Zertifikatsprogramm Experimentelle Linguistik

Die Linguistik hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend empirisiert. Während Phonetik, Phonologie, und Psycho- und Neurolinguistik immer schon auch datengetrieben geforscht haben, wurde mit der Experimentellen Syntax, Semantik und Pragmatik auch den traditionell stärker theoretisch orientierten Disziplinen ein empirisches, datenorientiertes Fundament eingezogen.
Das Zertifikatsprogramm Experimentelle Linguistik soll Studierende dazu befähigen, sich mit diesen neueren Entwicklungen auseinanderzusetzen. Im Mittelpunkt steht dabei der Erwerb methodischen Wissens über die Operationalisierung von theoretischen Fragestellungen, die Planung und Durchführung von Experimenten und Korpusstudien, und die beschreibende und schlussfolgernde Statistik. Eingerahmt werden diese eher praxisbezogenen Lehranteile durch eine einführende Vorlesung und durch Seminare, die sich spezifischen Fragestellungen beispielsweise der Psycholinguistik widmen.

Im Einzelnen setzt sich das Zertifikatsprogramm aus den folgenden Kursen zusammen:

  • Vorlesung “Methoden und Modelle der Sprachverarbeitung”: Die Vorlesung führt in die Grundlagen der experimentellen Psycholinguistik ein und gibt einen Überblick über die einschlägigen Modelle und experimentellen Methoden zur Untersuchung der Verarbeitung natürlichsprachlicher Ausdrücke.
  • Psychlinguistisches Experimentalpraktikum I (ExPrak I): Dieser erste Teil des zweisemestrigen Praktikums gibt eine Einführung in die praktischen Grundlagen des computergestützten psycholinguistischen Experimentierens. Behandelt werden Stimuluskonstruktion und -aufbereitung (z.B. akustische Stimuli mit der Software praat), Versuchspläne, sowie erste Schritte im Programmieren eines Reaktionszeitexperimentes (mit der Software E-Prime). Ziel des Praktikums ist es, ein kleines Experiment selbst zu entwickeln und zu programmieren, sowie einen kleinen Datensatz dazu zu erheben.
  • Seminar Deskriptive Statistik: In diesem Seminar werden Grundkenntnisse der deskriptiven quantitiven Datenanalyse mittels der Software R vermittelt. Inhalte der Lehrveranstaltung sind Maße der zentralen Tendenz, Streuungsmaße, Histogramme, Boxplots, und Korrelationen. Daneben werden auch praktische Kenntnisse wie das Einlesen, Umformen und Aufbereiten von Daten vermittelt. Ziel ist es, für Daten aus einfachen experimentellen Designs beschreibende Statistiken in tabellarischer und graphischer Form erstellen zu können. Da dazu der Umgang mit der Software R erlernt werden muss, wird die Lehrveranstaltung von einem Tutorium begleitet, das sich schwerpunktmäßig dem Scripting und Coding in R widmet.
  • Seminar Psycholinguistisches Experimentalpraktikum II/Eye-Tracking (ExPrak II): In diesem Seminar sollen Studierende anhand eines grammatischen Phänomens an das Programmieren eines Experiments zur Blickbewegungsmessung, sowie die Datenerhebung mit dem Eye-Tracker herangeführt werden. Zentrales Lernziel ist dabei das Kennenlernen der zum Eye-Tracking notwendigen Hardware im Labor (Infrarotkamera, Präsentationsrechner, Steuerungsrechner), sowie der Software Experiment Builder. Ziel ist es, ein kleines Experiment zu programmieren, das die Studierenden selbst durchführen und mit dem*der Dozierenden gemeinsam auswerten. Die Teilnehmer*innenzahl ist aus Praktikabilitätsgründen auf 7 beschränkt, und ein vorgängiger Besuch des ExPrakI Voraussetzung.
  • Seminar Inferentielle Statistik: In diesem Seminar lernen Studierende, erste Schritte in der inferentiellen Statistik mit dem Softwarepaket R zu gehen. Ziel ist es, die wichtigsten statistischen Verfahren zur Rückschließen von einem Stichprobenergebnis auf die zugehörige Population kennenzulernen. Im Zentrum stehen dabei (χ²)-, t-Test und ANOVA, sowie das allgemeine lineare Modell, wobei das Seminar die konzeptuellen Grundlagen dieser Verfahren ebenso vermittelt, wie die praktische Umsetzung in R.


Die Vorlesung, das ExPrakII und die LV Deskriptive Statistik finden jeweils im Sommersemester statt; ExPrakII und Inferenzstatistik im Wintersemester.
Die Lehrveranstaltungen sollten idealerweise in dieser Reihenfolge belegt werden:

    1. Sommersemester: Vorlesung und Deskriptive Statistik.
    2. Wintersemester: ExPrakI und Inferenzstatistik
    3. Sommersemester: ExPrakII, Abschlussprüfung (mündlich, 20 min)


Nach Absolvieren des Zertifikatsprogrammes sind Studierende in der Lage, eine empirische Studie – sei es ein Experiment, z.B. zur Akzeptabilitätserhebung, sei es eine Korpusstudie – weitestgehend selbständig zu planen, durchzuführen, und unter Anleitung statistisch auszuwerten. Sie können die Ergebnisse außerdem in angemessener Form visualisieren, und sie vor dem Hintergrund der theoretischen Annahmen interpretieren. Das Zertifikatsprogramm vermittelt darüberhinaus den verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgang mit wissenschaftlichen Forschungsdaten und ihrer Dokumentation.