In der gegenwärtigen Situation erleben Studierende durch die Corona-Pandemie Einschränkungen, die unter anderem auch das wissenschaftliche Schreiben betreffen: Auch wenn durch die Lockerungen schon etwas mehr Kontakt möglich ist, fehlt nicht wenigen Studierenden der direkte Austausch über das eigene Schreibprojekt mit den Lehrenden und den Kommiliton*innen im Real Life. Den Tag zu strukturieren, ohne die Notwendigkeit, die Wohnung für Veranstaltungen oder Treffen mit der Referatsgruppe zu verlassen, fällt vielen schwer. Dasselbe gilt für die Organisation des eigenen Schreibens: Eine fehlende Struktur mündet nicht selten in fehlender Motivation und ‚Schreibunlust‘. Daher möchten wir mit unseren Tipps zum wissenschaftlichen Schreiben allen Studierenden (nicht nur) in Corona-Zeiten weiterhelfen!

Verschaffen Sie sich einen Überblick über den gesamten Arbeits-/ und Schreibprozess und die dazugehörigen Arbeitsphasen, -schritte und Aufgaben.

Brechen Sie das gesamte Projekt systematisch in lösbare und erreichbare Teilschritte herunter. So stehen Sie nicht vor einem unüberwindbar erscheinenden Berg, sondern vor einer Reihe gut überschaubarer, erreichbarer Meilensteine, die in nicht allzu großem Abstand voneinander den Weg zum Ziel säumen. So behalten Sie den Überblick über das gesamte Projekt, Ihre Fortschritte und anstehende Aufgaben. Dabei können Ihnen Schreibphasenmodelle und Projektpläne helfen:

Abb Schreibphasen

Abb Projektplan Meilensteine

Tipps für die Zeit-/ Projektplanung:

Beginnen Sie so früh wie möglich mit dem Schreibprozess, d. h. damit, ein Thema zu finden und einzugrenzen, relevante Literatur ausfindig zu machen, und auf deren Basis die Fragestellung und ein Konzept zu entwickeln. Damit legen Sie das Fundament Ihrer weiteren Arbeit:

Abb Begründungsschritte

Gehen Sie auch davon aus, dass nicht immer alles genauso klappen wird, wie Sie es geplant haben. Es kann zum Beispiel dadurch zu Verzögerungen kommen, dass Sie auf Literatur oder auf Rückmeldung Ihrer Betreuer*innen warten müssen. Vergessen Sie auch nicht, dass das Schreiben wissenschaftlicher Texte eine komplexe Aufgabe ist, die Ihnen kognitiv hohe Leistungen abverlangt. Sie benötigen daher auch zwischenzeitlich Inkubationszeiten, in welchen Inhalte reifen und weitergedacht werden können – sie benötigen also Zeit, um Ideen, Gedanken und Argumente auszuprobieren, weiterzuentwickeln oder zu verwerfen. Tipp: Auch dabei hilft besonders das niedrigschwellige Schreiben, zum Beispiel im Arbeitsjournal (siehe unten) oder in der Rohfassung.

Wissenschaftliches Schreiben ist epistemisches, also erkenntnisgenerierendes Schreiben. Aus einer ersten Rohfassung entsteht durch deren (mehrfache) Überarbeitung ein kommunikativer, also erkenntniskommunizierender Text. Das Schreiben stellt in der (sozial-) wissenschaftlichen Praxis eines Ihrer wichtigsten Denkinstrumente dar:

„Schreiben und Textproduktion [bedingen] häufig die Aneignung und Erweiterung des eigenen Wissens. Schreiben markiert einen Übergang zu einem neuen Wissensstand, der im Schreiben entsteht. Schreiben und Textproduktion […] sind ein geeignetes Medium des Denkens, über das sich Gedanken generieren und ausbauen und Erkenntnisse in neuer Qualität gewinnen lassen. Damit ist Schreiben ein permanenter Übergang zu Gedanken und Wissen, die erst im Schreibprozess verfertigt und dann gewusst werden.“ (Lehnen/Schindler 2017: 19-20, Hervh. hinzugefügt)

Ganz einfach gesagt bedeutet das: Der Text entsteht auf dem Papier, nicht im Kopf.

Auch für die systematische Überarbeitung der Rohfassung/Rohtexte sollten Sie also genügend Zeit einplanen. Nicht selten werden von Studierenden Rohfassungen eingereicht, die zwar geglättet, aber oftmals nicht systematisch überarbeitet wurden. Die inhaltliche und die kommunikative Qualität eines wissenschaftlichen Textes steigt jedoch beachtlich mit dessen systematischer Überarbeitung:

Abb Prozess Produkt

Tipps zum Verfassen und zum systematischen Überarbeiten einer Rohfassung gibt Ihnen die Schreibberatung gerne.

Literatur: Lehnen, Katrin/Schindler, Kirsten (2017): Schreiben im Übergang – Übergänge im Schreiben. Überlegungen zu einem losen Konzept und Überblick über den Band. In: Knorr, Dagmar/Lehnen, Katrin/Schindler, Kirsten (Hrsg.): Schreiben im Übergang von Bildungsinstitutionen. Frankfurt am Main: Peter Lang Edition, S. 9-28.

Für die Planung und Organisation von konkreten Aufgaben bietet sich beispielsweise ein Kanban Board an. Das Kanban ist eine denkbar simple Methode, um Aufgaben im Blick zu behalten und zu organisieren. Auf dem Kanban Board werden in drei Spalten anstehende Aufgaben gesammelt (To Do), eine begrenzte Anzahl von begonnenen Aufgaben beobachtet (Doing), und erledigte Aufgaben abgelegt (Done). Die auf Klebenotizen notierten Aufgaben wandern, je nach Arbeitsstand, durch das Kanban Board. Besonders wichtig dabei ist, dass die Aufgaben möglichst kleinschrittig, konkret und handlungsanleitend formuliert werden: Schreiben Sie also nicht „Recherche“, sondern brechen Sie die Aufgabe in klar umrissene SMARTE Ziele herunter runter: „Artikel zum Thema X in der Fachzeitschrift XY von 2014 bis 2019 suchen“ oder „Schlagworte X und Y in der Fachdatenbank Z suchen und Ergebnisse dokumentieren“. Durch die Verwendung verschiedenfarbiger Klebenotizen können Sie das Ganze nach Bedarf weiter systematisieren (z. B. nach Priorität, Umfang/Aufwand der Aufgabe, benötigter Ressourcen, o. ä.). Anleitungen für ein Kanban-Board finden Sie beispielsweise hier und hier. Tipp: Kanban Boards können Sie auch digital anlegen, z. B. im Cryptpad.

Bereiten Sie sich z. B. ein bestimmtes Getränk zu oder verfassen Sie zum Einstieg ins Arbeiten/Schreiben ein Freewriting (schriftliches Brainstorming). Mit einem Abschlussritual beenden Sie den Schreibtag und beginnen den ‚Feierabend‘. Um die Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit noch sichtbarer zu markieren, können Sie sich zu Beginn ‚Arbeitskleidung‘ anziehen, die Sie zum Feierabend gegen ‚Freizeitkleidung‘ austauschen.

Weitere Tipps für das motivierte Arbeiten zuhause finden Sie zum Beispiel hier:

Dafür kann zum Beispiel die sogenannte Tomatentechnik bzw. Pomodoro Technique genutzt werden. Die Tomatentechnik ist eine einfache Zeitmanagement Methode. Im Kontext des Schreibens kann sie dafür genutzt werden, Tagesziele (kleinteilig) zu formulieren und effektiv, in einem festen zeitlichen Rhythmus umzusetzen. Die Tools der Tomatentechnik helfen Ihnen dabei, konzentriert und ablenkungsfrei an konkreten Aufgaben zu arbeiten, ohne dabei kurze Erholungspausen zu vernachlässigen. Mithilfe von frei verfügbaren Desktop-Apps (Tomaten-Timer) lässt sich die Technik ganz einfach umsetzen, auch in einem virtuellen Schreibraum mit mehreren Schreib-Buddies. Für die Anwendung der Tomatentechnik an Schreibtagen gibt die Schreibberatung gerne Tipps. Probieren Sie es einfach aus, vielleicht werden Sie von sich selbst und/oder den Ergebnissen der Technik überrascht sein!

In einem Schreibjournal können Sie Ideen, Gedanken, Überlegungen, Geistesblitze, Probleme, Lösungsmöglichkeiten u.v.m. rund um Ihr Schreibprojekt niederschreiben. Das Schreiben als externalisierende Handlung stellt eine kognitive Entlastung dar – mit dem Schreiben kommen Sie oft weiter als mit dem Denken alleine. Nutzen Sie das Schreiben als ein Denkwerkzeug – auch, um (schreibend) über Ihren Text bzw. die Textproduktion nachzudenken und um den Schreibprozess zu steuern und voranzubringen. Auch anstehende Aufgaben und andere organisatorische Dinge können im Schreibjournal gebündelt festgehalten werden, so behalten Sie den Überblick über Ihr Schreibprojekt. Für Liebhaber*innen von Notizzetteln eignet sich eine Schreibjournal-Sammelmappe gut, darin können alle losen Zettel und Blätter gesammelt werden und es gehen keine wertvollen Gedanken verloren.

Das Worklog hat eine ganz bestimmte Funktion. Es dient Ihnen nämlich dazu, die nicht selten ‚unsichtbare‘ Arbeit am Schreibprojekt sichtbar zu machen, wie z. B. recherchieren, nachdenken, lesen. Im Worklog halten Sie am Ende des Arbeits-/ Schreitages fest, was Sie für das Schreibprojekt gemacht haben. Oft wir erst dadurch sichtbar, dass Sie ganz schön viel geschafft haben. Das entlastet auf mentaler und psychischer Ebene und ermöglicht es Ihnen, den Arbeits-/ Schreibtag ruhigen Gewissens abzuschließen. Mithilfe eines geteilten CryptPads, GoogleDocs oder ähnlichen Tools können Sie Ihr persönliches Worklog mit einem Schreib-Buddy teilen. So können Sie sich am Ende des Arbeits-/ Schreibtages gegenseitig motivierende Kommentare in ihr jeweiliges Worklog schreiben.

Finden Sie sich in (festen) Gruppen oder als (flexible) Schreib-Buddies zusammen, um sich gegenseitig Feedback zu geben, sich auszutauschen und zu motivieren. Hier sind verschiedene Formate denkbar:

In einer (selbstorganisierten) studentischen Schreibgruppe mit fester Besetzung können verbindliche, regelmäßige Treffen durchgeführt werden, in denen die Schreibenden über ihre Schreibprojekte sprechen, sich gegenseitig Feedback geben, gemeinsam auf Problemlösung gehen und sich motivieren. Die Schreibberatung unterstützt Sie gerne bei der Konzeption einer studentischen Schreibgruppe.

In Virtuellen Schreibräumen (z. B. BigBlueButton, Zoom) können sich Schreib-Buddies flexibel über den Schreibtag hinweg treffen, so wie sie es normalerweise in der Bibliothek bzw. auf dem Campus machen würden. Der Tag startet evtl. mit einem gemeinsamen Kaffee, danach können die jeweiligen Tagesziele gemeinsam, möglichst kleinteilig, festgelegt und Pausenzeiten vereinbart werden. Ein Breakoutroom kann als Ort für gemeinsame Pausen dienen, so wird der Arbeitsraum zum Pausieren verlassen. Ein ‚gemeinsames‘ Mittagessen am eigenen Küchentisch statt in der Mensa ist ebenso denkbar wie ein parallel gemachter, kleiner Pausenspaziergang oder eine knackige Fitness- oder entspannende Yogaeinheit. Am Ende des Arbeits-/ Schreibtages kann der Eintrag ins persönliche Worklog gegenseitig mit motivierendem Feedback versehen werden. Auch das nächste Treffen wird vereinbart und die nächsten Schritte für das Schreibprojekt werden im Schreibjournal notiert.

Moll, Melanie/Thielmann, Winfried (2017): Wissenschaftliches Deutsch. Wie es geht und worauf es dabei ankommt. Konstanz: UVK. Tipp: Zugriff auf die digitale Vollversion über die SUB!

Schreibzentrum TU Dresden (2018): Starthilfe Schreiben. Tipps und Methoden zum Planen und Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten (16.05.2023).

Wymann, Christian (2015): Der Schreibzeitplan. Zeitmanagement für Schreibende. Opladen: Budrich.

Wymann, Christian (2016): Schreibmythen entzaubern. Ungehindert schreiben in der Wissenschaft. Opladen: Budrich.