Forschung
Im Zentrum der Forschungen, die an diesen Lehrstuhl gebunden sind, stehen historische Bildungsforschung und empirische Schulforschung.
Beide sind über den Gegenstandsbereich Schule miteinander verbunden: Zum einen ergänzen sich diese Perspektiven, zum anderen gehen sie aber auch ineinander über, etwa, wenn es sich um die Erforschung der jüngeren Bildungs- oder Schulgeschichte handelt.
In den einzelnen Projekten stehen sowohl Akteure des Bildungssystems in unterschiedlichen Epochen im Vordergrund als auch Veränderungen des Systems selbst unter den Bedingungen gesellschaftlichen Wandels. In Projekten zu gegenwärtigen Schulentwicklungsprozessen und zu Schulentwicklung und Politikwechsel in historischer Perspektive liegt der Aspekt stärker auf der Analyse des Systems.
Aktuelle Forschungsprojekte:
Privatschulentwicklung
Projektleitung: Prof. Dr. Margret Kraul
Projektbeschreibung:
Ausgangspunkt des Projekts war und ist der bundesweit starke Anstieg der privaten Schulen und der SchülerInnen, die eine private Schule besuchen, in den letzten zwanzig Jahren. Um zu prüfen, worauf dieser Anstieg beruht und welche Auswirkungen er auf das gesamte Schulsystem hat, sollen die an Schule beteiligten Akteure – Eltern, SchülerInnen, LehrerInnen, Schulleitungen, Schulverwaltung und weitere Interessengruppen – auf Handlungslogiken hin untersucht werden, die den Boom der Privatschulen bedingen können.
In einer Regionalstudie zu der Stadt Hannover, die über zahlreiche unterschiedlich profilierte Schulen in freier Trägerschaft verfügt, wird folgenden Fragen nachgegangen:
Schulkultur
Projektleitung: Prof. Dr. Margret Kraul, Prof. Dr. Regina Bendix, Dr. Katja Koch
Projektmitarbeiterinnen: Catharina Keßler, Michaela Nietert
Projektbeschreibung:
Der Begriff „Schulkultur“ wird in vielen Bereichen verwendet, ohne dass bisher eine einheitliche Definition formuliert wurde. Durch einen Vergleich zweier Schulen gleichen Typs mit qualitativ-empirischen Methoden soll dieser Begriff wissenschaftlich geschärft werden. Dazu dienen offene Interviews und Ethnographie, in der über einen längeren Zeitraum dichte Beschreibungen entstehen.
Es ist von Interesse, wie der schulische Alltag von unterschiedlichen Rahmenbedingungen, Traditionen und Interaktionen sowie durch das spezifische Schulklima bestimmt wird. Schulkultur soll als prozesshaft verstanden werden: Für ihre Erforschung ist das soziale und kulturelle System von Schule ebenso konstitutiv, wie das Handeln der mit der Schule verbundenen Akteure und die architektonischen sowie die gestalterischen Elemente. Die Schule funktioniert als ein komplexes Ganzes, dessen einzelne Aspekte nicht isoliert voneinander stehen. Ein solches Verständnis von Schule ist essentiell, um beispielsweise die unterschiedlichen Wirkungen von Reformen an verschiedenen Schulen gleichen Typs abschätzen zu können.
(gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der EKD)
Bildungsdiskurse und Institutionenwandel: Kindergarten und Vorschule in Deutschland 1965-1976
Projektleitung: Dr. Adrian Schmidtke, Prof. Dr. Margret Kraul
In diesem Forschungsprojekt wird die bundesdeutsche Debatte um Ziele und inhaltliche Ausrichtung von Kindergarten und Vorschule in den reformorientierten 1960er und 1970er Jahren aus diskursanalytischer Perspektive untersucht. Der Diskurs wird auf zentrale Begriffe, Argumentationsmuster, Prämissen und Sprecherpositionen der Diskursteilnehmer hin systematisiert; Struktur, Semantiken und Wirkungsmacht des gesamten Diskurses werden in den Blick genommen.
Ziel ist eine theoretisch fundierte Darstellung der sich in diesem Zeitraum verändernden Vorstellungen von Kindheit und (früh-)kindlicher Bildung.
Mit einer solchen Darstellung soll zum einen ein Beitrag zur Analyse der Struktur aktueller Debatten zu dieser Thematik geleistet werden können. Zum anderen geht es aber auch um die Frage, welche Positionen und Forderungen des Diskurses auf die vorschulischen Institutionen eingewirkt und sie entsprechend verändert haben. Die Untersuchung klinkt sich damit ein in die übergeordnete Frage, ob Bildungsdiskurse im Rahmen von Reformbemühungen Institutionen beeinflussen und verändern können.
(gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft)
Heimerziehung in Niedersachsen 1949-1975
Projektleitung: Prof. Dr. Margret Kraul und Prof. Dr. Dirk Schumann, Seminar für Mittlere und Neuere Geschichte
Projektmitarbeiterinnen: Rebecca Eulzer, Anne Kirchberg, MA, Annabell Daniel, BA, Sandra Wenk, BA
Projektbeschreibung:
Das Projekt „Heimerziehung in Niedersachsen 1949-1975“ soll einen Beitrag zur empirischen Klärung und Bewertung der Heimerziehung in Niedersachsen für den Zeitraum von der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bis zum Umbruch der 1970er Jahre leisten.
Eine erste Bestandsaufnahme zu Trägerstrukturen, vorhandenen Einrichtungen, Strukturen der Unterbringung und Aufsicht sowie zu Beschwerden und besonderen Vorkommnissen unter Beachtung des zeitgeschichtlichen Kontextes und der Erfahrung von bereits geleisteter Aufarbeitung erfolgt auf der Basis eines vom Niedersächsischen Landtag beschlossenen Fragenkatalogs. Seine Einzelfragen richten sich auf die Zahl und Art der Heime, das Profil der Heiminsassen und des Heimpersonals, auf die Arbeitsverpflichtung der Heiminsassen, ihre medizinische und psychische Betreuung und auf die Todesfälle in den Heimen und ihre Ursachen.
Damit verbunden ist eine vorläufige historische Einordnung und Bewertung der Heimerziehung, die vor dem Hintergrund des pädagogischen Diskurses der Zeit die Leitlinien, Programmatik und die Praxis der Heimerziehung analysiert. Der Fokus richtet sich auf das Handeln der Träger, der staatlichen Instanzen auf den verschiedenen Ebenen und die Erfahrungen der ehemaligen Heimkinder.
Dazu soll die Erziehungspraxis in verschiedenen Institutionen auf der Basis einer Analyse der Erziehungsdiskurse, der rechtlichen Grundlagen sowie Interviews mit damaligen Jugendlichen und ihren LehrerInnen, ErzieherInnen und Eltern für erste Fallstudien rekonstruiert werden. Zudem sollen im Kontext der allgemeinen Erziehungsdiskussion jene Prozesse analysiert werden, die seit den 60er Jahren – zumindest auf der Diskursebene – zu einem Paradigmawechsel in der Heimerziehung geführt haben. Dabei wird auch überprüft, inwiefern neue Formen institutionalisierter Erziehung entstanden sind.
(gefördert vom MWK Niedersachsen)