08/02/2012: Länder dürfen Wirtschaftsförderung an soziale Kriterien koppeln
Die Bundesländer werden zunehmend aktiv, um das Ausufern prekärer und schlecht entlohnter Beschäftigung einzudämmen. So haben die meisten Bundesländer die Vergabe öffentlicher Aufträge bereits an die Einhaltung von Tarifstandards gekoppelt bzw. wollen dies tun. Meist wurden Tariftreue-Regelungen erlassen, nach denen der Staat nur Anbieter beauftragen darf, die sich an die örtlichen Tarifverträge halten. Einige Länder haben darüber hinaus auch vergabespezifische Mindestlöhne festgelegt (siehe 31.08.2010).
Aufsehen erregt hatte das Bundesland Thüringen, das im Herbst 2011 angekündigt hatte, die Förderung von Arbeitsplätzen durch Lohnkostenzuschüsse aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) an die Voraussetzung zu knüpfen, dass im antragstellenden Unternehmen ein gültiger Tariflohn bzw. ein Mindestlohn von 7,50 Euro gezahlt wird (siehe 25.09.2011). Derartige Ansätze, die Wirtschaftsförderung stärker an soziale Kriterien zu binden, hat ein Gutachten jetzt ausdrücklich für rechtens erklärt.
Laut einer Pressemeldung des DGB Niedersachsen habe der Arbeitsrechtler Prof. Dr. Wolfhard Kohte von der Universität Halle-Wittenberg ein Rechtsgutachten vorgelegt, aus dem hervorgehe, dass die Bundesländer die Vergabe von Wirtschaftsfördermitteln umfassend an soziale Kriterien binden dürften. Weder verfassungsrechtliche Bestimmungen in Deutschland noch europarechtliche Regelungen seitens der EU stünden dem entgegen. So könne von geförderten Unternehmen zum Beispiel ein Mindestentgelt verlangt werden. Die Beachtung bestimmter tariflicher Normen könne genauso vorgeschrieben werden wie etwa die Beschränkung von Leiharbeit, Minijobs, Werkverträgen und befristeten Arbeitsverträgen.
Quelle: Pressemitteilung 005 des DGB Niedersachsen vom 08.02.2012
Weiterlesen: Kohte, W. (2012): Die Umsetzung nachhaltiger und sozialer Wirtschaftsförderung auf Landesebene am Beispiel von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, hg. v. der Friedrich-Ebert-Stiftung, Hannover.