. Die Protonen werden dann durch eine nur 0,2 Mikrometer dicke Membran aus Diamant oder Siliziumnitrid an Luft extrahiert. Der Durchmesser der Membran beträgt 1 mm2. An Luft wäre die Reichweite der Protonen ca. 10 cm bis sie ihre gesamte Energie verloren haben. Aber nach nur 5 mm Flugstrecke befindet sich das zu untersuchende Objekt. Die Protonen dringen dort ca. 50 Mikrometer tief ein und erzeugen Röntgenstrahlung. Diese tritt aus dem Objekt aus und wird von einem Röntgendetektor nachgewiesen. In der Luft vor dem Objekt wird auch Röntgenstrahlung erzeugt und zwar von dem ca. 1% Anteil des Edelgases Argon. Röntgenstrahlung von Argon wird also immer detektiert und dient uns als Kalibrierung. Der Detektor is bei uns in 40 mm Abstand zum Objekt unter einem Winkel von 45 Grad zur Protonenrichtung positioniert. Der Detektor ist ein spezielle gekühlte Siliziumdiode.

Messaufbau zur Messung einer Münze
An der Spitze des Metallkegels befindet sich die Austrittsmembran für den Protonenstrahl. Der Röntgendetektor ist in der grauen PVC-Hülle rechts davon untergebracht. Der Protonenstrahl trift auf eine kleine Stelle der Münze.
PIXE Messaufbau - Silbermünze


Über der Austrittsmembran sind zwei Justierlaser montiert, die sich genau 5 mm nach der Membran kreuzen und so den Punkt markieren an dem die Probe positioniert werden muss. Durch den Laser können wir so die Stelle der Probe auswählen, die wir untersuchen möchten. Als Beispiel ist im Bild ein indischer Porzellanteller gezeigt, bei dem die Justierlaser die Mitte des dunkelblauen Buchstabens "T" markieren. Genau für diesen Bereich erhalten wir die Röntgenstrahlung und damit die Elementzusammensetzung der dunklen Farbe des "T" als auch einer eventuell darüberliegenden Glasurschicht und die Zusammensetzung des unter dem "T" liegenden Porzellans.

Wir müssen das Objekt nur mit einem Tuch oder besser mit etwas Alkohol reinigen. Danach wird das Objekt mit den Justierlasern ausgerichtet und die Messung beginnt. Schon nach wenigen Sekunden zeigt sich die Röntgenstrahlung der hauptsächlich in dem Objekt vorhandenen Elemente. Der Protonenstrom beträgt dabei nur 0,005 Mikroampère. Eine Messung dauert üblicherweise 2 Minuten. Damit kann man auch Spurenelemente mit Konzentrationen von 0.005 Gewichtsprozent, manchmal auch weniger, detektieren. Bis auf sehr wenige Ausnahmen ist die Messung zerstörungsfrei. Man kann nach der Messung nicht mehr erkennen, dass eine bestimmte Stelle des Objekts analysiert wurde. Das Objekt ist nach der Messung auch nicht radioaktiv. Die Energie der Protonen ist so niedrig gewählt, dass eine Aktivierung durch protoneninduzierte Kernreaktionen nicht stattfindet. Zur Sicherheit wird jedes untersuchte Objekt von uns daraufhin nach der Messung überprüft.

Die Röntgenspektren der Objekte werden dann ausgewertet und liefern uns die Elementzusammensetzung.

Probenkamera-Ansicht eines indischen Porzellantellers
An der Spitze des Metallkegels bedindet sich die Austrittsmembran für den Protonenstrahl. Der Röntgendetektor ist in der grauen PVC-Hülle links davon untergebracht. Der Protonenstrahl trift auf den durch die Justierlaser markierten Punkt im Zentrum des Buchstaben "T".
Messaubau-1


Wir können fast alles analysieren, jedoch:
Die Methode ist ähnlich wie Röntgenfluoreszent (XRF) weitgehend zerstörungsfrei. Manche Proben sind aber empfindlich gegenüber Bestrahlung mit ionisierender Strahlung (Röntgenstrahlung, Gammastrahlung, Protonen, Alphastrahlung). Auch ultraviolettes Licht kann schädigend sein (z.B. Sonnenbrand). Daher können sich manche Gläser oder auch Edelsteine leicht verfärben. Papier ist nach der Bestrahlung etwas dunkler oder sogar schwarz. Weisses Porzellan oder weisse Farbe kann leicht grau werden. Organische Materialien können sich stark verändern. Bei solche Proben ist also Vorsicht geboten.